Читать книгу Kein Kaviar für Killer: 4 Krimis - Cedric Balmore - Страница 14
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Es hatte tatsächlich eines richterlichen Beschlusses bedurft, damit wir von der City Bank die erforderlichen Auskünfte bezüglich der Frau Richard Jacksons erhielten. Obwohl wir Mr. McKee eingeschaltet hatten, dauerte es einen vollen Tag, bis wir den Beschluss hatten. Wir fuhren damit zur City Bank. Der zuständige Sachbearbeiter nannte uns nach Vorlage des Beschlusses die Adresse. Mrs. Jackson wohnte in Brooklyn, Strauß Street Nummer 427. Wir bekamen auch die Telefonnummer der Frau. Ehe wir nach Brooklyn fuhren, riefen wir sie an, um festzustellen, ob sie überhaupt zu Hause war.
Sie nahm ab und nannte ihren Namen.
„Trevellian, Special Agent, FBI New York“, sagte ich. „Wir hätten Sie gerne mal gesprochen, Mrs. Jackson.“
„Das FBI will mich sprechen?“
„Ja. Es ist wegen Ihres Mannes. Nur ein paar Fragen.“
„Dieses verdammte Schwein! Ist er straffällig geworden?“
Das war eine Reaktion, die ich nicht erwartet hatte. „Nein“, erwiderte ich. „Es handelt sich um einige Routinefragen, seine Vergangenheit betreffend. Wann können wir Sie sprechen?“
„Ich bin zu Hause. Arbeitsunfähig. Das habe ich diesem elenden Hurenbock zu verdanken.“
„Wir sind in einer Stunde bei Ihnen“, sagte ich und unterbrach die Verbindung. Da ich den Lautsprecher eingeschaltet hatte, konnte Milo alles hören, was Mrs. Jackson von sich gegeben hatte. Er sagte: „Besonders gut ist sie ja nicht auf ihren Mann zu sprechen. Schwein, Hurenbock, das sind nicht gerade Kosenamen, mit denen sie ihn tituliert.“
„Fahren wir zu ihr“, knurrte ich, „und hören wir uns an, was sie zu sagen hat.“
Wir nahmen die Brooklyn Bridge. Eine knappe Stunde später standen wir vor dem Gebäude mit der Nummer 427 in der Strauß Street. Es war ein Wohnblock. Wir fanden das Apartment Mrs. Jacksons in der 3. Etage. Milo läutete. Die Frau öffnete uns. Ich schaute in ein eingefallenes Gesicht, in dem fiebrige Augen glänzten und das von einer fahlen Blässe war. Die dunklen Haare, die das Gesicht einrahmten, verstärkten diesen krankhaften Eindruck noch.
Sie ließ uns in die Wohnung. Im Livingroom bot sie uns Sitzplätze an. Ich schaute mich um. Mrs. Jackson war ziemlich ärmlich eingerichtet. Kein Möbelstück passte zum anderen. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Wohnung nur für einen vorübergehenden Aufenthalt eingeräumt worden war.
Hatte es etwas mit der Erkrankung der Frau zu tun?
Ich erinnerte mich der Aussage der Nachbarin Jacksons. Sie sprach davon, dass Richard Jackson an Aids erkrankt sein sollte.
„Stellen Sie Ihre Fragen“, sagte Carol Jackson.
„Ihr Mann gehörte mal einer Teufelssekte an.“
„Das stimmt.“ Mrs. Jackson hob die Schultern. „In den ersten Jahren unserer Ehe hatte er noch Kontakt mit den Teufelsanbetern. Dann ist der Zirkel aufgelöst worden. Ich habe hinterher nie mehr feststellen müssen, dass das Schwein dem Satanskult frönte.“
„Wie lange waren sie mit Richard Jackson verheiratet?“
„Neun Jahre.“
„Sie sind nicht gut auf Ihren Mann zu sprechen“, sagte Milo.
„Seinetwegen bin ich dem Tod geweiht“, erklärte die Frau. „Er hat mich mit Aids angesteckt. Bei mir kam die Krankheit nach sieben Jahren zum Ausbruch. Er hat sich bei einer Hure vom Straßenstrich infiziert. – Ich habe nur noch kurze Zeit zu leben. Sehen Sie sich nur um hier. In meiner Wohnung finden Sie nur altes Gerümpel, das mir Bekannte und Freunde geschenkt haben. Es rentiert sich für mich nicht mehr, mich neu einzurichten. Außerdem hätte ich gar nicht das Geld dazu. Mit dem Unterhalt, den mir der Schuft zahlt, komme ich gerade so über die Runden. Manchmal gibt mir mein Bruder etwas Geld. Er ist auch der einzige, zu dem ich noch Kontakt habe. Nach und nach haben sich alle Freunde und Bekannten zurückgezogen. Sie fürchten, ich könnte sie anstecken.“ Mrs. Jackson lachte bitter auf.
Das war eine Eröffnung, die ich zuerst einmal verdauen musste. In meinem Kopf klickerte es. Ein Wort zog mir durch den Sinn. Es lautete „Rache“. Plötzlich betrachtete ich Milos Theorie, wonach der Täter ganz profane Beweggründe hatte, mit völlig anderen Augen.
Ein Mann, der allen Grund hatte, sich zu rächen, war Richard Jackson. Er hatte sich bei einer Hure mit Aids infiziert. Seine Ehe war kaputtgegangen. Er war ein zum Tode Verurteilter. Und er hatte seine Frau, die er sicher mal geliebt hatte, mit ins Verderben gerissen. Außerdem hatte er früher einmal zu einer Satanssekte gehört.
Alles passte wunderbar zusammen.
War Jackson unser Mann?
Vieles sprach gegen ihn.
„Ich habe mich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen“, hörte ich Mrs. Jackson sagen. „Ich war der Meinung, im Verein mit anderen Betroffenen könnte ich darüber hinwegkommen, dass mein Leben so gut wie beendet ist. Aber es ist nicht so einfach, zu akzeptieren, dass man in wenigen Wochen oder Monaten tot sein soll. Solange es einem gut geht, so lange man gesund ist, verschwendet man kaum einen Gedanken an den Tod. Das ändert sich aber schlagartig, wenn man direkt damit konfrontiert wird. Ein positiver HIV-Test ist ein Todesurteil. Und plötzlich fragst du dich, ob das wirklich alles gewesen sein soll im Leben. Ich bin achtunddreißig Jahre alt. An der statistischen Lebenserwartung gemessen habe ich noch nicht mal die Hälfte des Lebens hinter mir. Real ist, dass ich meinen neununddreißigsten Geburtstag wohl nicht mehr erleben werde. Ich habe nur noch Hass für Richard übrig. Er hat mir ein halbes Leben gestohlen.“
Carol Jacksons Augen schimmerten feucht.
Es waren bittere Worte gewesen, die sie gesprochen hatte. Was sollten wir darauf antworten? Milo und ich wechselten einen betretenen Blick.
Dann fragte ich: „Wann trifft sich die Selbsthilfegruppe jeweils?“
„Jeden Donnerstag. Immer in der Wohnung eines anderen Betroffenen.“
„Wer leitet diese Sit-ins?“
„Dr. Steven Martin. Er ist Diplompsychologe.“
„Wo wohnt Dr. Martin?“
Carol Jackson stand auf, ging zu einem Sideboard, zog einen Schub auf und griff hinein. Als ihre Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie eine Visitenkarte. Sie kam zum Tisch zurück und reichte sie mir wortlos.
Es war eine Visitenkarte Dr. Martins. Danach wohnte der Psychologe in der 22. Straße Ost. Auch seine Telefonnummer war angegeben.
„Dr. Martin ist Professor an der Columbia Universität“, erklärte Mrs. Jackson. „Er besitzt aber auch eine eigene Praxis.“
„Besitzen Sie einen Pkw?“, fragte ich und schob die Visitenkarte ein.
„Nein. Ich lebe sozusagen von der Hand in den Mund. Ein Auto kann ich mir nicht leisten. Warum fragen Sie?“
„Im Juni wurden vier Mädchen vom Straßenstrich in New York ermordet. Es hat den Anschein, als stecke ein Zirkel von Satansanbetern dahinter. Nach dem, was wir jetzt von Ihnen hörten, ist aber nicht auszuschließen, dass Rache das Motiv für die Morde ist. Die Mädchen wurden nicht dort ermordet, wo sie gefunden wurden. Darum muss der Mörder ein Auto besitzen, mit dem er sie transportierte.“
„Sie denken doch nicht, dass ich ...“ Mrs. Jackson verschluckte sich fast. Sie musterte uns mit allen Anzeichen des tiefen Entsetzens.
„Nein“, erklärte ich. „Sie verdächtigen wir nicht, Mrs. Jackson.“
„Verdächtigen Sie Richard?“
Ich zuckte nur mit den Achseln. „Wir werden ihm sicher einige Fragen stellen.“
Da wir keine weiteren Fragen mehr hatten, verließen wir Mrs. Jackson.
Im Wagen brachte ich zum Ausdruck, was mich beschäftigte. Milo hörte mir schweigend zu.
Als ich geendet hatte, sagte er: „Sicher, Jackson könnte unser Mann sein. Irgendwie aber kommt mir das alles zu einfach vor. Warten wir ab, was die Kollegen im SRD feststellen, wenn sie seinen Wagen checken. Wenn sie keinen Hinweis darauf finden, dass eines der Mädchen in dem Auto transportiert wurde, bleiben wir auf unserer Vermutung sitzen. Dann können wir ihn allenfalls beschatten und darauf warten, dass wir ihn auf frischer Tat ertappen.“
Mein Handy dudelte. Ich nahm es aus der Freisprechanlage und nannte meinen Namen. Es war Mr. McKee. Er sagte: „In der vergangenen Nacht wurde wieder ein Mädchen in der Morningside Avenue entführt. Ihr Name ist Laura Bennett. Andere Mädchen haben beobachtet, dass sie in einen weißen Ford Lincoln eingestiegen ist. Eines der Girls hat das Kennzeichen notiert. Danach ist ein gewisser Jack Baccon der Wagenbesitzer. Allerdings fährt Baccon einen Dodge. Die Kennzeichen waren von seinem Wagen gestohlen worden.“
Die Nachricht schockierte mich. Sekundenlang spürte ich tief in meiner Seele die Qual des Hilflosen. „Heute ist der zweite Juli, Sir“, presste ich schließlich hervor. „Übermorgen ist Sonntag. Großer Gott! Der Killer wird das Mädchen töten, wenn es uns nicht gelingt, ihn bis übermorgen zu entlarven und festzunehmen.“
„Das ist zu befürchten“, meinte Mr. McKee. „Bis jetzt haben wir noch nicht mal einen Anhaltspunkt, außer der Theorie, dass es sich um Ritualmorde handelt.“
Ich erzählte dem Chef, was wir bei Mrs. Jackson in Erfahrung gebracht hatten. „Jackson hätte also ein Motiv“, endete ich. „Wir werden ihm in der nächsten Zeit etwas genauer auf die Finger sehen.“
„Hätte nicht auch Mrs. Jackson ein Motiv?“, wandte der Chef ein.
Ich war einen Moment ziemlich verdutzt. Dann sagte ich: „Bei der gegebenen Sachlage – ja, Sir. Das Motiv ist sicherlich auch bei ihr vorhanden. Aber bei ihr ist die Krankheit bereits ausgebrochen. Sie sieht schwach aus. Außerdem besitzt sie kein Auto. Mrs. Jackson schließe ich aus dem Kreis der Verdächtigen aus. Wenn diese Frau im Stande wäre, einen Mord zu begehen, dann den Mord an ihrem Ehemann, der sie mit der Krankheit infizierte.“
„Sie haben Recht, Jesse“, sagte Mr. McKee. „Nach allem, was wir wissen, kommt Richard Jackson als Hauptverdächtiger in Frage. Tun Sie und Milo alles, um das Mädchen, das sich wahrscheinlich in der Gewalt des Schlitzers befindet, zu retten. Wir haben nur noch zwei Tage Zeit.“
Mr. McKee beendete das Gespräch. Ich drückte die Aus-Taste und stellte das Gerät in die Halterung der Freisprechanlage zurück.
„In die Rockland Avenue“, knurrte Milo. „Wir stellen das Haus Jacksons auf den Kopf.“