Читать книгу Schuld war nur die Mustertapete! Sagt Mutter! - Carmen Immel - Страница 13
Mein Bruder der Lebensretter und das Kochfleisch
ОглавлениеFrüher gab es oft vor der eigentlichen Hauptmahlzeit, eine Suppe. Die Mutter kochte ein Stück Rind, das wurde klein geschnippelt und dann wurde der Pott Suppe auf den Tisch gestellt. Ich liebte das gemeinsame Essen mit den Geschwistern am Tisch und wie schön war es, wenn irgendjemand alles klein schnitt und man nur noch den Löffel oder die Gabel bewegen musste. Aber wie das immer ist, man sitzt am Tisch und es fehlt etwas. Getränke ... sie hatten Durst. Sprudel stand im Keller, im Keller wohnte aber auch unser Buhmann, zum Keller führte eine steile Betontreppe, die war ohne Geländer. Wenn jemand also im Keller Sprudel holen sollte, dann kam der Ruf:
»Pass auf, es ist noch kein Geländer an der Treppe« Ich hatte immer großen Respekt vor den Gefahren im Haus und achtete immer besonders auf diese Treppe. Wir saßen also am Tisch und ich lauschte den Geschichten von allen und war begeistert und sog die Suppe samt einem großen Stück Fleisch in den Mund. Ein Stück Fleisch ging hinten runter und das andere was vorne noch auf der Zunge lag, war durch ein Fettstück mit dem im Hals verbunden. Auf die Schnelle mit den Zähnen den Fettbandel zu kappen, war noch nicht in meinem kindlichen Hirn verankert. Also fing ich an zu röcheln. Ich bekam keine Luft. Ich piepste und röchelte los und alles guckte mich wie blöd an. Ich war unfreiwillig Mittelpunkt des Tisches geworden. Ich spürte sofort die Gefahr und wusste nicht, ob ich schlucken oder husten sollte. Es ging jedenfalls nichts mehr. Das berühmte Leben, was vor einem ablaufen sollte, kam nicht und irgendwie schwanden mir die Sinne. Jemand öffnete meinen Mund, ich hörte noch:
»Da ist das Stück, nimm raus, zieeeeh!« Alles um mich herum brach in Panik aus. Wildes Gebrüll folgte und ich hatte das Gefühl, das 10 Hände gleichzeitig in meinem Hals wühlten. Ich piepste, rang um Luft, lief auch blau an.
»Nun zieh das Fleisch endlich aus dem Schlund«, brüllte Mutti. Dann merkte ich wie mein Bruder ganz selbstverständlich meinen Kiefer auseinandernahm und an dem Fleisch zog. Ich spürte, wie es im Hals hochdrückte und dann flutschte es auf den Teller. Ich lebte, ich sog Luft, Sauerstoff. Ich japste, mein Bruder nahm mich noch in den Arm und beruhigte mich.
Ich hatte mich aber erschreckt, sollte ich mich jetzt schon von allen verabschieden, so früh? Ab sofort sollte es kein Suppenfleisch mehr für mich geben. Zu gefährlich für Klein-Petra. Aber es kam noch schlimmer. Als wäre es nicht an Schrecken genug, entschloss ich mich, etwas gut zu machen und wollte todesmutig zum Buhmann in den Keller gehen und endlich den Sprudel holen. Jeder hat einen Buhmann im Keller, nebenbei mal angemerkt. Ich ging vom Tisch weg, noch leicht angeschlagen und mein Bruder weitsichtig hinter mir her. Klar kam der Ruf:
»Pass auf die Treppe auf, die hat kein Geländer« Ich machte die Tür auf, ging die erste Stufe todesmutig nach unten und dann ... verpasste ich die Stufe und kippte seitwärts Richtung Abgrund. Den formvollendeten Kopfsprung im Anschlag und halb in der Luft hängend, spürte ich die starke Hand im Nacken und am Pulli und baumelte über dem Abgrund. Meine Gabel zum Töten des Buhmanns fiel klirrend auf den Betonboden. Mein Bruder zog mich zurück und ich verlieh ihm den noch nicht vorhandenen Friedensnobelpreis. Das Gesicht meiner Mutter war unbezahlbar und man überlegte, ob man mich besser an einer Leine führt oder mit Bodyguards versieht. Nach einigen Tagen kam der Onkel (Schreiner), der immer half, und machte ein Holzgeländer an die Treppe. Beim ersten Probelauf riss ich mir natürlich die ersten Holzsplitter in die Hand und sorgte dafür, das Holz ab sofort gehobelt wurde. Ich glaube ab sofort wurde bei uns alles von Onkel Schreiner gehobelt, was Zacken hatte ... haah ... war aber manchmal echt übertrieben, diese Angst man könnte sich den Hals aufschneiden. Zum Glück wurde ich älter und sicherer und konnte irgendwann bis zum Gartenzaun alleine ausschwärmen und sogar darüber klettern ... Faszination neue Welten. Peti schwärmt aus.