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Emotionen entstehen im Gehirn Neues aus der Hirnforschung

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Die Menschheit leidet nicht an einem Defekt ihrer logischen Kompetenz, sondern vielmehr an einem Defekt ihrer Emotionen,die wichtige Informationen für den logischen Prozess bereitstellen.

Antonio R. Damasio


Das Gehirn ist Sitz der seelischen Empfindungen! Dies behauptete als erster der griechische Arzt Hippokrates im fünften Jahrhundert v. Chr. Eine These, die sich erst Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Anatom Franz Joseph Gall (1758 – 1828) durchsetzte.

Heute gilt nicht mehr das Herz als Motor unserer Emotionen sondern das Gehirn. Klingt ernüchternd, oder? Der renommierte Hirnforscher Antonio R. Damasio [27] (University of Iowa) weiß uns zu trösten: „Gefühl und Empfinden verlieren nichts von ihrem wunderbaren oder schrecklichen Charakter, büßen nichts von ihrer Bedeutung für Dichtkunst und Musik ein, wenn wir sie als konkret, kognitiv und neuronal definieren. Wenn wir die biologischen Mechanismen verstehen, die Gefühlen und Empfindungen zugrunde liegen, heißt das keinesfalls, dass wir auf eine romantische Sicht ihrer Bedeutung für den Menschen verzichten müssen.“

Gehirn und Emotionen haben sich im Laufe der Evolution im Gleichschritt entwickelt: Je fortgeschrittener und komplizierter die Hirnentwicklung, umso vielfältiger und differenzierter wurden die Emotionen. Aber wie sind die neuronalen Prozesse beschaffen, dank derer wir Gefühle empfinden?

Der Neurologe Paul McLean [28] vertrat die These, das Gehirn habe sich im Laufe der Evolution in einem Dreischritt weiterentwickelt:

 Die älteste Schicht, das im Hirnstamm lokalisierte Reptiliengehirn, reagiert instinktiv. Es steuert automatisch unsere Lebensfunktionen wie Atmung, Herzschlag und Körpertemperatur.

 Darüber liegt das limbische System, das Zentrum der emotialen Verarbeitung. Es aktiviert unsere Gefühle.

 Den entwicklungsgeschichtlich jüngsten Teil bildet die Rinde des Gehirns (Neokortex). Sie umschließt den Hirnstamm und das limbische System und ist in zwei Hirnhälften geteilt. Hier sitzen unsere motorischen, sensorischen und geistigen Fähigkeiten.

Jetzt wissen wir, wo unsere Emotionen verarbeitet werden, oder? Vorsicht, denn „auf das Rätsel, das uns Gehirn und Geist aufgeben, lässt sich nicht eine einfache Antwort finden, sondern nur eine Vielzahl von Antworten, die in den unzähligen Teilelementen auf den vielen Strukturebenen des Nervensystems verschlüsselt sind.“ [29]

Dieses Dreistufenmodell mag für die Entstehungsgeschichte des Gehirns zutreffen; unbestritten ist auch Paul Mc Lean’s 1952 aufgestellte These, wonach das limbische System unsere Gefühle maßgeblich steuere. Aber die Annahme, im Gehirn gäbe es klar umrissene Regionen – wie auf einer Landkarte – die klar definierte Funktionen beherbergen, wäre zu einfach um wahr zu sein. So nahm der französische Philosoph René Descartes (1596 – 1650) [30] noch an, dass es irgendwo im Gehirn ein Zentrum geben müsse, das alle Informationen sammelt und ihre Interpretationen vereinheitlicht – sozusagen eine vernunftorientierte Schaltzentrale.

Heute gehen viele Hirnforscher [31] davon aus, dass unser Gehirn als distributiv organisiertes Netzwerk arbeitet. Alle Hirnregionen stehen also in ständiger Wechselwirkung miteinander.

In den letzten Jahrzehnten hat die Erforschung der Anatomie der Emotionen große Fortschritte erzielt und dies dank der Computerentwicklung. Denn jetzt vermochte die Hirnforschung neuronale Wechselwirkungen in der Großhirnrinde zu ordnen, Verarbeitungsprinzipien aufzudecken und Simulationsexperimente durchzuführen. So sagt der Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Wolf Singer [32] : „Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, daß ohne diese Rechenknechte der Versuch aussichtslos geblieben wäre, die neuronalen Grundlagen höherer Hirnleistungen aufzuklären.“

Heute beruht der Wissenstransfer auf Gegenseitigkeit, die Computerexperten lernen von den Hirnforschern und umgekehrt. Ohne Computertechnologie könnten wir nicht sehen, welche Hirnregionen aktiviert werden, wenn Versuchspersonen z. B. Sätze formulieren oder Angst empfinden.

Wir befinden uns gegenwärtig in der Dekade des Gehirns und das eigentliche Abenteuer beginnt gerade erst. Denn „verglichen mit der Physik sind wir in der Gehirnforschung erst beim Stand vor Galilei angelangt.“ [33]

Folgende Erkenntnisse über unser neuronales Gefühlssystem gelten heute als gesichert:

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