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2. Anerkennung fremder Hoheitsakte
ОглавлениеHiervon zu unterscheiden ist die Fallkonstellation der Anerkennung eines im Ausland gesetzten Hoheitsakts, beispielsweise einer Enteignung. Betrifft die Enteignung nicht nur im enteignenden Staat belegenes Eigentum, sondern erstreckt sich auch auf Vermögen im Forumstaat, stellt sich die Frage, ob der Forumstaat verpflichtet ist, die Enteignung anzuerkennen. Eine derartige Pflicht lässt sich im Völkerrecht – vorbehaltlich etwaiger völkervertraglicher Regelungen – nicht feststellen. Insbesondere ist die sog. Act of State-Doktrin, der zufolge inländischen Gerichten die Überprüfung der Wirksamkeit des Hoheitsakts eines anderen Staates verwehrt ist, kein Völkerrechtssatz, sondern eine Regel des angloamerikanischen Rechtskreises. Allgemein überlässt das Völkerrecht die Entscheidung über die Gültigkeit ausländischer Hoheitsakte den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen. Die Rechtsprechung des BGH beispielsweise geht dahin, dass die Wirkungen einer Enteignung für das im enteignenden Staat belegene Vermögen grundsätzlich anerkannt werden, die Wirkungen für das in Deutschland belegene Auslandsvermögen hingegen nicht (BGHZ 62, 340 [343]). Dadurch kann es zur Entstehung „hinkender“ Rechtsverhältnisse kommen. Auch soweit eine grds. Anerkennung erfolgt, steht diese unter dem Ordre public-Vorbehalt (Art. 6 EGBGB).
Eine völkerrechtliche Pflicht zur Nichtanerkennung völkerrechtswidriger Enteignungen besteht nicht. Anders verhält es sich nur bei Verstößen gegen → ius cogens, hier ist von einem Anerkennungsverbot auszugehen (vgl. Art. 41 Abs. 2 ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit; Sart. II, Nr. 6). Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht die Ansicht vertreten, im Fall eines Ius cogens-Verstoßes bestehe lediglich eine „Pflicht zur erfolgsbezogenen Zusammenarbeit“, um einen „Zustand näher am Völkerrecht“ herbeizuführen (BVerfGE 112, 1 [31]).
Die Anerkennung eines fremden Hoheitsaktes kann vom Forumstaat von Fall zu Fall ausgesprochen werden. Den Staaten ist es aber selbstverständlich unbenommen, völkerrechtliche Verträge über die Anerkennung zu schließen. Ein Beispiel hierfür bildet die gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen in Art. 41 des Übereinkommens über den Straßenverkehr (BGBl. 1977 II S. 811). Im Bereich des europäischen Unionsrechts sind die Grundfreiheiten vom EuGH im Gefolge der Cassis de Dijon-Rechtsprechung (Rs. 120/78) zu einem allgemeinen Anerkennungs- oder Ursprungslandprinzip ausgebaut worden. Mittlerweile ist das Anerkennungsprinzip über die Grundfreiheiten hinaus auch auf den Bereich des Strafrechts übertragen worden (Art. 82 AEUV; Sart. I, Nr. 1001), begegnet dort aber nach wie vor prinzipiellen Bedenken (befürwortend indes BVerfGE 113, 273, LS 2 – Europäischer Haftbefehl).