Читать книгу Kommissar Terani ermittelt - Bettina Bäumert - Страница 13
5
ОглавлениеMit den Sportlern der ersten Gruppe stürmte auch Leonard Terani los. Nur wenig später konnte er sich bereits mit zwei weiteren Läufern vom dicht gedrängten Hauptfeld absetzen.
Er lächelte zufrieden. An diesem Tage meinte es Petrus wirklich gut mit dieser, mit Leonards Stadt. Der Apostel, der laut dem Volksglauben für das Wetter zuständig war, hatte ein traumhaftes Winterwetter geschickt. An einem blass blauen Himmel ließ er die Sonne heute in einem ganz besonderen Glanz erstrahlen. Wodurch der Schnee, der in diesem Jahr ungewöhnlich großzügig gefallen war, diamanten gleich glitzerte.
Trotz seines beachtlichen Tempos, genoss Leonard die Schönheit und die Pracht der winterlichen, märchenhaften Landschaft. Allerdings ließ er dabei seine Rivalen nie aus den Augen. Zufrieden stellte er fest, dass er bereits nach knapp der Hälfte der Strecke, einen weiteren, ansehnlichen Abstand zu seinen Mitstreitern gewonnen hatte.
Im Ziel löste ihn Serafina sichtlich begeistert ab. Ganz anders dagegen der Schamane Fridolin, der nach Serafina durchstarten sollte. Im Moment sah es allerdings nicht wirklich danach aus. Fridolin waren seine Nervosität und seine Bedenken deutlich ins Gesicht geschrieben. Leonard war klar, dass sein Freund momentan nicht wusste, ob er sich nun auf diesen, seinen Lauf, freuen, oder die Teilnahme daran doch noch im letzten Augenblick absagen sollte.
Der Schamane tat genau das, das er in derartigen Situationen, in denen ihn Angst zu übermannen drohte, stets zu tun pflegte.
Er meditierte.
Leonard schmunzelte gutmütig. Dabei sah er sich suchend in den Massen an Zuschauern um. Die Zeit, die er noch bis zu seinem nächsten Lauf hatte, wollte er für einen kleinen Plausch mit seinen Freunden nutzen. Er hatte Glück. Schon nach kurzem Suchen entdeckte er, und das nicht weit vom Start entfernt, seinen Freund und Kollegen Kai Berger.
„Leo! Mann! Was für eine verfluchte Kälte!“, jammerte Kai, kaum dass sich Leonard zu ihm gesellte. Dabei trat er unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Bist übrigens klasse gelaufen. Hast die anderen ganz schön alt aussehen lassen“, setzte er lachend hinzu, wobei er Leonard eine Tasse mit dampfenden Glühwein reichte.
„Trink mal, Leo. Ist so was von arschkalt. Das Zeug hier wärmt von Innen. Und es schmeckt auch noch sehr gut.“
Kai Berger, um einiges kleiner und auch fülliger als Leonard Terani, grinste breit.
„Also wirklich, Kai, du kannst von Glück sagen, dass deine Frau nicht mehr hier ist!“, beanstandete Charlotte Charles ihren Freund und Kollegen. „Ehrlich, Sabine würde deine rüde Ausdrucksweise nicht tolerieren. Schließlich habt ihr Kinder. Was würdest du sagen, kommen Charly und Lea mit derartigen Ausdrücken nach Hause?“
Kai sah Charlotte verdutzt an. Er wollte schon zu einer Entgegnung ansetzen. Von wegen, dass die Kinder zum einen nicht mehr hier waren, und zum anderen auch noch viel zu klein waren, um irgendetwas von dem, das er von sich gab, verstehen konnten. Im letzten Moment zog er es dann doch lieber vor, seinen Kommentar hinunterzuschlucken. Bei einer Diskussion mit der Rechtsmedizinerin, das war ihm vollkommen klar, würde er letztendlich und mit Sicherheit den Kürzeren ziehen.
Charlotte Charles lächelte selbstbewusst. Sie war, wie gewohnt, im Gothic Stil gekleidet. Unter einem dicken, fast bodenlangen Mantel trug sie heute ein schwarzes Spitzenkleid. Darunter sahen derbe Stiefel hervor, die über und über mit silbernen Nieten besetzt waren. Ihre Hände hatte sie tief in einem dunklen, altmodischen Muff vergraben. Auf ihrem Kopf balancierte eine schwarze Kunst-Fellmütze. Ihre pechschwarzen Haare waren zu zwei dicken Zöpfen geflochten, die von je einer roten Schleife zusammengehalten wurden. Der einzige Farbfleck ihres ansonsten komplett schwarzen Outfits.
Leonard nahm einen kräftigen Schluck Glühwein.
„Sabine ist mit den Kindern schon gegangen? Hat mich meine Lea noch laufen gesehen?“, erkundigte er sich bei Kai Berger, wobei er ihm die Tasse zurückreichte. Lea war schließlich sein Patenkind, auf das er sehr, sehr stolz war.
„Leonardo! Wo denkst du denn hin!?!“, ließ Charlotte Kai erst gar nicht zu Wort kommen. „Natürlich ist Sabine mit den Kleinen nicht geblieben. Bei dieser Eiseskälte? Sabine war nur ganz kurz mit den Kindern hier. Ist wirklich viel zu kalt für die Kids. Sie ist schon mal zu Carmen.“
Kai, der kaum mehr stillstehen konnte, sah Charlotte entrüstet an.
„Eiseskälte?! Das drückt es nicht annähernd richtig aus. Wenn es so weiter geht, gefriere ich hier noch fest.“
Leonard lachte laut.
„Tja mein Freund, du hättest eben nicht kneifen und mitlaufen sollen. Dann wäre dir jetzt schön warm.“ Wohlwollend klopfte er Kai auf den Bauch. „Und ehrlich, deiner Figur hätte es auch kein bisschen geschadet.
Charlotte kicherte schadenfroh.
„Leo! Das ist kein Fett! Das sind eiserne Reserven“, rechtfertigte sich Kai entrüstet. „Und überhaupt. Ich habe keinen Spaß an Sport. Sport ist bekanntlich Mord.“
Eine aufgeregte Frauenstimme beendete das gutmütige Geplänkel der Freunde.
„Ist mein Schatz schon gelaufen!?“
Ulrike Schneider, eine große, schlanke Frau mit braunem, halblangem Haar, bevorzugte im Gegensatz zu ihrer langjährigen Freundin Serafina, mit der zusammen sie ein kleines Modegeschäft hatte, Jeans und Pullover. Sie war erst seit kurzem mit dem Schamanen Fridolin Schiller liiert und sehr schwer verliebt.
„Hallo meine Lieben. Meine Eltern …“, sagte sie entschuldigend, wobei sie sich zu Charlotte gesellte. „Oh Mann, ich sollte wieder Sport treiben. Der kleine Spurt zu euch und ich bin vollkommen alle. … Meine Eltern sind erst jetzt abgereist. … Ich sage euch, der Markt von Village war noch nie so voll wie jetzt. Ist kaum mehr ein Durchkommen. Um jeden noch so kümmerlichen Glühweinstand stehen irre viele Leute. Na ja, kein Wunder bei den eisigen Temperaturen. Irgendwie muss man sich ja aufwärmen. … Mag jemand frischgebackene Makronen? Sind noch warm.“
Noch während sie redete, reichte sie die Tüte mit dem duftenden Gebäck in die Runde. Kai, wie auch Charlotte ließen sich nicht zweimal bitten. Sie griffen freudig zu.
„Hast Glück, Ulrike. Fridolin löst jetzt gerade Serafina ab.“ Charlotte biss herzhaft in ihr Backwerk, bevor sie damit zur Start- und Ziellinie zeigte.
„Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, deine Eltern würden sich das doch noch überlegen und Silvester mit uns feiern“, sagte Leonard und nahm dankend eine Makrone.
Ulrike Schneider winkte ab.
„Ne, lass mal Leo. Lieb von dir. Aber meine Eltern hatten gar nicht geplant, so lange zu bleiben. Weihnachten hier und nicht zu Hause? Eigentlich undenkbar. Zumindest war das bis jetzt der Fall gewesen. Hat mich schon gewundert, dass sie so lange durchgehalten haben. Mein Bruder hat Mam und Dad eingeladen, Silvester mit ihm und seiner Familie zu feiern. Sag ja, ich erkenne meine Eltern nicht mehr wieder. … Oh nein! Fridl! Jetzt ist er beinahe gestürzt!“, rief sie aufgeregt.
„Muss sagen, er läuft nicht schlecht, dein Fridl. Für das, dass ich ihm erst vor Kurzem Unterricht erteilt habe“, lächelte Leonard anerkennend. „Wirklich, alle Achtung. Ist eben ein Naturtalent, dein Schatz, Ulrike. … Also Leute, dann bis später. Ich muss los. Wir treffen uns später bei Carmen.“