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VALOGNES – JUWEL DER BOCAGE
EIN VERSAILLES IM KLEINFORMAT
Von den römischen Bädern der antiken Stadt Alauna bis zur Architektur der 30 erfolgreichen Nachkriegsjahre, der Trente Glorieuses, besitzt Valognes ein reiches Erbe. Doch berühmt wurde das Städtchen im Norden des Cotentin für seine Stadtpaläste. Sie machten es zum Versailles der Normandie.
Valognes versteckt sich im Hinterland der Küste inmitten des Bocage, einer sanft gewellten Landschaft, die Assoziationen an Norddeutschland und Südengland weckt. Immer wieder trennen wallartige Strauch- und Baumhecken die Felder und Weiden, auf denen Kühe und Schafe weiden. Mitten hindurch führen schmale, kurvige Landstraßen hin nach Valognes – und kreuzen sich genau im Zentrum bei Kirche und Markt. Tempo 20 ermahnen dort die Schilder. Die Polizei wacht. Genau hier sollte man sein Fahrzeug abstellen, um die charmante Stadt voller Kunst und Geschichte näher zu erkunden, für die einst der exzentrische Schriftsteller Jules Barbey d’Aurevilly (1808–1889) so schwärmte. Der aristokratische Dandy hegte auch deshalb eine besondere Schwäche für Valognes, weil er sich dort zum ersten Mal verliebte.
Barock zum Staunen
Nicht wenige der einst mehr als 100 alten Stadtpalais und Straßenzüge legten im Juni 1944 alliierte Bomber bei der Operation Overlord in Schutt und Asche. Vieles wurde und wird bis heute originalgetreu wieder aufgebaut. Die schönste Perle unter den Barockpalais ist das Patrizierhaus Hôtel de Beaumont mit seiner reich geschmückten Rokoko-Fassade. Eine monumentale Treppe führt hinauf zu prachtvollen Salons, die exquisites Mobiliar im Louis-XV.-Stil schmückt. Akkurat und symmetrisch ist das Grün angelegt, das den Palais erst zu einem vollendeten Juwel macht: weitläufige Gärten à la française.
Zur Regierungszeit von Sonnenkönig Ludwig XIV. zog es neue religiöse Gemeinschaften, die sich im Gefolge der Gegenreformation gebildet hatten, nach Valognes. Bevor die alte Festung 1689 zerstört wurde, entstanden ein Kapuzinerkloster, ein Priesterseminar und ein neues Krankenhaus. Die ebenfalls damals gegründete, ehemalige königliche Benediktinerabtei Notre-Dame de Protection birgt hinter ihrer noblen Barockfassade seit 1803 ein Krankenhaus.
In der Rue de Poterie ist fast ein gesamter Straßenzug aus dem 18. Jahrhundert mit schmucken Stadthäusern und prächtigen Palais aus hellem Kalkstein erhalten geblieben. Auch die Rue des Réligieuses konnte ihr geschlossenes Straßenbild nahezu bewahren. Im klassisch strengen Hôtel du Mesnildot de la Grille gingen einst gekrönte Häupter ein und aus. 1813 frühstückte Kaiserin Marie-Louise hinter der Granitfassade, 1830 nächtige König Karl X. vor seiner Flucht nach England in Hausnummer 18. Als die Nazis Valognes besetzten, wurde das Haus zur Adresse des Schreckens: Hier befand sich das einzige Lager Frankreichs, in dem die deutsche Besatzungsmacht Zwangssterilisationen an Sinti- und Roma-Frauen durchgeführt haben soll.
Cidre und Calvados
In der Rue Pélouze beherbergt das Barockpalais Hôtel de Thieuville das Musée de l’Eau-de-Vie et des Vieux Métiers. Mit Maschinen und Werkzeugen, Pressen und Fässern, Kolben und Kesseln erklärt es die Herstellung des Calvados, des berühmten normannischen Apfelschnapses. Ebenfalls dort vorgestellt werden Berufe von einst – Steinmetze, Schreiner und Gerber. Um Calvados zu brennen, muss aus den Äpfeln alter Sorten zunächst einmal Cidre hergestellt werden. Wie das geschieht, verrät das Musée du Cidre in der spätmittelalterlichen Maison du Grand Quartier, einer ehemaligen Färberei aus dem 15. Jahrhundert am Fluss Merderet.
DAS HÔTEL DE BEAUMONT GEHÖRT ZU DEN SCHÖNSTEN STADTPALÄSTEN IM »VERSAILLES DER NORMANDIE«, DAS AUCH DIESEN ALTEN KRÄMERLADEN IN DIE GEGENWART GERETTET HAT.
VALOGNES – ROMS ALAUNA
Als die Römer Gallien eroberten, zerstörten sie die alte Stammessiedlung der gallischen Veneller, die mitunter auch Unelli genannt werden, und errichteten an der Straße, die von Cosedia (Coutances) via Coriallo (Cherbourg) nach Britannien führte, die Siedlung Alauna. Ihre Spuren werden bis heute im Stadtteil Alleaume freigelegt. Bereits ausgebuddelt wurden die imposanten Ruinen der 20 Meter langen Thermen mit ihren sechs Kalt- und vier Warmräumen. Die Wasserversorgung sicherte ein unterirdisches Aquädukt, das eine 500 Meter entfernte Quelle anzapfte. Sie wird bis heute für die Trinkwasserversorgung von Valognes genutzt. Zwölf Ziegelöfen beheizten einst die Therme. Ebenfalls freigelegt wurden die letzten Zeugnisse eines Theaters mit einst mehr als 3000 Sitzplätzen. Erst kürzlich entdeckte man die Fundamente des Forums und eines Tempels in nächster Nähe.
WEITERE INFORMATIONEN
Valognes, www.encotentin.fr/valognes
Alauna, https://agglomeration-alauna.fr