Читать книгу Kein Kaviar für Killer: 4 Krimis - Cedric Balmore - Страница 12
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Kurz vor acht Uhr erschien Sebastiano Valdez im Federal Building. Er saß auf der Bank im Flur, als Milo und ich den Dienst antraten. Da war es Punkt acht. Wir baten den Mexikaner in unser gemeinsames Büro und boten ihm einen Sitzplatz an.
„Weswegen haben Sie mich vorgeladen?“, fragte er. „Ich hatte seit einigen Jahren Ruhe vor der Polizei.“
„Einige Morde sind geschehen, Mr. Valdez“, sagte ich. „Wir nehmen an, dass es sich um Ritualmorde handelt. In New York waren es bisher vier Mädchen, die ermordet wurden. Allen wurden die Herzen herausgeschnitten.“
Valdez schluckte krampfhaft. „Was habe ich damit zu tun?“
„Sie waren mal als Priester in einer Satanssekte tätig. Damals wurde gegen Sie wegen Drogenhandels ermittelt. Das Verfahren wurde eingestellt. Allerdings nicht, weil Ihre Unschuld bewiesen wurde, sondern aus Mangel an Beweisen.“
„Das ist sieben Jahre her. Wir haben den satanischen Zirkel damals aufgelöst. Ich habe auch nie wieder versucht, einen zu gründen. Ich habe mich vom Satanskult losgesagt und begonnen, mich mit der Bhagavadgita zu beschäftigen.“
„Das bedeutete ein Gesinnungswandel um dreihundertsechzig Grad“, sagte Milo.
„So ist es. Ich war immer bemüht, die Wahrheit zu ergründen. Der Satan ist Wahrheit. Er verkörpert das Böse. Also muss es auch einen Gott geben, der das Gute personifiziert. Ich ...“
„Schon gut“, unterbrach ich ihn. „Wir haben Sie nicht vorgeladen, um von Ihnen bekehrt zu werden. Wo waren Sie am vierundzwanzigsten Juni? In der Nacht, zwischen elf und ein Uhr?“
„Zu Hause, in meinem Bett. Ich gehe jeden Abend gegen zehn Uhr schlafen. Ich muss morgens immer früh raus, und ich brauche mindestens sieben Stunden Schlaf.“
„Besitzen Sie ein Auto?“
„Ja, einen alten Chevy.“
„Sind Sie mit dem Wagen da?“
„Natürlich. Warum sollte ich mit der Subway fahren, wenn ich ein Auto besitze?“
„Haben Sie ein Alibi für die Nacht vom vierundzwanzigsten Juni auf den fünfundzwanzigsten?“
„Ich lebe allein.“
„Leider müssen wir Ihren Wagen vorübergehend beschlagnahmen“, erklärte ich. „Er muss von der SRD auf Spuren untersucht werden. Sie werden also einige Tage die Subway benutzen müssen.“
Mit einem Ruck stand der Mexikaner auf. „Stehe ich etwa im Verdacht, der Schlitzer von Harlem zu sein?“
„Wir müssen jeder möglichen Spur nachgehen, Mr. Valdez“, versetzte Milo. „Wir nehmen an, dass die Mädchen im Rahmen Schwarzer Messen ermordet wurden. Sie waren mal Satanspriester. Die Katze lässt das Mausen nicht. Sie verstehen?“
„Nein. Was hat das mit meinem Wagen zu tun?“
„Die Mädchen wurden nicht dort ermordet, wo sie aufgefunden worden sind. Also müssen die Leichen mit einem Fahrzeug befördert worden sein. Auf entsprechende Spuren wird Ihr Fahrzeug untersucht. Sie bekommen Ihren Chevy innerhalb von drei Tagen wieder zurück, sollten sich keine Verdachtsmomente gegen Sie ergeben.“
„Ich werde einen Rechtsanwalt einschalten!“, erregte sich Valdez. „Sie haben schon einmal bei mir auf Granit gebissen. Dieses Mal wird es nicht sein Bewenden damit haben, dass man das Verfahren gegen mich einstellen muss. Ich werde mich beschweren. Bei Ihrer vorgesetzten Dienststelle. Es ist eine Ungeheuerlichkeit ...“
Ich unterbrach seinen Redefluss. „Gegen Sie ist kein Verfahren eröffnet, Mr. Valdez. Und wenn Ihr Wagen sauber ist, wird auch keines gegen Sie eröffnet, und an Ihnen wird nicht der geringste Makel haften bleiben. Sie als steuerzahlender Staatsbürger müssen doch Interesse daran haben, dass die Polizei ihren Job ordentlich macht. Wenn sich Ihre Unschuld herausstellt, ist das auch zu Ihrem Besten. Also beginnen Sie nicht, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.“
Valdez beruhigte sich. „Gut. Untersuchen Sie meinen Chevy auf Spuren. Sie werden nichts finden. Ich habe mit den Morden nichts zu tun.“ Er warf mir den Autoschlüssel auf den Tisch und erklärte mir, wo er den Wagen abgestellt hatte. Außerdem gab er die Zulassungsnummer bekannt, die ich auf einem Zettel notierte.
Valdez verabschiedete sich von uns.
„Was meinst du?“, fragte Milo, als wir alleine waren. „Ist er ein Mörder?“
„Das sieht man ihm leider nicht an der Nasenspitze an“, versetzte ich. „Aber wenn ich meiner Menschenkenntnis vertrauen kann, dann ist er nicht unser Mann.“
„Heute ist der erste Juli“, meinte Milo. „Donnerstag. Dem Gesetz der Serie entsprechend, nach dem der Schlitzer zuschlägt, ist wieder eine Entführung fällig.“
„Und wir stehen dem machtlos gegenüber.“
„Es ist zum Heulen.“
Wir widmeten uns wieder unserer Schreibtischarbeit.
Um 9 Uhr klopfte es gegen die die Tür.
„Herein!“, rief ich. Ich vermutete, dass es sich um Richard Jackson handelte, der geklopft hatte.
Die Tür öffnete sich, ein hohlwangiger Mann mit bleicher Gesichtshaut streckte den Kopf ins Büro. „Mein Name ist Jackson. Ich habe für heute um neun Uhr eine Vorladung von Ihnen erhalten.“
„Treten Sie ein“, forderte ich den Mann noch einmal auf. Als er im Büro war und die Tür hinter sich zugedrückt hatte, bot ich ihm einen Sitzplatz auf dem Stuhl an, auf dem vorhin Sebastiano Valdez gesessen hatte.
„Es geht um die Morde an vier Prostituierten“, begann ich.
Sofort stand Jackson senkrecht. „Was habe ich damit zu tun?“
Ich wies auf den Stuhl. „Setzen Sie sich wieder, Mr. Jackson. Es handelt sich um eine reine Routineüberprüfung. Sie sind vor einigen Jahren als Satansjünger in Erscheinung getreten. Da wir annehmen müssen, dass die Prostituierten Ritualmorden zum Opfer fielen, überprüfen wir die Leute, die irgendwann mal mit Satanskult in Verbindung standen.“
Jackson setzte sich wieder. In seinem Gesicht arbeitete es. „Ich habe von den Morden in den Nachrichten gehört“, sagte er schließlich mit sachlichem Tonfall. „Man spricht vom Schlitzer von Harlem.“
„Sehr richtig“, erwiderte ich. Dann fragte ich ihn nach seinem Alibi für die Tage, an denen die Mädchen verschwunden waren. Jackson hatte keines. „Ich gebe mich kaum mit jemand ab. Meine Frau hat mich verlassen ...“
„Warum hat Sie Ihre Frau verlassen?“
Jackson zögerte etwas. Es mutete an, als musste er die Antwort erst im Kopf formulieren. Dann sagte er: „Wir haben uns auseinandergelebt und hatten uns nichts mehr zu sagen.“
„Wo wohnt Ihre Frau jetzt?“
„Ich weiß es nicht.“
„Müssen Sie nicht an sie Unterhalt bezahlen?“
„Doch. Das Geld geht auf ein Konto bei der City Bank.“
Ich fragte ihn, ob er ein Auto besaß. Er bejahte, worauf ich ihm erklärte, dass wir seinen Wagen für einige Tage konfiszieren mussten, damit er von der SRD unter die Lupe genommen werden konnte.
„Ich brauche den Wagen für den Weg zur Arbeit“, stieß Jackson hervor.
„Es verkehrt sicher ein öffentliches Verkehrsmittel zwischen Staten Island und New Jersey“, entgegnete ich. „Außerdem nehmen wir Ihnen den Wagen nicht weg. Sie bekommen ihn auf der Stelle zurück, wenn sich keine Spuren von den Mädchen finden.“
„Welche Spuren?“
„Haare, Hautschuppen, vielleicht auch Speichel ...“
„Aaah, für eine DNS-Analyse. Ich verstehe. Na schön, G-men. Sehen Sie zu, dass ich mein Auto bald zurückbekomme. Ich brauche es.“
„Was für einen Wagen fahren Sie denn?“
„Einen Chevrolet. Ein älteres Fabrikat.“
„Welche Farbe hat der Wagen?“
„Metallic-Silber.“
„Sie arbeiten in einer Batteriefabrik. Werden Sie regelmäßig auf Ihren Gesundheitszustand durchgecheckt?“
„Ja.“ Jackson zögerte ein wenig. Dann erklärte er: „Mir fehlt nichts. Noch nicht. Welche Langzeitschäden sich infolge des Umgangs mit Blei und Säure ergeben, ist allerdings nicht abzusehen.“ Jackson grinste säuerlich, fast betreten.
Schließlich hatten wir keine Fragen mehr. Wir zogen die Autoschlüssel ein, fragten ihn, wo er den Wagen geparkt hatte und wie das Kennzeichen lautete, dann er durfte gehen.
Es war nicht viel, was wir herausgefunden hatten.
„Möglicherweise handelt es sich gar nicht um Ritualmorde“, meinte Milo. „Wenn es auf den ersten Blick vielleicht auch so aussieht. Kann es nicht sein, dass der Mörder vom Hass auf Prostituierte geleitet wird?“
An diesen Aspekt hatte ich auch schon gedacht, ihn aber noch keiner intensiveren Beurteilung unterzogen, denn es sprach einiges dagegen. „In Baltimore, Cincinnati und Indianapolis geschehen Morde nach dem selben Strickmuster. Am dritten Juni müsste sich der Täter gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten aufgehalten haben. Das spricht gegen diese Theorie.“
„Ein Nachahmer“, sagte Milo. „Der Personenkreis der Opfer lässt diesen Schluss zu. Dadurch, dass der Killer den Mädchen die Herzen aus dem Leib schneidet, will er vielleicht eine falsche Spur legen.“
Ich konnte mich Milos Theorie nicht völlig verschließen.
Mein Freund und Kollege fuhr fort: „Es handelt sich jedes Mal um Prostituierte. Und zwar nur um Mädchen, die auf den Straßenstrich gehen. Würde es sich um Ritualmorde handeln, wäre es den Tätern egal, woher ihre Opfer kommen. So aber steckt System dahinter. Bei dem Täter handelt es sich möglicherweise um einen Psychopathen, der vom Hass auf die Huren vom Straßenstrich geleitet wird. Vielleicht ein Kindheitserlebnis, ein Trauma, eine Neurose.“
„Das erweitert unseren Täterkreis immens“, knurrte ich. „Es gibt auch keinen Hebel, wo wir ansetzen könnten. – Was hältst du von Jackson?“
„Sieht krank aus, der Mann. Im Übrigen ist er schlecht einzustufen. Wir sollten vielleicht mal mit seiner Gattin ein paar Worte wechseln.“
„Dazu müssen wir ihre Anschrift herausfinden. Ich bin fast überzeugt davon, dass Jackson sie kannte, sie uns aber verschwieg.“
„Warum sollte er?“
„Ist nur ‘ne Vermutung“, sagte ich und beendet das Thema. „Vielleicht verrät man uns bei der City Bank ihre Anschrift.“
Milo wiegte skeptisch den Kopf. „Wir werden eine richterliche Anordnung erwirken müssen.“
„Dann erwirken wir sie eben“, stieß ich hervor.