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1. Verfahren vor der IAMRK
ОглавлениеIndividualbeschwerden über die Verletzung von Rechten durch eine Vertragspartei der AMRK können von jedermann – Einzelpersonen, Gruppen und juristischen Personen – bei der IAMRK eingelegt werden. Eine besondere Unterwerfungserklärung des betroffenen Vertragsstaates ist hierfür nicht erforderlich.
Zunächst erfolgt eine Vorabprüfung und die Zuleitung der Beschwerde an den betroffenen Staat, der Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Daran schließt sich die Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde entsprechend den in Art. 46 und 47 AMRK niedergelegten Voraussetzungen an. Hierzu zählen u. a. die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs, eine sechsmonatige Beschwerdefrist und das Verbot einer anderweitigen Anhängigkeit des Verfahrensgegenstands. Die Beschwerdebefugnis ist nicht auf die Betroffenen beschränkt, Beschwerdeführer und Opfer der behaupteten Menschenrechtsverletzung müssen also nicht identisch sein.
Bei der anschließenden Prüfung der Begründetheit sind beide Parteien aufgefordert, zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen; die IAMRK kann zudem Untersuchungen einleiten und Anhörungen durchführen. Dabei wirkt sie in allen Verfahrensstadien auf eine gütliche Einigung hin. Maßstab für die Entscheidungen sind die Konvention und die sonstigen menschenrechtlichen Verträge der OAS (s. o.). Für OAS-Mitgliedstaaten, die die Konvention nicht ratifiziert haben, oder für Sachverhalte aus Zeiten vor der jeweiligen Ratifizierung dient die Amerikanische Menschenrechtserklärung von 1948 als Maßstab. Kommt die IAMRK zu dem Ergebnis, dass eine Rechtsverletzung vorliegt, so erstellt sie einen Bericht, in welchem sie die Staatenverantwortlichkeit in Bezug auf die Verletzung feststellt, Maßnahmen zur Beendigung bzw. Wiedergutmachung der Verletzung empfiehlt und Empfehlungen allgemeiner Art z. B. zu erforderlichen Rechtsänderungen erteilt.
Nach Zuleitung des Berichts ist der Staat aufgerufen, die empfohlenen Maßnahmen innerhalb der im Bericht gesetzten Frist zu ergreifen. Danach entscheidet die IAMRK abschließend, ob diese ausreichend sind, oder ob, soweit der betroffene Staat dessen Zuständigkeit anerkannt hat, der Fall an den Gerichtshof überwiesen wird. Eine solche Vorlage erfolgt grundsätzlich immer, es sei denn, die IAMRK beschließt mit absoluter Mehrheit, den Fall nicht weiterzuleiten (Art. 45 Abs. 1 IAMRK-Verfahrensordnung). Auch der betroffene Staat kann die Angelegenheit dem Gerichtshof vorlegen. Hat der Staat die empfohlenen Maßnahmen nicht ergriffen und wird der Fall nicht an den Gerichtshof überwiesen, so wird der abschließende Bericht veröffentlicht.
In besonders schweren und dringenden Fällen kann die IAMRK auf Antrag oder aus eigener Initiative einstweilige Anordnungen erlassen, und zwar auch unabhängig von einem anhängigen Beschwerdeverfahren (Art. 25 der Verfahrensordnung). Die Konvention sieht weiterhin die Möglichkeit eines Staatenbeschwerdeverfahrens vor der IAMRK vor (Art. 45 AMRK); hierfür ist eine gesonderte Unterwerfungserklärung sowohl des beschwerdeführenden als auch des betroffenen Staats erforderlich. In der Praxis kommt diesem Verfahren kaum Bedeutung zu, es gab bislang lediglich eine derartige Beschwerde (Nicaragua v. Costa Rica, 2007).