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Abschied von Dada

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Hannah Höchs Fotomontage »Meine Haussprüche« (1922) ist eine künstlerische Antwort auf die Trennung von Raoul Hausmann.258 Verschiedene Bildvorlagen montiert die Künstlerin zu einer mehrschichtigen, dichten Komposition. Das Foto eines Kindes, Stoffmuster, Stickanleitungen, Landschaftsszenen, der Zeitungsausschnitt einer großen Uhr, die an einer Hausfassade prangt, eine Kinderzeichnung, der Bildausschnitt eines Kugellagers oder die Abbildung einer romanischen Figur des gekreuzigten Christus, das sogenannte Imervard-Kreuz im Braunschweiger Dom, werden zu einem Bildteppich verwoben. Anders als in den dadaistischen Fotomontagen verwendet Hannah Höch für die Schriftzüge in der Collage »Meine Haussprüche« keine aus Zeitungen ausgeschnittenen Typen, sie schreibt die Sprüche mit der Hand in das Bild. Wie schon der Titel der Arbeit betont ihre Handschrift die persönliche Bedeutung der Fotomontage für die Künstlerin. Hinzu kommt, dass »Meine Haussprüche« eines der wenigen Beispiele im Werk Hannah Höchs ist, in dem sie ein Porträtfoto von sich verarbeitet. Bei den Sprüchen handelt es sich um Ausschnitte von Zitaten ihrer Dada-Freunde. Mehrfach werden Äußerungen von Huelsenbeck erwähnt, wie »Dada ist die Polizei der Polizei« oder fast in der Bildmitte über dem monumentalen Imervard-Kreuz »Der Tod ist eine durchaus dadaistische Angelegenheit«. Neben Huelsenbeck ist Schwitters mit einem Fragment aus seinem Gedicht »Anna Blume« präsent, wie auch Hans Arp, Salomon Friedlaender und Johannes Baader. Auf dem blauen Papier nahe dem Gekreuzigten darf auch Goethe zu Wort kommen. Am unteren Bildrand, gewissermaßen als Unterschrift unter der gesamten Komposition, zitiert Hannah Höch Raoul Hausmann aus seinem Text »Rückkehr zur Gegenständlichkeit in der Kunst« mit der Äußerung »Gefährlich ist nur eine menschliche Mischung«.259

Maud Lavin interpretierte die Fotomontage »Meine Haussprüche« als ein Abschiedsbild der Künstlerin, Abschied von ihrer ersten Liebe und auch von der Dada-Bewegung. Mit den »Haussprüchen« spiele die Künstlerin auf die Tradition der Gästebücher an, in denen sich die Geladenen verewigen, indem sie bei den Gastgebern ein meist poetisches Schriftzeugnis ihres Besuchs hinterlassen.260

Die Kreuzigung, von der Hannah Höch noch während ihrer Italienreise im Herbst 1920 an ihre Schwester schrieb, scheint sich im Bild in Gestalt des romanischen Christus vollzogen zu haben. An den Bildausschnitt des Christus setzt die Künstlerin die Abbildung einer schematischen Zeichnung, die eine Anleitung für einen gestickten Kreuzstich liefert. Aus der Stickanleitung weist ein Pfeil direkt auf den Mund des Gekreuzigten. Auf der gegenüberliegenden Seite hat Hannah Höch ihr Foto hinter das Handarbeitsmuster geklebt, so dass ihr eines Auge von der Graphik verdeckt ist. Die Stickanleitung empfiehlt, mit dem nächsten Stich direkt in das nicht mehr zu sehende Auge der Künstlerin zu stechen. Der Mund des gekreuzigten Christus und das Sehorgan der Künstlerin werden durch die anleitenden Pfeile im Stickmuster direkt miteinander in Beziehung gesetzt. Hannah Höch hat nicht einen leidenden Christus für ihre Haussprüche gewählt, sondern einen, der mit seinen weit ausgebreiteten Armen stark und mächtig wirkt.

Schrankenlose Freiheit für Hannah Höch

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