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HERZ ODER VERSTAND

Abends in der Vorlesung war ich mit den Gedanken komplett woanders. Shit. Das konnte ich mir nun wirklich nicht leisten, denn ich hinkte mit dem Lehrstoff hinterher. Der Stoff war heute zwar interessant, aber das Herzblut fehlte bei mir. Ich war zu gern bereit, abgelenkt zu werden, zwang mich, Zeit für meine Lerngruppe einzuplanen, mich hinzusetzen, Notizen zu machen, den Stoff zu lernen, die Zusammenhänge zu verstehen. Und wenn ich es dann geschafft hatte, diese Reihenfolge einzuhalten, empfand ich keine Genugtuung oder Bereicherung. Von Freude ganz zu schweigen.

Da war es wieder, dieses ohnmächtige Gefühl, das ich noch von früher kannte: eine Form der Frustration. Weil ich nicht wusste, was ich wirklich konnte, was mich überzeugte, worin ich gut sein könnte. Woher weiß der Verstand, was das Herz möchte. Ich glaubte, meine Verbindung war abgeschnitten!

Könnte schreien.

Hm … eigentlich wusste ich, was ich lieber täte. Ich hatte aber schon viel Zeit und Geld in dieses Studium investiert. Außerdem wusste ich nicht, wie ich den Umschwung schaffen sollte, empfand es als eigene Schmach, fühlte mich als Versager, weil ich mich vergaloppiert hatte. Jetzt war es mir peinlich, zurückzurudern und neu zu starten. Wie viele studierten wohl einen Fachbereich, der ihnen nicht wirklich lag? Etwas, das ihre Familie vielleicht wollte, aber sie nicht? Außerdem saß mir James Campbell im Nacken. Der würde mir den Stempel nicht ewig geben.

Ich rief Molly auf den Plan. „Was sagst du dazu?“

Molly saß auf der Couch und hatte die Arme voller Steiff-Tiere. Ich sah Hunde, Katzen, Meerschweinchen und Co. Sie blickte hoch, schaute mich an, zuckte unwissend mit ihren Schultern.

Super, also auch keine Ahnung!

Könnte heulen.

Eintragung im Tagebuch. Was ich gut finde an meinem Unterbewusstsein, meinem inneren Kind Molly, ist die Tatsache, dass ich spüre, dass sie da ist. Was sich manchmal als schwierig gestaltet, ist, eine Kommunikation mit Austausch aufzubauen. Molly ist ein verstörtes, ängstliches und unsicheres kleines Ding, das nach außen eine Überlegenheit, ein fast sicheres Auftreten demonstriert bei völliger Unsicherheit und Ahnungslosigkeit. Dieses Täuschungsmanöver überzeugt mich nicht. Mary meinte ja, dass dies ein Lernprozess ist, ich einfach geduldiger sein müsste. Der erste Schritt wäre, bei jeder Entscheidung, bei jedem Gefühl innerlich auch Molly zu befragen. Das nimmt erst mal der Sache den Ernst. Plus zu lernen, mir und jemandem zu vertrauen. Das räumt unseren Gefühlen ein Mitspracherecht ein. Ich komme mir dabei komisch vor. Okay, wenn’s hilft!

Ich gebe mein Bestes.

Könnte schreien

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