Читать книгу Könnte schreien - Carola Clever - Страница 9
ОглавлениеSOLL ICH ODER SOLL ICH NICHT?
Jeff stand am Auto. In der Minute, in der er mich sah, nahm sein Körper eine straffe Haltung an. Ein wunderschönes Lächeln schwebte über sein Gesicht. Galant hielt er mir die Tür auf. Im Auto unterhielten wir uns über diverse Themen. Ich musste lachen. Er war witzig, fast schon übermütig. Er konnte seine Freude kaum noch unterdrücken. Nach fast dreißig Minuten fetziger Fahrt auf dem Don Valley Parkway setzte er den Blinker, fuhr rechts in eine Parkbucht ein. Mein Blick schweifte über den Ontariosee. Er war riesig. Meine Augen schauten auf endlose Wellen mit sich kräuselnden Schaumkronen, die bis zum Horizont reichten, um dort am Ende der Welt wie ein tosender Wasserfall auf die andere Seite der Erde zu fallen. Ich schaute erschrocken nach oben. Du lieber Himmel, wegen dieser Aussage würde mich Kopernikus kreuzigen!
Jeff machte einen auf Vorturner. Wir dehnten uns wie ein Gummiband in alle Richtungen. Ein wenig viel für meinen Geschmack, weil meine Sehnen und Bänder ein mächtiges Krachen im Gebälk verursachten. Es ging los. Aha, Jeff liebte die Strecke am Wasser entlang. Wir liefen schweigend in schnellem Tempo. Ich war froh, dass wir nicht sprachen, weil ich mich so ganz auf meinen Körper, auf meine Atmung konzentrieren konnte, weil ich laut meinem nachbarschaftlichen Bewegungs-Guru falsch atmete. Gab es so etwas überhaupt?
Nach geschätzten acht Kilometern waren wir wieder am Parkplatz. Mir war schon vor einer Weile die Puste ausgegangen. Ich unterdrückte ein Hecheln. Wer will schon schwächeln, wenn man sich gerade intensiv kennenlernt! Ich hielt mich benebelt am Auto fest. Jeff wirkte wie frisch geduscht. Gab’s das? Ich dachte bisher, dass sich unsere knapp sieben Jahre deutlicher bemerkbar machen würden. Typischer Fall von jugendlicher Überheblichkeit!
Jeff hielt mir eine Flasche stilles Wasser entgegen und meinte lakonisch: „Weisheit ist die Anerkennung der eigenen Grenzen! Auch beim Sport!“ Ich nahm sie dankbar entgegen, wusste nicht so recht, was ich mit seiner Aussage anfangen sollte. „Sollen wir zu mir fahren, essen gehen oder möchtest du nach Hause?“
Ich überlegte einige Sekunden. „Würde gern zu dir fahren. Ich möchte sehen, wie du wohnst!“
„Ich liebe deine ehrliche Neugier. Im Leben sollte man immer neugierig bleiben, das hält jung und aufgeschlossen. Und man kann vom Zustand der Wohnung Rückschlüsse auf die darin lebende Person ziehen.“
„Stimmt“, antwortete ich und fühlte mich ertappt.
„Ich interessiere mich seit Jahren für Feng Shui.“
„Ich kenne die dahinterliegende Philosophie“, nickte ich zustimmend.
„Aber woher weißt du das?“
„Ich gehe regelmäßig dienstags zu Sabia Consuela, die Weise Wissende. Wie schon in der Oper Turandot: Wage zu wissen oder Nessun Dorma.“
„Du magst Opern?“, staunte Jeff.
„Meine Großeltern mütterlicherseits versuchten mir, ihre Freude an altem Wissen und Können zu vermitteln.“
An der Kreuzung bog er rechts ab. Wir fuhren durch den Crimson Millway, fuhren in eine Seitenstraße, hielten an. Jeff drückte auf einen Sender, der unter der Sonnenblende angebracht war. Das schmiedeeiserne Tor schob sich in eine Öffnung der Mauer. Die Einfahrt im Rundbogen vor dem Eingang war schwarz geteert. In der Mitte thronte ein plätschernder dreistöckiger Brunnen. Dieses Oktagon war aus hellem Muschelkalk, einem ursprünglichen Gestein, wie Mary mir mal erklärt hatte. Üppiger Farn rahmte ihn ein. Das Haus hatte über dem Eingang einen großen Überbau, der getragen wurde von jeweils drei weißen Steinsäulen, deren Enden zu Schnecken gerollt waren. Am Anfang der Treppen lagen rechts und links Löwenskulpturen. Sie sahen aus wie Ableger der berühmten Löwen von Delos. Oma Clara hatte mir mal vor Jahren erklärt, dass die Steinkünstler aus der griechischen Antike schon damals gewusst hatten, wie man Macht darstellte.
An der Eingangstür hielt Jeff den linken Daumen vor ein winziges Gerät. Eine Sicherungsanlage, deren grelles Licht Jeffs Einzigartigkeit scannte. Die Tür ging mit einem Surren auf. Jeff beugte sich vornüber, bedeutete mir mit einladender Geste, dass ich eintreten sollte. Der Eingangsbereich war rechteckig. Auf einer antiken Kommode stand ein flaches Aquarium mit bunten Fischen: hauptsächlich Goldfische, zwischen denen ein schwarzer Schleierschwanz schwamm. Flächendeckende Spiegelwände zierten die Wände. An der Bildleiste hing der malerische Traum aller Träume. „Auguste Renoir!“, hauchte ich mit weitaufgerissenen Augen, während er mich ins Wohnzimmer führte. Schwarz-weiß dominierte, wobei Weiß die Oberhand behielt. Semiokulas, die Feng-Shui-Pflanze schlechthin, deren fleischige Blätter an langen Stielen wucherten. Kräftig und gesund ragten sie aus schwarzen chinesischen Lacktöpfen. Ich setzte mich beeindruckt auf seine Couch, ließ meinen Blick schweifen, nahm die interessanten Details auf: chinesische Kunstobjekte in beleuchteten Vitrinen, chinesische Kalligrafien an den Wänden. Fernöstliche Jadefiguren teilten sich den exponierten Platz mit kanadischer Eskimo-Kunst. Die Mischung war außergewöhnlich.
Eine verspielte französische Kaminuhr aus Porzellan mit üppigen Goldverzierungen thronte über dem Kamin. Rechts und links auf dem Kaminsims standen weiße Marmor-Obelisken, die große Ähnlichkeit mit denen in Kairo, die neben der Sphinx standen, hatten. Die moderne Einrichtung, gepaart mit edlen, fast höfischen Antiquitäten, verliehen dem Wohn- und Esszimmer eine wohnliche Ausstellungsatmosphäre. Neben dem Kamin auf der Marmorsäule fiel mir die lebensgroße Skulptur eines Torsos auf. Sie sah aus, als ob sie aus Kupfer oder Bronze wäre. Vielleicht ein Modigliani? Nee, glaubte ich nicht. Der könnte nicht einfach so hier rumstehen, oder?
Opa hatte mir mal in einem Kunstbuch gezeigt, dass man bei dieser Skulptur den Brustkorb wie Doppeltüren öffnen konnte. Man sah in den menschlichen Körper und dessen Anordnung innerer Organe, alles aus polierten Metallen, unglaublich detailliert. Ob die Skulptur und das Bild wohl echt waren? Es machte mich unruhig und nervös. Alles war so sauber, so aufgeräumt und roch betörend nach Vanille und Rose, dass ich glaubte, in einem Schloss, einer Galerie oder im Möbelgeschäft zu sein. Ich konnte riechen, Jeff achtete aufs kleinste Detail. Selbst die frischen Blumen, Callas mit weißen Lilien und Lederfarn, standen in Vasen in Küche, Wohn- und Esszimmer. Nichts zu wenig. Nichts zu viel. Hier gab es Klarheit, Ordnung und Schönheit.
Hey? War das nicht auch mein Mantra? Haha, mein Zimmer ähnelte im Vergleich einer zugemüllten Hundehütte. Ich entschied: Jeff durfte niemals nach oben in meine Abstellkammer kommen. Da waren sie wieder, meine Minderwertigkeitskomplexe. Ich ging in seine Küche, die ein riesiges Fenster hatte. Beim Spülen konnte er in einen gepflegten Garten schauen. Nicht schlecht!
„Darf ich fragen, warum deine Küche keine Griffe hat?“
„Lustig, dass dir das auffällt. Den meisten Menschen entgeht dieses Detail. Nun, an den Griffen erkennst du, wie alt eine Küche ist. Hersteller verändern die Griffleisten.“
„Aha, und das wolltest du bei deiner verhindern?“
„Nein! Aber ich liebe Technik, Funktionalität und Originalität.“
Was sollte ich dazu noch sagen! Aus dem Kühlschrank holte Jeff eine Flasche Moët, öffnete sie mit einem lauten Knall, schenkte ihn in die bereitgestellten Flöten ein. Ich beobachtete, wie er eine Drahtspirale aus rosa Glasperlen um den Fuß meines Glases wickelte. An seinem Glas waren die Perlen hellblau. Wir hoben das Glas, prosteten uns zwinkernd zu.
„La Chaim, auf das Leben“, sagte Jeff. Er kam nah an mein Gesicht, beugte sich vor und hauchte einen zarten Kuss auf meine Wange. Seine Augen strahlten so hell, dass sie eine Sonnenfinsternis erzeugen konnten.
„La Chaim“, erwiderte ich. „Warum hast du die Perlenspirale um mein Glas gelegt? Ist das auch ein Symbol?“
„Nein. Damit kann man aber Gläser voneinander unterscheiden.“
Wie vornehm! Ich kam mir ziemlich gewöhnlich vor. Jeff hielt mich am Ellbogen. Er führte mich ins Wohnzimmer auf die Couch zurück.
„Möchtest du den Rest des Hauses sehen oder lieber hier sitzen bleiben?“
Ich platzte vor Neugierde, denn mein Eindruck, meine Einschätzung von ihm hatten komplett danebengelegen. Ich zügelte diesmal meine Neugierde.
„Vielen Dank, aber ich würde gern hier sitzen bleiben.“
Er auch, das sah ich seinen Augen an. Jeff prostete mir zu.
„Was ist los, schmeckt der Schampus vielleicht nicht? Du verziehst dein Gesicht.“
„Doch, es ist nur, dass ich Champagner ohne süßen Likör nicht so wahnsinnig gern trinke!“
„Entschuldigung, dass ich das einfach so angenommen habe. Die meisten Frauen lieben Champagner pur.“
„Möglich, aber ich nicht.“ Bin ich wie andere?, dachte ich bissig. Oder schlich schon Mrs. Eifersucht von hinten auf der Bühne?
„Was möchtest du denn?“
„Hast du einen Himbeerlikör und einen Apfel?“
„Einen Apfel?“, fragte er erstaunt. Jeff stand auf, ging in die Küche. Kurz darauf kam er wieder: „Habe zwei zu Auswahl, den grünen Delicious oder den Braeburn!“
„Nehme den Braeburn. Danke! Wo kaufst du dein Obst?“, fragte ich interessiert.
„Na, beim Chinesen auf Young, Ecke Bayview. Lim… soundso! Der hat seit einiger Zeit so einen tollen Powersaft. Meine Schwester ist ganz verrückt danach. Sie schleppt ganze Tabletts davon an.“
Meine Augen leuchteten fröhlich wissend. Ja, da schau her! Ich hob mein Glas, leerte es in einem Zug.
Jeff zog die Augenbrauen fragend hoch. „Stimmt etwas nicht?
„Ich glaube, ich bekomme eine Erkältung. Mein Hals kratzt, mein Magen grummelt.“
„Oh, das tut mir leid. Kann ich etwas dagegen tun?“
„Einen Aquavit?“, lachte ich. Wurde ich jetzt dreist oder mutig?
„Kommt sofort.“ Jeff sprang auf und füllte großzügig ein Glas.
„Ich töte mit Hochprozentigem Bakterien ab, aber baue mich mit dem Apfel wieder auf.“
Er strahlte mich an. „Ja wenn’s denn hilft!“
„Wohnt deine Familie auch in Willowdale?“, fragte ich wieder neugierig.
„Bin quasi von ihr umzingelt. Wie die Iglus der Eskimos bilden wir auf dieser Straße einen Kraal. In den zwei Häusern rechts wohnen meine Brüder mit Familie. Die links bewohnen meine Eltern und meine Schwestern. Tanten und Onkel bilden den krönenden Abschluss.“
„Wohnst du hier allein im Haus?“
„Ja! Bin seit drei Jahren geschieden. Meine Frau ist damals mit den Kindern ausgezogen. Sie zog drei Straßen weiter. Danach hatte ich keine Lust, mir etwas Kleineres zu suchen. Auch war ich eine lange Zeit emotional nicht in der Lage, eine Veränderung einzuleiten. Außerdem ist es bequem, denn die Kinder können zu Fuß zu mir kommen. Meine Familie organisiert meinen Haushalt, kümmert sich um Wäsche, Kochen und Putzen und was es sonst noch zu regeln gibt. Unsere portugiesischen Perlen Hanna, Marena und Helena sind sozusagen von uns adoptiert. Sie werden auf sechs Familien aufgeteilt und wohnen im Anbau meiner Eltern.“
Was sollte ich dazu sagen? So wie ich das sah, passte meine Hundehütte gleich zweimal in seinen Flur. Ich beschloss wieder: Jeff darf niemals mein Zimmer betreten. Ich würde mich zu Tode schämen. Warum eigentlich? Es konnte ja nicht jeder mit goldenem Löffel im Rachen geboren werden!
„Sollen wir das Thema wechseln?“, fragte Jeff. „Du siehst so nachdenklich aus.“
Stille. Ich traute mich nicht zu antworten.
„Bedrückt dich mein Haus?“
Ich antwortete nicht, aber senkte meinen Blick. Jeff rückte näher, legte seinen Arm um mich, schaute mich durchdringend an.
„Lass dich bloß nicht von diesen Äußerlichkeiten beeindrucken. Materiellen Reichtum kann man sich hart erarbeiten. Er kann vererbt oder geschenkt werden, aber auf keinen Fall ist er ein Garant für Glück und Zufriedenheit. Viele Menschen sind glücklicher auf weniger Raum mit weniger Geld. Lass dich also nicht täuschen!“ Jeff hauchte einen flüchtigen Kuss auf mein Ohrläppchen.
Ich strahlte ihn an. Es waren diese und andere Aussagen, die ihn für mich so unglaublich sympathisch machten. Oder brauchte ich sein verbales Trostpflästerchen, um mich besser zu fühlen? Jeff musste eine Kugel haben oder wo sah er, was ich dachte oder fühlte?
„Schön, dass du das sagst.“ Im Hintergrund sah ich Molly. Die kickte den Karton mit der Aufschrift „Minderwertigkeitsgefühle“ in den Keller, hob drohend ihre Faust in meine Richtung. Waaas? Hast du dich noch nie mickrig gefühlt?, schrie ihr mein Unterbewusstsein zu.
Jeff legte den zweiten Arm um mich. Wir küssten uns innig. Seine Arme wickelten meine Gefühle ein, liebkosten sie. Nach diesem intensiven Kuss schaute mir Jeff noch tiefer in die Augen. Schwindel stieg auf.
„Soll ich dir was sagen?“, flüsterte Jeff über meinen Scheitel.
Mollys Pupillen weiteten sich fragend. Sie hielt beide Daumen hoch. Wieso wusste sie, was kam?
„Ich bin total verliebt in dich!“
Ich schluckte mehrfach, denn mein Gaumenzäpfchen ging rauf und runter wie eine Quecksilbersäule. „Schon als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, merkte ich eine körperliche Reaktion. Als du dann beim zweiten Mal die Treppe herunterkamst, breitete sich ein wärmendes Gefühl in mir aus. Deine Aura muss meine berührt haben, denn wie auf einer Pferderennbahn galoppierte mein Herz ununterbrochen. Du machst süchtig!“
„Wow!“ Ich senkte meine Augenlider. Das hatte man mir noch nie gesagt. Ich fühlte, wie sich mein Blut aufgeschäumt in die Venen-Wildwasserbahn zwängte, kratzte mich am Hinterkopf, drehte meine Haare in eine Nackenrolle.
Hiiilfe! Wie gern hätte ich jetzt eine geraucht, etwas Hochprozentiges getrunken! Egal, irgendeinen Krückstock, nur um meine Unsicherheit und Nervosität zu bekämpfen. Ich atmete tief durch. Was für eine Liebeserklärung! Mit beiden Daumen rieb ich am Zeigefinger entlang. Das beruhigte.
„Liebes, ich würde so gern mit dir schlafen, dir meine wahren Gefühle zeigen!“
Ach, du liebe Zeit, mit Ansage! Seine direkte Art machte mich vollkommen unsicher, schob verlegen eine lange Strähne aus meinem Gesicht. Jeff erhob sich, zog mich mit einer Hand von der Couch hoch und ging in Richtung Treppe.
Das Schlafzimmer hatte weiße hohe Doppeltüren, die sich zu einem hellen Salon öffneten. Ich schaute auf einen antiken Schminktisch mit Spiegel. Französische filigrane Sitzmöbel, kleine Beistelltische standen auf einem zartgrünen Gobelin mit Jagdmotiv. Genau: Jäger und Sammler.
Ein holländischer Altmeister grüßte von den Wänden. Könnte ein Bruegel sein, seine Blumenstillleben haben einen besonderen Wiedererkennungswert. Hallo Oma Clara, merkst du was? Ich habe gut aufgepasst, als du mir die Feinheiten der Kunst erklärt hast.
Im Schlafzimmer wölbten sich weiße Rohseidenschals von der Decke. Das moderne Bett stand erhöht vor der hinteren Wand. Es sah edel und trotzdem einladend aus. Das superhohe Kopfteil, das treppenförmig nach oben verlief, in dessen Spitze eine Krone aus Kristallen funkelte, ließ mich träumen von Prinz und Prinzessin. Wie in Trance begann Jeff, mich zu entkleiden. Feinfühlig tasteten seine Finger meinen Körper entlang. Lässig warf er meine Kleidung rückwärts über den Louis-XVI.-Sessel neben einem kleinen hochbeinigen Tischchen. Verschämt wölbte ich meine Hand als Schild über beide Brüste. Meine andere legte ich über meine Scham.
Es war immer dasselbe. Unter den beobachtenden Augen jeden Gegenübers fühlte ich mich verletzlich und nackt. Ich meine wirklich nackt … schutzlos. Hatte ich Angst vor dieser Nähe? War es der für mich unkalkulierbare Jäger, der die Sammlerin überraschte … verschreckte?
Szenen elterlicher Überraschungen in diversen Hotelzimmern drängten auch heute wieder in mein Bewusstsein. Martin war in meinen Augen eine verunglückte Spezies namens Sammeljäger. Ella jagte seinem Sammelgut hinterher. Was war ich? Wie sollte ich meine Position finden?
Jeff drehte sich um. „O Valentina! Du siehst aus wie die Venus von Milo. So anmutig. So schön! Auch wenn deine Haltung Abwehr und Unsicherheit ausdrückt.“
Ich staunte, dass er das sehen konnte, erinnerte mich. Sabia hatte erklärt, Körpersprache mache über siebzig Prozent unserer Kommunikation aus. Na super … dann hatte ich die gerade versemmelt.
Genau das wollte ich nicht vermitteln.
Jeff nahm mich schützend in seine Arme, küsste mich fordernd. Dabei drückte er mich in Richtung Bett. Wir knutschten im Liegen. Mein grün berockter Jäger war zärtlich. Plötzlich stützte er sich auf seinen Ellbogen, fragte besorgt: „Ich hoffe, du willst es auch?“
Ich antwortete nicht gleich, war unsicher. Mit Jeff war es anders. Ich fühlte mich ein wenig überrumpelt. Vielleicht war es sein bettelnder Blick oder seine offene Bewunderung, die mich umstimmte und meine Wünsche hintanstellen ließ. Keine Ahnung. Ich nickte, während ich seine Augenlider küsste. Kaum hatte er meine Zustimmung, zeigte seine Erektion zur Stuckdecke. Es zeigte sich Jeff, der Mega-Kuschler, der mich mitnahm und eintauchte in ein Gefühl voller Zärtlichkeit. So entrückt lagen wir auf dieser weichen Scholle im Universum, eine scheinbare Ewigkeit. Er beugte sich über mich, während seine ausgestreckte Hand in der Schublade den „Billy Boy“ mit seitlich kleinen Noppen hervorzauberte. Ups, so einen hatte ich noch nie gesehen. Es waren nur Bruchteile von Sekunden, in denen sich Sabia wieder in mein Gedächtnis schlich. Ich hätte fast wieder denselben Fehler begangen, hätte wieder nicht an Schutz gedacht. Gott schütze Jeff und seinen gelben Billy Boy. Was war nur los mit mir? Fast als wenn ich willenlos wäre! Litt ich unter Gefallsucht?
Jeff sah meinen fragenden Gesichtsausdruck. Hob Billy hoch: „Gelb für Harmonie, Kreativität, mit eingebautem Zitronengeschmack. Die Nöppchen dienen der zusätzlichen Stimulation, haha und sind rein optisch eine vorgetäuschte Vergrößerung. Haha, es lebe die Täuschung und der Größenwahn!“
„Haha“, lachte ich amüsiert, liebte seine entspannte Ehrlichkeit.
Jeff entpuppte sich als einfühlsamer Liebhaber, der wusste, was Frauen wünschten. Er war groß, schlank mit muskulös gewölbtem Waschbrettbauch. Zwischen seinen Rippen hätte man die Gitarren-Hymne von Carlos Santana spielen können. Sein Bauch kam definitiv nicht vom Bierkästenschleppen.
Nein, es war keine akrobatische Kronleuchter-Nummer. Erstaunt stellte ich fest, dass wir überhaupt nicht fremdelten. Ein unsichtbares Band hatte uns verbunden. Entspannt schlief ich nach dem Sex sofort ein.
Mitten in der Nacht wurde ich wach. Die Halsschmerzen waren nicht zu ertragen. Jeff wurde vom Husten wach. Besorgt lehnte er sich über mich: „Warte zehn Minuten. Ich gebe dir ein garantiert natürliches Hilfsmittel. Eine lang erprobte Medizin gegen Halsschmerzen und bösen Husten, gesünder als Aquavit.“
Ich nickte, während ich nieste.
Jeff sprang mit einem Satz aus dem Bett. Ich hörte ihn unten in der Küche werkeln, strich mit den Händen über die herrliche Bettwäsche. Ein weißer Traum in Seide. Dagegen lag ich in meinem Bett wie auf Stroh. Die Doppeltür flog auf. Jeff im Adamskostüm ohne Feigenblatt balancierte ein Tablett durchs Zimmer, nahm die Serviette, legte sie mir mit einer Kette um den Hals, begann, mich zu füttern.
„Ich dachte, du bringst Medizin“, nuschelte ich mit vollem Mund.
„Das ist Medizin. Wir nennen es jüdisches Penicillin.“
Während der Fütterung blies er vorsichtig über den Löffel. Ich wusste gar nicht mehr, wann ich zuletzt krank war und gefüttert wurde, leerte brav die Schüssel. Erschöpft sank ich in die Kissen. Jeff küsste mich zärtlich am Hals entlang. Ich fühlte mich geliebt und begehrt, fiel in einen tiefen Schlaf. Molly verdrehte ihre Augen, umarmte sich selbst und schien zufrieden zu sein.