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2. Zession

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Bei der Zession handelt es sich um die Abtretung eines Gebiets von einem Staat an den anderen. Die Zession ist damit ein Fall derivativen Gebietserwerbs. Angesichts der Nähe zum Zivilrecht mag es naheliegen, zivilistische Grundsätze ins Völkerrecht zu übertragen. Das gilt insbesondere für die Unterscheidung zwischen der Zession als solchen und dem ihr zugrunde liegenden Grundgeschäft, also etwa einem Kauf (z. B. Verkauf Alaskas von der Sowjetunion an die USA für 7,2 Mio. US-$ im Jahr 1867), Tausch (z. B. Übertragung der Insel Helgoland vom Vereinigten Königreich an das Deutsche Reich im Tausch für die Insel Sansibar im Jahr 1890) oder einer Schenkung (z. B. Schenkung der Lombardei von Frankreich an Italien im Jahr 1859). So betrachtet, erscheint die Zession als ein Verfügungsgeschäft, im Gegensatz zu dem der Verfügung zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft.

Angesichts einer diesbezüglich wenig ausgeprägten Dogmatik im Völkerrecht ist gegenüber der unbesehenen Übernahme zivilistischer Vorstellungen, die ja stets auch wesentlich von nationalen Rechtstraditionen beeinflusst sind, allerdings Zurückhaltung geboten. Vielmehr erscheint es vorzugswürdig, nach allgemeinen Auslegungskriterien im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln, ob mit dem Zessionsvertrag eine Abtretung im Sinne einer Verfügung oder eine bloße Verpflichtung hierzu vereinbart werden sollte. Bedeutung gewinnt diese Frage bei der Ermittlung des Zeitpunkts, zu welchem die territoriale Souveränität hinsichtlich des zedierten Gebietsteils auf den Erwerberstaat übergeht. Während einige Autoren auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zessionsvertrags abstellen, verlangen andere entsprechend dem → Effektivitätsprinzip, dass zusätzlich zum Vertrag noch die tatsächliche Übertragung erfolgt sein muss. Nach der hier vertretenen Auffassung ist, je nach Vertragsauslegung, beides möglich.

Ist ein Zessionsvertrag praktisch ins Werk gesetzt worden, besteht die Besonderheit, dass er Wirkungen auch gegenüber Nichtvertragsparteien entfaltet. Diese sind nämlich verpflichtet, die territoriale Neuzuordnung des zedierten Gebiets zu respektieren. Das stellt freilich nur auf den ersten Blick eine Abweichung vom generellen Verbot von Verträgen zu Lasten Dritter (Art. 34 WVRK; Sart. II, Nr. 320) dar. Bei näherer Betrachtung erweist sich, dass durch den Abtretungsvertrag keine neuen Rechtspflichten für die Nichtvertragspartei begründet werden. Was sich ändert, ist – allenfalls – die rechtliche Zuordnung bereits bestehender Ansprüche zu einem Rechtssubjekt. Dabei handelt es sich allerdings nur um einen mittelbaren Nachteil. Dieser ist angesichts der mit der territorialen Souveränität verbundenen Verfügungsmöglichkeit des Zedenten von den betroffenen Drittstaaten zu respektieren.

Die Zession hat regelmäßig einen Staatsangehörigkeitswechsel für die im abgetretenen Gebiet lebenden Angehörigen des Zedenten zur Folge. Diese Rechtsfolge tritt allerdings nicht schon von Völkerrechts wegen mit dem Gebietswechsel ein, sondern ist abhängig von etwaigen vertraglichen Vereinbarungen und/oder dem jeweiligen nationalen Staatsangehörigkeitsrecht. Sofern eine völkervertragliche Vereinbarung besteht, wird der betroffenen Bevölkerung typischerweise ein Optionsrecht zugunsten der bisherigen Staatsangehörigkeit eingeräumt. Ob ein solches Recht auch unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen auf gewohnheitsrechtlicher Basis existiert, ist allerdings nach wie vor umstritten (siehe diesbezüglich Art. 20 der ILC (Sart. II, Nr. 6) Draft Articles on Nationality of Natural Persons in relation to the Succession of States, der aber von der ILC selbst als eine Fortentwicklung des Völkerrechts bezeichnet wird [YBILC 1999, vol. II/2, Commentary Art. 20 Rn. 5]).

Fraglich erscheint, ob die Zession abhängig ist von der vorherigen Durchführung eines Plebiszits. Das könnte mit Rücksicht auf das → Selbstbestimmungsrecht der Völker, dem nach heutiger Auffassung gewohnheitsrechtliche Geltung zukommt, bejaht werden. Während die Durchführung von Plebisziten insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg propagiert wurde, bietet die jüngere Staatenpraxis keine Hinweise auf ein diesbezügliches → Völkergewohnheitsrecht.

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