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2. Fundamentalkritik
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Die Positivliste folgt keinem bestimmten Schema oder denkbaren Klassifizierungsmerkmalen. Eine rein chemische Einordnung nach Stoffklassen (insbesondere Alkaloiden einerseits, Terpenoiden andererseits) erfolgt ebenso wenig wie eine Einteilung nach ihrem Ursprung (biogen, halbsynthetisch, vollsynthetisch). Der potentiell therapeutische Einsatz spielt nur für die Einordnung eines Betäubungsmittels als „verschreibungsfähig“ (also Betäubungsmittel der Anlage III) eine Rolle; freilich finden sich aber auch in der Liste nicht verschreibungsfähiger Substanzen zahlreiche Wirkstoffe, die früher noch in der Medizin Anwendung fanden, doch inzwischen als pharmazeutisch überholt gelten. Die in der Liste aufgeführten Substanzen bilden damit auch das gesamte Spektrum an Wirkweisen ab, von Dissoziativa, Narkotika und Sedativa hin zu psychedelischen bzw. halluzinogen wirkenden Substanzen (Lysergsäure, Psylocybin) bis zu Stimulantia (Kokain).
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Lediglich in der Verordnungsermächtigung (§ 1 Abs. 2 BtMG) finden sich vage Kriterien, die bei der Aufnahme eines Stoffes in die Liste Berücksichtigung finden müssen, namentlich die „Wirkungsweise eines Stoffes, vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen einer Abhängigkeit“ sowie das Ausmaß „der mißbräuchlichen Verwendung“ und eine unmittelbare oder mittelbare „Gefährdung der Gesundheit“.[92] Als Zweckmäßigkeitsentscheidung unter Hinzuziehung von Sachverständigen ist die Entscheidung über die Aufnahme eines Stoffes kaum justiziabel, sodass sich etwaige Kriterien auch nicht durch eine Spruchpraxis entwickeln können. Dies wäre auch schwierig, da selbst die Gefährlichkeit ein- und desselben Wirkstoffs von der Konzentration dessen, seiner Applikationsart und Aufbereitung wie auch von der Konstitution des Konsumenten sowie dessen Konsumgewohnheiten[93] abhängig ist (Drug/Set/Setting[94]). Dies mag der Grund dafür sein, dass bis heute noch Stoffe mit ganz erheblich divergierendem Gefährlichkeits- und Abhängigkeitspotential einem einheitlichen Regelwerk unterstellt sind, umgekehrt viele Substanzen, die als Narkotika und Delirantia dem weiten Drogenbegriff unterfielen, nicht in der Liste auftauchen (Alkohol, Ketamin). Dieses schon seit Anbeginn der Prohibition bestehende Legitimationsproblem ist bis heute nicht überwunden und geht weiter als die damit oftmals assoziierte Frage, warum Cannabis illegal, Alkohol hingegen legal sei (hierzu noch Rn. 117, 122).
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Dabei verfolgen die Suchtstoffübereinkommen, auf denen die Positivliste basiert, eigentlich einen akzeptablen Ansatz, wenn sie die aufgenommenen Stoffe nach ihrer Gefährlichkeit klassifizieren. Diese Differenzierung müsste sich allerdings auch in der Behandlung der Drogen, insbesondere im Hinblick auf den Umgang und ihrer Kriminalisierung diesbezüglich widerspiegeln. Allerdings wirkt sich die Differenzierung nach unterschiedlichen Graden der Verkehrsfähigkeit materiellrechtlich kaum aus, da sich das weitreichende Umgangsverbot auf alle Betäubungsmittel (Anlage I–III) bezieht (vgl. § 3 BtMG). Diese Gleichschaltung wird auch nicht im Rahmen der Strafvorschriften aufgehoben.
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Differenzierungen lässt das geltende Betäubungsmittelstrafrecht kaum zu,[95] obwohl insbesondere die Unterscheidung nach – gefühlten – Gefährlichkeitsgraden vom Konsumenten selbst (auch den jüngeren[96]) vorgenommen wird, was wiederum die Risikoprognose und damit den Achtungsanspruch des Verbots beeinflusst. Folglich lässt sich eine Neujustierung der Drogenklassifizierungen nicht länger verschieben.[97] Die Vertragsstaaten sind (vor allem vor dem Hintergrund der Neubewertung von Cannabis, vgl. noch Rn. 117) dringend angehalten, sich über einen Katalog an maßgeblichen Unterscheidungskriterien und abgestuften Konzepten zu verständigen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich hingegen mit der Einführung einer weiteren Stoffkategorie ohne materiellen Gehalt (namentlich die neue, psychoaktive Substanz, Rn. 44) noch weiter von messbaren, der empirischen Forschung zugänglichen Unterscheidungskriterien entfernt. Dies gilt es baldmöglichst zu korrigieren.[98]