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aa) Arbeitsrechtliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs
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Bei der arbeitsrechtlichen Definition des Arbeitnehmerbegriffs, die die Rechtsprechung und Lehre entwickelt haben und an der sich durch die Einfügung von § 611a BGB nichts geändert hat, kommt es nicht auf die Parteibezeichnung im Rahmen des Vertrages an.[1] Dies folgt aus dem Grundsatz vom sog. Rechtsformzwang, demzufolge die Parteien sich nicht durch vertragliche Regelungen dem durch das objektive Recht ausdrücklich vorgegebenen Schutz für Arbeitnehmer entziehen können sollen.[2] Relevant ist vielmehr der tatsächliche Inhalt des Vertragsverhältnisses. Arbeitnehmer kann danach nur sein, wer unselbstständige und fremdbestimmte Dienste zu leisten hat.[3] Hieraus wiederum folgt, dass Arbeitnehmer nur eine natürliche Person sein kann.[4]
Mit § 611a BGB hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 1.4.2017 versucht, eine gesetzliche Definition des Arbeitnehmers zu schaffen. Diese ist allerdings unscharf und beinhaltet keine neuen Erkenntnisse außerhalb der von der Rechtsprechung entwickelten Definition.[5] Es gibt Stimmen in der Literatur, die die Neuregelung des § 611a BGB als fehlerhaft und unbrauchbar sehen[6] und andere wiederum als gelungene Regelung, die Rechtssicherheit schafft.[7]
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Wichtigstes Merkmal zur Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs ist nach dem BAG die Unselbstständigkeit bzw. persönliche Abhängigkeit.[8] Arbeitnehmer ist nach der weitgehend anerkannten Definition des BAG, wer „aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet“ ist.[9] Die Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit kann anhand von § 611a Abs. 1 S. 3 BGB erfolgen. Hiernach ist weisungsgebunden, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Maßgeblich ist, ob die Person nach Art, Ort und Zeit seines Tätigwerdens den Weisungen eines anderen unterworfen ist.[10] Ausschlaggebend sind die persönliche und fachliche Weisungsgebundenheit. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Leistung ab, § 611a Abs. 1 S. 4 BGB. Nach der h.M. kommt es hingegen auf eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Abhängigkeit nicht an.[11] Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 611a Abs. 1 S. 1 BGB, der lediglich die persönliche, nicht aber die wirtschaftliche Abhängigkeit anführt.[12] Für diese Sichtweise spricht insbesondere auch die Regelung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG, wonach Personen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit eben nicht als Arbeitnehmer, sondern lediglich als arbeitnehmerähnliche Personen angesehen werden.[13] Zu beachten ist, dass nach dem BAG Personen, mit denen zwar eine Vertragsbeziehung besteht, diese allerdings nicht oder nur in geringem Umfang weisungsgebunden sind, gleichwohl als Arbeitnehmer eingestuft werden können.[14]
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Da der Arbeitnehmerbegriff keine tatbestandlich klar umrissene Bezeichnung ist, sondern ein „Typus-Begriff“[15], haben sich die vorstehenden Grundsätze berücksichtigend einige Indizien herausgebildet, bei deren Vorliegen von einer Unselbstständigkeit und im Ergebnis auch von einer Arbeitnehmerstellung auszugehen ist[16]:
– | Eingliederung in fremden Organisationsbereich (Betrieb, Haushalt etc.)[17], |
– | Eigenart und Organisation der Tätigkeit, siehe jetzt auch ausdrücklich in § 611a Abs. 1 S. 4 BGB |
– | persönliche Leistung oder Einsatz Dritter, |
– | Weisungsgebundenheit bzgl. Inhalt, Ort, Zeit, Durchführung, also Dauer und Art der Tätigkeit, vgl. § 611a Abs. 1 S. 2 BGB |
– | Überwachung und Verhaltens- und Ordnungsregeln, |
– | Unternehmerrisiko[18] und |
– | Art der Vergütung. |
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Die vorstehend aufgelisteten indiziellen Merkmale zur Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft können sich überschneiden und „in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien“. Letztlich entscheidend für die Einordnung eines Dienstleistenden als Arbeitnehmer ist folglich das Gesamtbild, welches sich bei der Betrachtung des Einzelfalles ergibt und nicht etwa die Bezeichnung oder der formale Inhalt des Vertragsverhältnisses.[19] Anzustellen ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, wie § 611a Abs. 1 S. 5 BGB klarstellt.
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Die Kasuistik der Rechtsprechung beinhaltet zahlreiche Entscheidungen, die für „Normalfälle“ den Arbeitnehmerbegriff in ausreichender Weise konkretisieren.[20] Von diesen Fällen abgesehen ist der Arbeitnehmerbegriff im Hinblick auf neue Beschäftigungsformen wie die des „freien Mitarbeiters“ zum Teil schwierig zu bestimmen, sodass hier in Ermangelung einschlägiger Rechtsprechung auf die Kriterien zur Bestimmung der abhängigen Beschäftigung zurückgegriffen werden muss.