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Dominiks Anweisung

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Der Graf hatte sich gezwungenermaßen an den Besuch gewöhnt. Auch wenn er seinem Schwager immer noch Misstrauen entgegenbrachte, freute es ihn, zu sehen, wie seine Frau in seiner Gegenwart doch nun wieder aufzublühen schien. Als die Kinder zu Bett geschickt waren und nur noch der Hausherr, seine Frau und Máté am Tisch saßen, griff Dominik in sein Jackett und zog eine kleine Glocke hervor.

„Ich bin es leid, nach Orsolya immer lauter rufen zu müssen, nur weil sie in der Küche eingeschlafen ist oder immer schlechter hört. Ab heute werde ich läuten, ohne es trainiert zu haben, wird sie kommen. Sie ist zwar nicht zur Haushälterin geboren, aber eine treue Seele – eben wie ein Hund.“

Er läutete mit dem Glöckchen und stellte es dann erwartungsvoll auf den Tisch.

„Meine Mitarbeiter haben übrigens noch einmal recherchiert, was diesen Doppelmord angeht.

Morgen früh werde ich den Kindern mitteilen, dass sich niemand mehr im Dunkeln draußen aufzuhalten hat. Weder morgens, noch abends. Jedenfalls nicht allein und ohne Schutz.“

Er schaute empört zur geschlossenen Esszimmertür und läutete erneut. Allerdings heftiger und lauter.

„Hast du denn etwas herausfinden können?“, wollte Máté wissen.

Sein Schwager meinte:

„Auf jeden Fall, dass dieses Verbrechen nicht mit rechten Dingen zuging und so einige, eigentlich zu viele Fragen aufwirft. Wer immer da gewütet hatte, hat enorme Kräfte oder Zorn.“

Bianká öffnete neugierig die Tür und schaute ins Zimmer. Sie hatte ihre Haare offen und trug ein Nachthemd mit einem übergeworfenen Jäckchen.

„Ist denn schon das Christkind da? Warum hat denn das Weihnachtsglöckchen geläutet?“

Der Anblick seiner Tochter im nächtlichen Gewand ließ Dominik seine Beherrschung verlieren.

„Ist es denn zu fassen? Wie präsentierst du dich denn hier? Und das vor deinem Onkel!“

„Dominik, bitte!“, kommentierte Máriska diese überzogene Reaktion.

„Aber Papa, ich habe so ein Läuten zuvor nur an Weihnachten gehört. Verzeihen Sie meine Neugierde“, sprach sie und machte einen entschuldigenden Knicks.

„Na, immerhin. Das ist meine Erziehung. Die davor, die ihrer Mutter. Wenn du schon hier herumspringst, hole bitte Orsolya und sage ihr, ich habe nach ihr geläutet, Liebes. Richte ihr aus, dass sie uns den guten Weinbrand und drei Gläser bringen soll.“

„Vier“, fügte die Gräfin an.

Die Tochter eilte in die Küche, während der Hausherr an seine Worte anknüpfte.

„Wie ich sagte, dieser Doppelmord ist äußerst mysteriös. Es sind die rätselhaften Umstände und Fakten, die ungewöhnlich und auch irgendwie nicht zusammenzubringen sind. Aus diesem Grund verlässt hier niemand mehr nach Sonnenuntergang das Haus. Ich habe das mit den Fällen in Wien vergleichen lassen. Die einzige Gemeinsamkeit sind die nächtlichen Übergriffe im Freien. Sollte es sich um den gleichen Wahnsinnigen handeln, wäre er hier in Ungarn das erste Mal in ein Haus eingedrungen. Ich finde das sehr beunruhigend. Falls die Fälle überhaupt miteinander zu tun haben.“

Der Graf empfand plötzliche die Atmosphäre im Raum als angespannt.

„Habe ich irgendetwas verpasst? Was ist auf einmal mit euch beiden los?“, fragte er skeptisch nach. Orsolya stieß die Tür auf und servierte auf einem Tablett den Weinbrand.

„Hast du das Läuten bemerkt, Orsolya?“, interessierte sich der Hausherr.

Während sie konzentriert die Gläser einschenkte, antwortete sie keck:

„Mit dem Geklingel habt Ihr das ganze Haus aufgeweckt. Das arme Kind war doch schon eingeschlafen.“

Sie stellte vor jeden ein Glas und beäugte dabei das Glöckchen. Um es abzuwischen, nahm sie es in die Hand.

„Hübsch!“

„Freunde dich mit ihm an. Es ist zukünftig mein ‚Ruf‘ nach dir. Anstatt meine Stimme zu erheben, werde ich von nun an nach dir läuten. Wir müssen in diesem Haus wesentlich mehr auf Niveau und Gepflogenheiten achten“, verkündete der Familienvater und hob sein Glas.

Als sie das Glöckchen wieder auf dem Tisch stellen wollte, fiel das Pendel ab.

„Ups, das ist ja Schund. Habt Ihr den geschenkt bekommen, Herr Graf?“

Bevor sich der Besitzer des Glöckchens erzürnen konnte, hob Máriska ihr Glas, nahm die Einzelteile des Glöckchens an sich und rief:

„Auf unser aller Gesundheit, das Glöckchen und unsere Familie!“

Die gute Seele des Hauses setzte sich auf den Stuhl, den Máté ihr zurechtgestellt hatte, trank ebenfalls und war in diesem Augenblick einfach nur glücklich.

„Es wird dich irritieren, Orsolya, aber ich möchte, dass du von nun an hier schläfst oder vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause gehst und erst im Hellen wiederkommst. Der Zwischenfall mit dem getöteten Paar gibt Anlass zur Vorsicht. Nicht, dass ich besonders an dir hänge, aber ich möchte auch nicht, dass du unnötigen Gefahren ausgesetzt bist. Meine Frau würde mir das nie verzeihen, wenn dir etwas passieren würde, und … ich möchte auch nicht, dass sich das Untier an dir den Magen verdirbt.“

Mit einem bösen Grinsen nippte er an seinem Weinbrand. Die Haushälterin, tief getroffen von den Worten des Hausherrn, schaute schweigend zwischen den Geschwistern hin und her in der Erwartung, Unterstützung zu finden. Máté fand die Spitzen von Dominik in diesem Fall heftig und erklärte:

„Übersetzt heißt es, dass der Graf dich sehr schätzt und sich Sorgen um dich macht, wenn du allein in der Nacht unterwegs sein würdest. Er kann es nur nicht schöner ausdrücken.“

Dominik lachte laut auf.

„Man merkt, ihr beide seid verwandt. Eure Art zu beschwichtigen ist irgendwie die Gleiche. Ihr könnt einem auch jeden Spaß verderben.“

„Er kann nicht anders. Er muss aus jedem Gespräch als Gewinner herausgehen. Mach dir nichts draus, da stehst du drüber, Orsolya.“

Máté erkannte an ihrem Blick, dass sie sich verstanden. Sie nippte vergnügt an ihrem Cognac und meinte:

„Genau. Stehe ich drüber …“

Der Graf ließ es dabei bewenden und schmunzelte zur Verwunderung von Máriska. Sie nutzte die Chance und verkündete:

„Máté und ich wollen morgen zu einem alten Freund von ihm fahren. Er wird dort übernachten, aber ich komme nach Hause.“

Dominik schaute zu seiner Frau.

„Wie schön, kenne ich den Freund? Ich bringe übrigens morgen einen Gast zum Kaffeetrinken mit. Es ist Freitag und da komme ich immer früher nach Hause“, klärte er seinen Schwager auf.

Die Gräfin nahm einen Schluck, sah zu ihrem Mann und sagte:

„Ich bin erst gegen Abend da.“

Orsolya erhöhte ihre Aufmerksamkeit, denn sie ahnte, dass es jetzt spannend werden würde. Dominik betrachtete seine Gattin eindringlich.

„Was heißt gegen Abend?“

„Ich wollte kurz vor dem Abendessen wieder weg. Mich interessiert dann nicht mehr so, was die Herren reden.“

Ihr Mann wurde ungehalten.

„Kannst du mir bitte klar sagen, wann ihr wegwollt und wann du gedenkst zurückzukommen? Wie weit ist das von hier?“

„Nach dem Mittagessen fahren wir und ungefähr um halb sieben bin ich wieder da.“

Der Graf konnte nicht fassen, was er da hörte. Sein Blick ging zu seinem Schwager.

„Hatte ich eben nicht erklärt, dass niemand mehr im Dunkeln draußen durch die Gegend laufen, fahren oder sich sonst wie aufhalten soll? Was war daran nicht zu verstehen?“

Dann drehte er empört den Kopf zu seiner Frau.

„Entweder holt dich Ervin ab oder du bist früher zu Hause. Allein wirst du jedenfalls nicht unterwegs sein, nicht in der Dunkelheit. Oder du bleibst einfach hier. Máté wird den Weg zu seinem Freund sicher allein finden. Kenne ich den Mann?“

„Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln“, rief Máriska.

„Du bleibst hier oder lässt dich begleiten. Auf jeden Fall dulde ich es nicht, dass du erst spät zurückkehrst“, tat er barsch kund. Dem jungen Herrn war die Situation unangenehm. Auf die Schnelle fiel ihm keine Lösung ein, außer zu beschwichtigen. Er brauchte Máriska vor Ort, aber das wollte er nicht mit dem Graf ausdiskutieren. Vorsichtig versuchte er erst einmal einen größeren Streit zu vermeiden und verließ sich auf seine Spontanität, wenn es um Plan B ging, den er selbst noch nicht kannte.

„Er hat recht, Máriska. Du solltest kein Risiko eingehen. Ich schicke sie frühzeitig zurück, Dominik.“

Unerwartet stand Bálint zitternd im Türrahmen.

„Mama, ich friere so sehr und auch das Ziehen in meinen Knochen ist wieder da.“

Der aktuelle Streitpunkt war umgehend beseitigt und die Aufmerksamkeit galt dem jungen Mann. Orsolya sprang sofort auf und lief zum Medizinschrank in der Küche. Sie nahm eine kleine Flasche heraus und tropfte etwas von dem Inhalt in ein Glas Wasser. Ebenso setzte sie heißes Wasser auf, um eine Wärmflasche vorzubereiten. Máriska brachte ihren Sohn nach oben. Máté war wieder sichtlich berührt von dem Anblick des Kranken und starrte versunken in seinen Weinbrand. Als er aufschaute, traf er auf Dominiks Blick.

„Zu gerne würde ich jetzt wissen, was du gedacht hast, Schwager.“

„Ich habe überlegt, wie ich eurem Sohn helfen könnte. Möglicherweise macht es Sinn, wenn einer der Ärzte aus Wien ihn sich einmal ansehen würde. Zwei Adressen in Pest-Buda hätte ich auch noch.“

Der Familienvater nickte.

„Ein Versuch ist es wert, auch wenn wir dafür weit reisen müssten. So wie es jetzt ist, gefällt es mir nicht. Es wird schlimmer, anstatt besser. Wo wollt ihr morgen eigentlich hin? Was ist das für ein Freund von dir? Kannst du ihn nicht alleine besuchen? Warum soll sie mit?“

„Sie muss nicht mit. Ich hätte es einfach nur schön gefunden, weil es ein Klassenkamerad von mir war und er auch Máriska kennt.“

„Dann ladet ihn doch hierher ein.“

„Oh, besser nicht. Er ist früher ein bisschen strolchenhaft gewesen und ich weiß nicht, wie er sich in den letzten zwanzig Jahren wirklich entwickelt hat. Es hat sich spontan ergeben. Ich habe ihn am Bahnhof von Esztergom gesehen und gleich wiedererkannt.“

„Also eine übel beleumundete Person? Kommen da noch mehr von dieser Sorte hin? Ich will meine Frau nicht bei irgendwelchen Trunkenbolden wissen. Und wo ist das?“

„In Szob, wir müssen über die Brücke.“

Dominik war anzusehen, dass ihm das nicht gefiel, aber er wollte seiner Gemahlin es auch nicht gänzlich verbieten, ihren Bruder zu begleiten. Es würde nur unnötig Streit auslösen. Er war sich sicher, bis morgen noch eine vertretbare Lösung zu finden.

Der Schatten des Werwolfs

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