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GOODBYE MY LOVE

Nach einem romantischen Abend, der Ouvertüre, rückte MML endlich mit der Sprache heraus. Ich hatte beim letzten Mal schon etwas gespürt, konnte das Gefühl nur nicht richtig einordnen. Ich spielte ihm Freude vor, aber verhielt mich dennoch reserviert. Molly zeigte mir den Stinkefinger. Was war los mir ihr? Ich ignorierte sie. Vom Wohnzimmer bis zum Schlafzimmer hatte er eine Schneise aus dunkelroten Rosenblüten auf den Boden gestreut, kleine weiße Weingummi-Herzen dazwischen gelegt. George Benson hauchte klagend seine Worte durchs Mikrofon. An die Bettpfosten rechts und links hatte er ein dickes Bündel roter Ballonherzen gebunden. Die Buchstabengirlande an der Rückwand überm Bett besagte: Lust, Liebe und Leidenschaft. Dann mixte und reichte er mir wieder seinen Cocktail, den es immer vor dem Liebesspiel gab. Er schmeckte fruchtig süffig, auch prickelig und doch etwas bitter. Er nannte ihn Ludes Stimulanzia Hypnotikum Passiflora. Hatte ich noch nie gehört. Er wurde gemischt aus einem Hauch von Reben aus Reims, gepaart mit Methaqualon, um der Sache Würze zu geben. Es schmeckte interessant.

Wir liebten uns in einer erschreckenden Intensität, einem unstillbaren Verlangen wie Ertrinkende, die ihr Leben nicht verlieren wollten, die kämpften, um es zu retten. Seine nicht enden wollenden Streicheleinheiten, seine Worte, die nichts anderes ausdrückten als tiefe Verbundenheit und herzlichste Liebe – es war ein Hochgenuss.

Molly hielt sich die Ohren zu, rollte ihre Augen nach hinten. Was wollte sie? Wie sollte ich das deuten? Sie machte mich gaga.

Ob sein kehliger, wimmernder Schrei beim Orgasmus schon das ausdrückte, was er noch nicht in Worte fassen konnte? All das und vieles Undefinierbare mehr ließen mich erahnen, dass dieser Tag anders war als sonst. Ich bemerkte diese neue Qualität, die sich so fremd anfühlte.

Es war beim Whisky Sour. Den mischte er perfekt, während er zur Stereoanlage ging. Er zauberte dort Lou Rawls mit seiner Lady Love aufs Parkett. Lous Stimme drang bis in meine Herz-Hauptkammer vor, löste die Kopf- von meiner Gehirnhaut. Was für eine Stimme! Galant forderte er mich zum Tanz auf, nahm mich in die Arme. Meine Füße schwebten über dem Boden. Schwingend glitt er mit mir durchs Zimmer. Ich quiekte, schrie und lachte. Logopädisch betrachtet, waren es Laute und nicht Worte.

Molly hielt sich die Augen zu. Wieso machte sie das?

Es dauerte zwei weitere Whisky Sour, bis die Überraschung kam. Mit vier anderen Partnern seiner Kanzlei sollte er in Kürze eine Dependance in New York eröffnen. Er musste seine Zelte hier abbrechen. Ich erstarrte. Er meinte es ernst. Ich glaubte, seine Trauer und gleichzeitige Frustration zu sehen, merkte, wenn man genau hinschaute, konnte man im Gesicht des anderen an Augen, Mund, den Gesichtsmuskeln, der Haut viele Emotionen ablesen. Sabia nannte es Antlitz-Diagnostik.

Im Auto küsste mich MML zum Abschied leidenschaftlich. Es gab keine Versprechungen, keine Tränen oder Schwüre. Es war eine unbarmherzige Stille, die sich wie die Pest langsam ausbreitete.

Ich wollte nur noch allein sein, stieg aus, schlug schwungvoll die Autotür zu. Ging die Treppe hoch zur Eingangstür, drehte mich nicht einmal um. Verharrte vor der Tür. Konnte meine Emotionen nicht lesen. Leere war das Einzige, was eine Form hatte. Ich zog den Stöpsel aus meiner emotionalen Wanne, ließ meinen Tränen freien Lauf, fühlte mich benutzt, wütend, frustriert. War das der Cowboy?

Molly saß bequem im Sessel und grinste.

Könnte schreien

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