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KARL-HEINZ

Mary setzte mich zu Hause am Parkplatz ab. Wir verabredeten uns für Dienstag. Ich schloss meine Haustür auf, stockte! Horchte! Was war das für ein Geräusch? Schreien? Oder war es Quietschen? In höchster Tonlage herzerweichende, klagende Geräusche. Gänsehaut überzog meinen Körper. Ich drehte mich um, schaute hoch zum Baum über mir, blickte vom Fallrohr der Regenrinne zu den Mülleimern, teilte die Hortensien neben der Eingangstreppe, hielt inne, versuchte, das Geräusch zu lokalisieren. Es kam aus dem Rhododendronstrauch am Zaun. Ich teilte die Äste, bog Blüten auseinander und sah ein herzerwärmendes plüschiges Katzenbaby. O mein Gott! Was für ein niedliches Flauschbällchen, leicht wie eine Wolke. Ich hob diesen haarigen Wattebausch durch das Blattwerk in die Höhe, bewunderte dieses Geschenk der Natur von allen Seiten. Das kleine Herz schlug bis zu den Ohrspitzen. Ich nahm es schützend in beide Hände, küsste es liebevoll, während es meine Knutschattacke schnurrend kommentierte, setzte mich auf die Treppe, wartete, ob die Katzenmutter vielleicht kam, um ihr süßes Schmuckstück abzuholen, weil sie einen neuen sicheren Platz für ihr Katzenkind gefunden hatte. Nach einer gefühlten Stunde war ich enttäuscht über diese herzlose Mutter, die ihr haariges Kind im Stich gelassen hatte, küsste Flauschbällchen wieder, während ich es ins Haus trug. Ich überlegte, ob ich sie Violetta, wie die Liebende in Verdis La Traviata, nennen sollte. Auf der Couch bettete ich Flauschball in das weichste Sofakissen, das ich finden konnte, erzählte ihr, dass ich von nun an ihre Mutter war. Ich würde für sie sorgen, so gut ich konnte, damit sie eine gesunde, starke Katze wird. Mein Vortrag war vielleicht nicht originell, denn nach nur fünf Wörtern war sie eingeschlafen.

Egal. Juhu … war jetzt Katzenmutter!

Weil ich noch nie ein Katzenbaby hatte, wusste ich auch nicht, wie ich mich verhalten sollte. Da ich Angst hatte, ich könnte sie verlieren, band ich mir ein großes Tuch um meine Schultern. Wie Mütter in Südamerika trug ich mein Katzenbaby vor meinem Bauch.

Ich hatte einen Namen für das Baby gefunden: Karl-Heinz – der Name siegte über Violetta, weil mein Qi-Gong-Nachbar, der zwei Edelkatzen hatte, mich über den kleinen, aber feinen Unterschied aufklärte. Außerdem wollte ich etwas Urdeutsches. Mit Karl-Heinz traf ich diesen deutschen Nerv. Zwischenzeitlich war Karl-Heinz beim Friseur, im Früchteladen, im Reisebüro, in der Uni, bei Sabia und Mary gewesen. Natürlich schlief er bei mir im Bett. Ich hätte nie gedacht, dass so ein flauschiges kleines Wesen so viel Freude und Sonne in mein Leben bringen könnte.

Meine Albträume reduzierten sich merklich, vielleicht weil KH, obwohl klein und schmächtig, dicht an meinem Bauch gekuschelt dalag, mir ein Gefühl von Verantwortung und Sicherheit gab. Der immer wiederkehrende nächtliche Traum: in dem Harry verzweifelt, weil seine Worte mich nicht bekehren, aus der Küchenschublade das Brotmesser nahm, mir erst Stichwunden am Hals und an den Händen zufügte, um es dann zielsicher ins Herz zu stoßen. Und wenn ich nicht Harry vor meinem geistigen Auge sah, war es Martin, der Ella drangsalierte. Ich flatterte zwischen den Szenen hin und her.

Täglich machte ich nachts Kampfansagen an meine Erinnerungen, die mich wie ein Stalker ständig bedrängten. Ich betete mir vor, dass es Schlimmeres und Besseres gab, wiederholte, dass Gut und Böse in jedem Flechtwerk einer Persönlichkeit vorhanden waren. Wahrscheinlich brauchten Menschen das Böse, um Gutes zu erkennen!

Könnte schreien!

Könnte schreien

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