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JEFF UND MML

Nach unserem letzten Treffen hatte ich Jeff noch zweimal gesehen. Ich liebte seine gewinnende Art. Er war so komplett anders und doch vertraut. Ich konnte noch nicht sagen, was es war. Leider musste er unerwartet geschäftlich für längere Zeit ins Ausland. Durch die Zeitverschiebung war unser Kontakt minimal. Trotzdem: Wenn wir uns erreichten, war das Gespräch geprägt von Verlangen und Zärtlichkeit.

Konnte man eigentlich davon genug bekommen? Aufmerksamkeit, nette Worte, Streicheleinheiten, Fürsorge, um nur ein paar zu nennen? Ich stopfte die entstandene Lücke mit MML, notierte und verglich jedes unserer Treffen. Ich war sehr detailliert, dokumentierte, was wir gemacht hatten, wie ich es empfunden hatte. Mollys Gesicht war undefinierbar. Sie zeigte keinen in die Höhe gestreckten Daumen. Kein Hoch! Ihr Gesicht war ernst. Ich sah sie nicken. War das jetzt gut oder schlecht?

MML nannte mich nach dem ersten Treffen Mrs. Jones. Wenn ich in seinen Wagen stieg, spielte er das Lied, sang die Wörter vom Refrain: Me and Mrs. Jones, we got a thing going on. We know that it’s wrong, but it’s much too strong to let it go now!

Molly trug ein Protest-Schild hoch über ihren Kopf mit der Aufschrift: Achtung, Achtung … versteckter Hinweis. Hä? Was wollte sie? Ich übersetzte das Lied im Stillen mit folgenden Wörtern: Ich und Frau Jones haben da so eine Sache am Laufen. Wir treffen uns immer am selben Tag, an selber Stelle, zur selben Zeit. Wir wissen, dass es falsch ist, aber es ist so anziehend, so stark, dass wir nicht voneinander lassen können!

Ich warmehr als begeistert. Den Gedanken mit der versteckten Botschaft verwarf ich. Molly war neurotisch.

Ich fand seine Anrede, Mrs. Jones, köstlich.

Als Auftakt unseres Zusammenseins hatten wir jedes Mal etwas Sportliches gemacht. MML war ein Allroundkünstler, zeigte mir Basketball und Volleyball bei der YMCA, bei der er Mitglied war, machte mit mir Yoga im Yogazentrum seines Freundes. Er zeigte mir korrektes Hantel- und Gewichtstraining in seiner Muckibude, die über seinem Büro lag. Er spielte ein superelegantes Tennis.

Meist gingen wir danach lecker Chinesisch, Thai oder Italienisch essen, landeten zum Dessert im Hotel oder bei ihm zu Hause. Eine intensive Zeit, die, weil wir uns nur einmal die Woche sehen konnten, bis auf die Sekunde verplant war. Wir beschäftigten uns nur mit uns selbst, stellten keine Fragen zu Eltern, Familie, Hobbys oder Freunden. Mit einer Selbstsicherheit, die an Unverschämtheit grenzte, gingen wir davon aus, dass der andere frei und ungebunden war. Oder dachte nur ich das? Weil ich verblendet war? Nö! Oder wollte ich glauben, dass er nur Augen, Ohren und Sex mit mir hatte. War mein Wunschdenken stärker als die Realität? Nö!

Es gab nichts Störendes. Das war es vielleicht, was unserem Beisammensein etwas so Aufregendes, Prickelndes gab. Oder so ähnlich. Keine Ahnung, wie ich das deuten sollte. Auf jeden Fall war der Sex mit ihm ekstatisch, wild und hemmungslos. Ich liebte seine selbstsichere, leicht arrogante Art, wie er völlig selbstverständlich mit meinen Körperzonen und Regungen umging. Eins war klar: Mit Frauen kannte er sich aus. Machte ihn das zum Indianer oder Cowboy?

Er schien aber auch zufrieden zu sein. Seit ich Passagen aus dem Buch von der Chefin kopierte und aktiv in die Tat umsetzte, war ich freier geworden. Meine Unwissenheit, meine Verkrampfung und Scheu ließen nach. Außerdem kopierte ich mein Idol Mary, die mit ihrem Wissensfundus eine immerwährende Quelle der Freude und Überraschung für mich war.

Als MML eines Abends meinen Ritzenfeger auszog und mein Cherokee-Indianer ihm buchstäblich ins Gesicht sprang, hielt er sich amüsiert, fast erschrocken die Hand vor den Mund. Jawohl. Mein blutrot gefärbter Irokesen-Bürstenschnitt am Bär brachte ihn auf die Knie. Es war mir nicht mehr wichtig, ob ich beim Sex den Bauch einzog, weil ich über meine Figur nicht mehr meckern musste. Sport tat mir sichtlich gut, weil er auch meine beidseitigen Hüft-Polster attackierte. Die Ratschläge aus dem Buch funktionierten. Obwohl ich nur das erste Drittel gelesen hatte, küsste mir MML im wahrsten Sinne des Wortes bereits die Füße.

Ein neues, erhabenes Gefühl!

Trotzdem, meine Latte hing hoch, mein Ehrgeiz noch höher. Ich glaubte an eine Art Eroberung von Neuland. So stellte ich mir Charles Darwin vor, als er sich auf fremdes Terrain begeben, nie zuvor gesichtete Tierarten, Bäume und Pflanzen gefunden, diese gefangen und gesammelt hatte, um sie dann zu malen und zu katalogisieren. Interessante Idee: fangen, sammeln, katalogisieren. Das wär’s doch!

Molly zeigte mir bei dieser Vorstellung einen Vogel! Gosh, war sie nüchtern.

MML war redselig, verfügte über ein breitgefächertes Wissen, war sozial kritisch, politisch Mitte bis halb links, überzeugter Atheist, obwohl seine Familie in Reformer und Orthodoxe aufgeteilt war. Er kannte die nordamerikanische Geschichte, fand Christopher Columbus gut, weil er Segler und Entrepreneur war. Ich auch. Ich glaubte deshalb, dass es Parallelen zwischen Columbus und mir gab. Der war mit seiner Jolle losgefahren und hatte Indien gesucht, stattdessen Amerika gefunden. Ich ging los und suchte Liebe, glaubte, sie im Sex zu finden!

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