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§ 4Der Zweck des Zivilprozesses

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Literatur: Fries, Lehren aus der Praxis verschiedener Konfliktlösungsverfahren, ZKM 2017, 137; Gaul, Zur Frage nach dem Zweck des Zivilprozesses, AcP 168 (1968), 27; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht 1970, 5 ff.; Hyckel, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip – Rechtsstaatliche Grundlagen effizienter Rechtserkenntnis, GVRZ 2020, 5; Koch, A., Die Prozessökonomie als Auslegungskriterium der Zivilprozessordnung, Diss. Jena 2014; Meller-Hannich, Zivilprozessrecht und materielles Zivilrecht, FS Fischer 2010, 297; Dies./Nöhre, Ein zeitgemäßer Rahmen für Zivilrechtsstreitigkeiten, NJW 2019, 2522; Münch, Eberhard Schilken und seine Lehre zum Prozesszweck, FS Schilken 2015, 387; Roth, H., Gewissheitsverluste bei der Lehre vom Prozesszweck?, ZfPW 2017, 129; Schilken, Der Zweck des Zivilprozesses und der kollektive Rechtsschutz, in: Meller-Hannich (Hrsg.), Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess 2008, 21.

Rechtsprechung: BGHZ 161, 138 (Aufgabe der Rechtsprechung ist die richtige Entscheidung des Einzelfalls); BGH WuM 2016, 98 (Keine Präklusion von unstreitigem Vorbringen).

19Der Zivilprozess dient der Feststellung und Durchsetzung subjektiver Rechte. Das gilt sowohl für den Zivilprozess als Institution als auch für den konkreten individuellen Zivilprozess zwischen Parteien. Der einzelne Zivilprozess konkretisiert und nutzt dabei die Institution Zivilprozess, indem der Richter das materielle Recht auf einen konkreten Einzelfall anwendet und verbindliche Rechtsfolgen in einem Urteil festgestellt werden. Im Prozess geht es um die materielle Rechtslage und die aus ihr folgenden subjektiven Rechte der Parteien. Der Richter ist dabei allein an Recht und Gesetz gebunden ist, seine Aufgabe besteht nicht in der Gestaltung der Rechtslage nach seinen persönlichen Vorstellungen von Gerechtigkeit.

20Ein geordnetes faires Verfahren, in dem die Beteiligten ihre Rechtspositionen vor einer neutralen Instanz vorbringen können und verbindlich entschieden erhalten, birgt selbstverständlich schon in sich einen hohen rechtspolitischen Wert. Und: Ein Rechtsstaat ist ebenso selbstverständlich verpflichtet, sich bei der Erfüllung seiner Justizgewährungspflicht durch Ausgestaltung einer Verfahrensordnung an diesem Wert zu orientieren. Der einzelne klagende Bürger wird jedoch seinen Prozess nicht für ein solches abstraktes öffentliches Anliegen führen, sondern im Eigeninteresse. Soweit deshalb als weitere Zwecke des Zivilprozesses die Wahrung des Rechtsfriedens, die Bewährung und Fortbildung der objektiven Rechtsordnung oder die Rechtssicherheit genannt werden, sind diese nicht selbstständiger Hauptzweck, sondern letztlich nur die Kehrseite der Erkenntnis und Durchsetzung subjektiver Rechte. Rechtsfriede, Rechtssicherheit und Rechtsbewährung können in einem Rechtsstaat nicht gegen, sondern nur entsprechend den subjektiven Rechten des Einzelnen gewährleistet werden.

21Dass durch inzwischen vielfach etablierte alternative Streitbeilegungsmethoden (Rn. 30, 334, 337), etwa die Güteverhandlung, die Verbraucherstreitbeilegung oder die Mediation, Aspekte der Sozialgestaltung und der Friedenswahrung in den Vordergrund treten, ändert an dieser Grundlage nichts. Die Parteien sind aufgrund ihrer auch materiell-rechtlich gewährten Verfügungsmacht über private Rechte berechtigt, derartige alternative Lösungswege zu suchen und mit verbindlichen Ergebnissen auszustatten. Das gilt auch für den Einsatz von sog. Legal Tech-Angeboten in der Rechtsfindung und -durchsetzung.1 Unternehmensinterne Beschwerdemanagementsysteme, automatisierte Rechtsfindung oder Online-Plattformen, die standardisiert Konflikte bündeln und bearbeiten, bieten dabei ­komfortable, wenn auch nicht immer am materiellen Recht orientierte Konfliktlösungen. Eine individuelle „Klagepflicht“ gibt es selbst im Falle unveräußerlicher Rechte und zwingenden Rechts nicht. Es geht deshalb oft darum, für einen Konflikt das passende Verfahren zu finden, sei es außergerichtlich, sei es vor Gericht. Aufgabe der Justiz ist dabei auch, durch ihre Qualität und angemessene Modernisierung im Wettbewerb mit anderen Streitbeilegungsmechanismen zu überzeugen und Nähe zu den Rechtssuchenden zu behalten. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund fortschreitender Digitalisierung und deutlicher Rückgänge in den Klageeingangszahlen der Justiz.2

22Der wachsende Bereich kollektiver Rechtsschutzmöglichkeiten (Rn. 31, 434) ändert an dem grundsätzlichen Zweck des Zivilprozesses nichts bzw. widerspricht diesem nicht.3 Freilich wird hier die Institution des Zivilprozesses mit ihrer weit reichenden Parteiautonomie vor allem für zweckdienlich befunden, um (auch) im Allgemeininteresse liegenden Anliegen, etwa des Verbraucherschutzes, des Anlegerschutzes, der gerechten Schadensregulierung und der Prävention unlauteren Geschäftsgebarens, Nachdruck zu verleihen.4 Vielfach steht hier der Prozesszweck der Durchsetzung und Fortbildung der objektiven Rechtslage im Vordergrund.

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