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1. Annexion

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Nach klassischem Völkerrecht gehörten zur staatlichen → Souveränität das Recht zur Kriegführung (ius ad bellum) und, damit einhergehend, das Recht, sich das Territorium des unterlegenen Staates im Wege der Annexion einzuverleiben. Im modernen Völkerrecht ist dem Rechtsinstitut der Annexion durch die Etablierung des → universellen Gewaltverbots (Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch.) der Boden entzogen. Da gemäß den Regeln des intertemporalen Völkerrechts die Rechtmäßigkeit eines Gebietserwerbs nach dem zum jeweiligen Erwerbszeitpunkt geltenden Recht zu beurteilen ist, kann die Annexion auch heute noch eine Rolle spielen.

Die Wirksamkeit einer Annexion war nach klassischem Völkerrecht von der vollständigen und endgültigen Inbesitznahme des annektierten Gebiets sowie einem entsprechenden Annexionswillen abhängig. An Letzterem fehlte es im Falle der Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Bezug auf Deutschland durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg, da diese in der Berliner Erklärung vom 5.6.1945 eine Annexion ausdrücklich ausgeschlossen hatten („The assumption [. . .] of the said authority and powers does not effect the annexation of Germany“).

Die Absolutheit des universellen Gewaltverbots, das neben seiner völkervertraglichen Grundlage nach h.M. zugleich als → Völkergewohnheitsrecht im Range von ius cogens gilt, bringt es mit sich, dass ein dagegen verstoßender Gebietserwerb nicht allein völkerrechtlich unwirksam ist. Die materielle Nichtigkeit des Gebietserwerbs wird zugleich durch ein Anerkennungsverbot für Drittstaaten flankiert. Diese zunächst vom US-amerikanischen Außenminister Stimson 1932 im Zusammenhang mit der japanischen Besetzung der Mandschurei 1932 als politische Erklärung ausgegebene Doktrin (sog. Stimson-Doktrin) hat sich durch spätere Übernahme im Rahmen des → Völkerbundes sowie anschließend in den → Vereinten Nationen – insbesondere durch die → Friendly Relations-Declaration und die Aggressionsdefinition der Generalversammlung – mittlerweile ihrerseits zu Völkergewohnheitsrecht verfestigt. Sie kommt heute in Art. 41 Abs. 2 der ILC-Artikel über die Staatenverantwortlichkeit zum Ausdruck. Durch das Anerkennungsverbot tritt das ansonsten im Völkerrecht dominierende → Effektivitätsprinzip zugunsten des Legalitätsprinzips in den Hintergrund. Je länger eine faktisch verfestigte Lage andauert, umso schwieriger wird es allerdings für die Staatengemeinschaft, an der Rechtsfolge der Unwirksamkeit strikt festzuhalten.

Das Annexionsverbot wird in der Literatur bisweilen dadurch relativiert, dass es nur für den rechtswidrigen Aggressor, nicht hingegen für den sich rechtmäßig Verteidigenden (Art. 51 UN-Ch.) gelten soll. Der Gedanke, dass ein potentieller Aggressor durch das Risiko etwaiger Gebietsverluste von einem Angriff abgehalten werden soll, vermag indes nicht zu überzeugen. Der zentrale Rang des Gewaltverbots in der heutigen Völkerrechtsordnung spricht vielmehr dafür, auch dem Angreifer den Schutz des Annexionsverbots zugute kommen zu lassen.

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