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2. Reichweite

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Steht fest, dass ein nationaler Rechtssatz einen Sachverhalt mit Auslandsbezug regeln will, stellt sich die weitere Frage, wie weit ein Staat die Reichweite seiner Rechtsordnung erstrecken darf. So klar einerseits ist, dass ein Staat nicht von vornherein auf die Regelung reiner Inlandssachverhalte beschränkt ist, indem er z. B. den Staatsangehörigkeitserwerb und -verlust auch für seine im Ausland lebenden Angehörigen regeln darf, so kann doch andererseits nicht bezweifelt werden, dass es gewisse Regelungsgrenzen gibt und geben muss. Beispielsweise stellte ein Gesetz über den Erwerb oder Verlust nicht der eigenen, sondern einer fremden Staatsangehörigkeit grds. eine verbotene Einmischung in die inneren Angelegenheiten des betreffenden Heimatstaates dar.

Klare Aussagen über die zulässige Reichweite der jurisdiction to prescribe lassen sich dem allgemeinen Völkerrecht nur sehr eingeschränkt entnehmen. Für den Bereich des Strafrechts hat der Ständige Internationale Gerichtshof im Fall „Lotus“ die klassische Formulierung geprägt: „Far from laying down a general prohibition to the effect that States may not extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, it leaves them in this respect a wide measure of discretion which is only limited in certain cases by prohibitive rules; as regards other cases, every State remains free to adopt the principles which it regards as best and most suitable“ (PCIJ Series A 10 (1927), S. 19).

Die in der Formulierung des StIGH zum Ausdruck kommende Freiheitsvermutung wird in jüngerer Zeit allerdings zunehmend in Zweifel gezogen. Vielmehr ergibt eine genauere Analyse der Staatenpraxis, dass die Staaten regelmäßig auf das Vorliegen eines irgendwie gearteten sinnvollen Anknüpfungspunkts nicht verzichten. Dieses Kriterium hat gewisse Ähnlichkeit, darf aber keinesfalls verwechselt werden mit dem Erfordernis eines „genuine link“, welches der → IGH im Nottebohm-Fall aufgestellt hat (ICJ Reports 1955, S. 4 [23]). Gegenstand des Falles war nämlich nicht die Frage, ob die Verleihung der liechtensteinischen Staatsangehörigkeit an Nottebohm als völkerrechtlich zulässig und damit wirksam anzusehen sei, sondern allein die Frage der Anerkennung der Staatsangehörigkeitsverleihung für die Zwecke der → diplomatischen Schutzgewährung im Fall der Mehrstaatigkeit.

Eine Gelegenheit zur Klarstellung der Reichweite der jurisdiction to prescribe hat der IGH in dem 2002 entschiedenen „Arrest Warrant“-Fall verstreichen lassen (Democratic Republic of the Congo v. Belgium, ICJ Reports 2002, S. 3). Der Fall betraf die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen den amtierenden kongolesischen Außenminister durch belgische Stellen auf der Grundlage des sog. Weltrechtsprinzips; Gegenstand der Anklage waren im Kongo begangene Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ohne dass irgendein Bezug zu Belgien vorgelegen hätte. Der IGH ließ die Frage, ob bereits die Ausübung belgischer Strafgerichtsbarkeit auf der Grundlage des Weltrechtsprinzips völkerrechtswidrig war, dahinstehen (a.a.O., Rn. 46) und befasste sich nur mit der Verletzung der Immunität des amtierenden Außenministers, welche er bejahte. In den zahlreichen Sondervoten wird die erstgenannte Frage vertieft behandelt, wenngleich mit unterschiedlichen Ergebnissen. Relativ einig sind sich die IGH-Richter in dem Befund, dass die im Lotus-Fall aufgestellte Vermutung zugunsten der Regelungsfreiheit der Staaten jedenfalls heute nicht mehr uneingeschränkt fortgilt (a. A. nur Sondervotum van den Wyngaerts). Deshalb kam es entscheidend darauf an, ob sich Belgien auf einen Völkerrechtssatz stützen konnte, der die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit auf der Grundlage des Weltrechtsprinzips ausnahmsweise gestattete. Während vier Richter diese Frage verneinten (Präsident Guillaume, Richter Rezek, Ranjeva und Bula-Bula), wurde sie von drei Richtern bejaht (Higgins, Kooijmans und Buergenthal). Belgien hat in Reaktion auf das Urteil das Weltrechtsprinzip durch mehrere Gesetzesänderungen erheblich eingeschränkt. In der deutschen Rechtsordnung sieht § 1 VStGB das Weltrechtsprinzip vor, das jedoch durch die Möglichkeit des Absehens von der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft (§ 153f StPO) stark abgeschwächt wird.

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