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2. Zwangsvollstreckung und Insolvenzverfahren
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Das Zwangsvollstreckungsrecht ist als Einzelvollstreckung ausgestaltet: Jeder einzelne Gläubiger versucht, seinen titulierten Anspruch – etwa durch Pfändung und Versteigerung von beweglichen Sachen – mit staatlichem Zwang durchzusetzen. Pfänden mehrere Gläubiger dieselbe Sache des Schuldners, gilt das Prioritätsprinzip (§ 804 III ZPO). Der früher pfändende Gläubiger wird vor einem später pfändenden Gläubiger befriedigt. Wenn das Vermögen des Schuldners zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreicht, kann das Prioritätsprinzip zu einem Wettlauf der Gläubiger und dadurch zu einer möglicherweise ungerechten Verteilung des Vermögens führen.
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Das Insolvenzverfahren versucht diesen Wettlauf der Gläubiger zu vermeiden, indem alle Gläubiger in einem einheitlichen Verfahren gegen den Schuldner vorgehen und anteilig befriedigt werden. Diese Art der Zwangsvollstreckung wird auch Gesamtvollstreckung genannt. Die Gesamtvollstreckung erfolgt durch ein zu diesem Zweck bestelltes Organ (Insolvenzverwalter) und nicht durch die Gläubiger selbst.
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Beispiel 1 (Insolvenzeröffnung während der laufenden Zwangsvollstreckung, vgl. auch Rn. 336):
Gläubiger G hat bei Schuldner S vor sieben Wochen und noch einmal vor drei Wochen einige wertvolle Gegenstände pfänden lassen. Nun wird über das Vermögen des S die Insolvenz eröffnet. Was kann S tun, wenn G weiterpfändet? Ist die bereits erfolgte Pfändung wirksam?
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Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach § 89 InsO jede Maßnahme der Einzelzwangsvollstreckung unzulässig. In Beispiel 1 darf G deshalb keine weiteren Pfändungen durchführen lassen. Tut er es doch, kann der Insolvenzverwalter die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO einlegen (besondere Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach § 89 III InsO). Die Insolvenzeröffnung wirkt außerdem zurück: Pfändungspfandrechte erlöschen rückwirkend, wenn sie im letzten Monat vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung entstanden sind (§ 88 InsO, Rn. 335). Für die Wirksamkeit der vor sieben Wochen erfolgten Pfändungen kommt es darauf an, ob sie mehr als einen Monat vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung erfolgt waren. Selbst wenn das der Fall ist, darf nach § 89 I InsO keine vollstreckungsrechtliche Verwertung mehr erfolgen. Vielmehr greift § 50 I InsO: G hat einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus dem Pfandgegenstand.
§ 2 Grundsätze des Vollstreckungsverfahrens › II. Verfahrensgrundsätze