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II. Verhältnis des Art. 19 AEUV zum sonstigen Primärrecht
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Die Anwendung des Art. 19 Abs. 1 AEUV wird dadurch begrenzt, dass diese Ermächtigungsgrundlage nur „[u]nbeschadet der sonstigen Bestimmungen der Verträge“ eingreift. Angesichts des Wortlauts drängt sich ein Vergleich mit Art. 18 UAbs. 1 AEUV auf, der allerdings nicht auf die „sonstigen“, sondern auf „besondere“ Bestimmungen der Verträge Bezug nimmt. Gleich bleibt allerdings die Darstellung des Verhältnisses zu den jeweiligen Bestimmungen durch die einleitende Präposition „[u]nbeschadet“, die angesichts der systematischen Nähe beider Normen zueinander identisch auszulegen ist (s. → Diskriminierungsverbot, allgemeines [Rn. 585]). Daher kommt auch Art. 19 Abs. 1 AEUV nur nachrangig zur Anwendung.
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Er unterliegt zudem einer umfassenden Subsidiarität gegenüber allen sonstigen Ermächtigungsgrundlagen, die den Erlass von Sekundärrecht zulassen, das zumindest auch Maßnahmen gegen Diskriminierungen erfassen kann. Hier wirkt sich der oben dargestellte Unterschied in der tatbestandlichen Formulierung aus, denn anders als bei Art. 18 UAbs. 1 AEUV besteht die Subsidiarität nicht nur gegenüber speziellen Antidiskriminierungsvorschriften. Da es außer Art. 157 AEUV auch keine konkurrierenden, auf die gleichen Merkmale abstellenden Vorschriften gibt, wäre eine so verstandene Subsidiarität ohnehin auch weitgehend gegenstandslos. Somit verbleiben für Art. 19 AEUV die gezielt und ausschließlich auf die Bekämpfung von Ungleichbehandlungen aus den in Absatz 1 genannten Gründen gerichteten Maßnahmen. Angesichts der erheblichen Verfahrensanforderungen (Rn. 33 ff.) ist ein derart restriktives Verständnis angezeigt, um die für „sonstige Bestimmungen“ der Verträge vorgesehenen erleichterten Anforderungen nicht zu konterkarieren. Nur die Kompetenzergänzungsklausel ist ihrerseits angesichts der ausdrücklichen Anordnung in Art. 352 Abs. 1 S. 1 AEUV subsidiär zu Art. 19 AEUV.
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Aufgrund von Art. 19 Abs. 1 AEUV können Rechte des Einzelnen im Sekundärrecht verankert werden. Art. 21 Abs. 1 GRCh vermittelt in Bezug auf dieselben Merkmale (und weitere, nicht in Art. 19 Abs. 1 AEUV genannte) hingegen unmittelbar einklagbare Rechte, die von den Mitgliedstaaten (nur) bei der Durchführung des EU-Rechts zu gewährleisten sind.
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