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MORTAGNE-AU-PERCHE – ES GEHT UM DIE BLUTWURST!
WIE AUS EINEM FLAUBERT-ROMAN
Es geht um die Wurst. Nicht um irgendeine natürlich, sondern den Boudin Noir, eine Blutwurst, als dessen Hauptstadt sich Mortagne-au-Perche feiert. Das schmucke Städtchen wirkt ansonsten wie einem Flaubert-Roman entsprungen. Dem provinziellen Charme entziehe sich, wer mag – wir nicht!
Fuchs und Hase scheinen sich in der alten Grafschaft Perche »Gute Nacht« zu sagen. Abgesehen vom allseits grassierenden Jagdfieber liegt der bukolische Landstrich im Süden der Normandie fernab vom Schuss. Entsprechend unberührt von den Aufgeregtheiten des 21. Jahrhunderts kommt Mortagne-au-Perche daher. Straßenzüge und Plätze versprühen den Charme der Vieille France. Ringsherum rollen die Hügel davon. Wälder sind dicht. Auf den Weiden stehen klobige Percheron-Pferde. Die Kaltblüter haben vor Erfindung der Métro die Pariser Omnibusse gezogen und sind noch heute der ganze Stolz des Perche.
Apropos Paris: Mehr Manoirs als im Perche gibt es in der ganzen Normandie nicht. Viele dieser Herrenhäuser wurden von betuchten Parisern gekauft, auch in Mortagne-au-Perche selbst. Was nicht immer auf Begeisterung unter den Einheimischen stieß. Als Filmstar Jean Gabin Anfang der 1960er-Jahre nördlich von Mortagne-au-Perche einen Hof samt 150 Hektar Land kaufte, um Pferde zu züchten, protestierten Hunderte von Bauern vor seinem Anwesen gegen den Ausverkauf des Perche. Der ging munter weiter, wenn auch diskret. Hier ein Haus zu besitzen gilt in Paris als Beweis guten Geschmacks und ist sophistiqué. Der Rest ist Schweigen.
Vier bis fünf Kilometer Blutwurst werden beim alljährlichen Fest des Boudin Noir im März verschlungen. Wie viel Kilometer Blutwurst auf dem jeden Samstag stattfindenden Marché fermier über die Theke gehen, ist hingegen unbekannt. Sicher ist nur, dass industrielle Ware auf dem Bauernmarkt verpönt ist. Frisch vom Hof oder vom Metzger muss die Blutwurst sein, darauf achtet auch die ehrwürdige Confrérie des Chevaliers du Goûte-Boudin. Die in bodenlange, tiefrote Gewänder eingekleidete Bruderschaft der Ritter der Blutwurstprobe organisiert alljährlich die Weltmeisterschaft der besten Blutwurst. Lokale Metzgereien wie die von Thomas Habert in der Rue Général Leclerc belegen zuverlässig Spitzenplätze und sind mehrfach prämiert für den klassischen Boudin noir tradition, den geräucherten Boudin noir fumé oder den mit Äpfeln und Apfelschnaps verfeinerten Boudin noir aux Pommes et au Calvados. Bon appétit!
Provinz zum Verlieben
Die ineinander übergehenden Place de la République und Place du Général-de-Gaulle bilden das pulsierende Doppelherz der Stadt. Im Süden der Doppelplatzanlage steht die mit ihren Bögen elegant wirkende Kornhalle von 1822. Die fast 500 Jahre alte Maison à Tourelle gegenüber, erkennbar am rapunzelwürdigen Eckturm, war einmal ein Gasthaus. In den Straßen ringsherum wirken die barocken Stadtpalais wie aus dem Pariser Marais in die normannische Provinz versetzt. Man ahnt, dass die Vorliebe der Hauptstädter für einen Zweitwohnsitz in Mortagne-au-Perche eine lange Geschichte hat. Besonders prachtvoll: das Hôtel Fousteau-Dutertre in der Rue Sainte-Croix 23, das Hôtel Hocquart de Montfermeil an der Place du Palais, das Hôtel Crestien de Galais, einst Sitz des königlichen Jagd-, Forst- und Wasserkapitäns, und heute Rathaus der Stadt mit französischem Park auf der Rückseite.
Bliebe noch die Maison des Comtes du Perche, der ehemalige Sitz der Grafen des Perche aus dem 17. Jahrhundert. In der ersten Etage erinnert das Musée Alain an den berühmtesten Sohn der Stadt, den Philosophen, Dichter, Journalisten Émile-Auguste Chartier, genannt Alain (1868–1951), dessen Texte ganzen Generationen von französischen Abiturprüflingen den Schweiß auf die Stirn getrieben haben. »Ich bin Percheron, das heißt etwas anderes als Normanne«, lautet eines seiner bekanntesten Bonmots.
DIE HERRENHÄUSER DES PERCHE LADEN ZU EINER RADTOUR IN DIE TIEFE PROVINZ EIN. WIE WÄRE ES MIT EINER BLUTWURST ZUR ANSCHLIESSENDEN STÄRKUNG?
ROUTE DER TRAUMHÄUSER
Die knapp 90 Kilometer lange Route des Manoirs du Perche führt zu annähernd hundert Herrenhäusern des Perche. Am bekanntesten ist der honigblonde Manoir de Courboyer aus dem 15./16. Jahrhundert, in dem die Verwaltung des Parc Naturel régional du Perche ihren Sitz hat. Als Geheimtipp darf hingegen das Dorf Préaux-du-Perche gelten, wo es gleich vier Herrenhäuser zu entdecken gilt. In einigen Manoirs kann man sich einmieten, so etwa in den Chambres d’Hôtes des Manoir de Lormarin in Perche-en-Nocé, der zugleich als Showroom eines Antiquitätenhändlers dient. Andere sind zu besichtigen, so etwa der Manoir de la Fresnaye in St-Germain-de-la-Coudre.
WEITERE INFORMATIONEN
Mortagne-au-Perche, http://tourisme-mortagne-au-perche.fr
Le Perche, www.perche-tourisme.fr
Route des Manoirs du Perche, www.ornetourisme.com
Manoir de Lormarin, http://manoirdelormarin.fr
Manoir de la Fresnaye, www.fresnaye-perche.fr