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Welche Schätze birgt dieses Buch?

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Wohin du auch gehst,

gehe mit deinem ganzen Herzen!

Konfuzius


„Auf die Herzensbildung kommt es an!“, sagte mein Vater, wenn er versuchte, einen Menschen einzuschätzen. Schmunzeln Sie? Ich tat es damals auch. Heute ist mein Schmunzeln gewichen, denn meine Lebenserfahrung hat mir gezeigt, wie Recht er hatte. Längst hüte ich diesen Satz in der Schatztruhe der Herzensbildung , aus der ich schöpfe, um meinen Sohn Jérôme zu erziehen. Die weiteren dort verborgenen Schätze habe ich Ihnen in diesem Schatzbuch der Herzensbildung zusammengetragen.

Mag sein, dass Ihnen das Wort Herzensbildung ein wenig antiquiert erscheint. Ich wählte es in dem Bewusstsein, dass Bildung mehr ist als nur eine Frage des Wissens und des Verstandes. Der Begriff Herzensbildung macht deutlich, dass die Wissensmenge nicht das ausschließliche Gütekriterium für einen gebildeten Menschen ist, sondern dass er darüber hinaus Schlüsselqualifikationen aus dem Reich des Herzens, der Emotionalität und der Menschenkenntnis braucht.

Der Titel meines Buches versteht sich auch als Homage an die philosophischen Vordenker und Reformpädagogen, die sich für eine Erziehung mit Kopf, Herz und Hand eingesetzt haben:

„Ein junger Mensch, der in einer glücklichen Einfalt erzogen wurde, wird zu zärtlichen und liebevollen Empfindun gen angeregt. Sein Herz wird durch die Leiden seiner Mitmenschen bewegt; er erschauert vor Freude, wenn er seinen Freund wiedersieht; er umarmt ihn gerührt und weint vor Bewegung. Er sch ämt sich, wenn er Mißfallen erregt, und bedauert, wenn er jemanden beleidigt hat. Wenn ihn sein heißes Blut aufbrausen und zornig werden lässt, erkennt man seine ganze Herzensgüte im Erguß seiner Reue. Seine Erregung erlischt, sein Stolz beugt sich vor dem Gefühl, gefehlt zu haben. Wurde er selbst beleidigt, so verzeiht er mitten in seiner Wut auf das erste Wort der Entschuldigung. Er verzeiht das Unrecht anderer ebenso herzlich, wie er sein eigenes wiedergutmacht.“

Eine solch reiche Herzensbildung – wie sie der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau in seinem 1762 erschienenen Erziehungsroman beschreibt – fällt nicht vom Himmel! Emotionale Fähigkeiten und Fertigkeiten sind nicht angeboren; sie entwickeln sich Schritt für Schritt im alltäglichen Miteinander von frühester Kindheit bis ins hohe Alter. Gefühle bilden die Gleise für den Zug des Lebens. Wenn sie in der Kindheit breit und stabil angelegt wurden, dann ist ein Entgleisen sehr unwahrscheinlich.

Die alte Forderung nach Herzensbildung hat an Aktualität nicht verloren; sie ist heute meines Erachtens wichtiger denn je. So forderte schon unser Ex-Bundespräsident Roman Herzog [1] in seiner viel zitierten Rede Gut und gütig : „Wir brauchen Menschen, deren Solidarität auch diejenigen umfasst, die für sie nicht nützlich werden können und deren Vernunft nicht nur von kalter Rationalität und Effizienzorientierung geprägt ist, sondern auch von einer raison de coeur, von Herzensbildung also.“

Auch der damalige Bundespräsident Johannes Rau fordert in seinem Buch Den ganzen Menschen bilden – wider dem Nützl ichkeits zwang (2004): „Denken und verstehen: Das hat zu tun mit dem ganzen Menschen, mit Leib und Seele, mit Herz und Verstand.“ (S. 16)

Mit meinem Schatzbuch möchte ich Ihnen, liebe Leser, viele Werkzeuge der Herzensbildung an die Hand geben, damit Kinder überall – im Elternhaus, im Kindergarten oder in der Schule – das erforderliche Kraftpaket zur ganzheitlichen Bewältigung ihrer Zukunft erhalten: die emotionale Intelligenz!

In Kapitel 1 finden Sie Fakten zur emotionalen S itua tion der Neuen Kindheit , an denen Sie deutlich erkennen werden, dass es höchste Zeit ist, die emotionale Entwicklung unserer Kinder stärker in den Blickpunkt von Bildung und Erziehung zu rücken. Eine Kindheit gerät jedoch nicht aus eigenem Verschulden in Schieflage, sie ist immer auch ein Spiegelbild der Erwachsenenwelt.

In Kapitel 2 erwartet Sie eine kleine Kultur- und Medizingeschichte . Um kein anderes Organ des Menschen rankten sich im Laufe der Jahrhunderte so viele Sitten, Mythen und Geschichten wie um das Herz. Damals war man sich noch sicher: Gefühle kommen von Herzen! Dieses Kapitel beantwortet u. a. auch die Fragen: Welche Rolle spielt das Herz in der traditionellen Medizin Indiens oder Chinas; welche bahnbrechenden Herz-Entdeckungen wurden in der europäischen Medizingeschichte gemacht?

Heute wissen wir dank der Hirnforschung: Emotionen entstehen im Gehirn . Im Kapitel 3 erfahren Sie, dass Gefühle nicht, wie lange Zeit vermutet, nur in einer Hirnregion – nämlich dem Limbischen System – entstehen, sondern auf einem Netzwerk an Funktionen beruhen, die wiederum unser Denken beeinflussen. Das Gehirn arbeitet nicht lokal sondern systemisch, Denken und Fühlen existieren nicht separat sondern vernetzt. Wie sich Gefühle auf Behalten und Lernen auswirken, darauf gehe ich am Ende des Kapitels ein.

In Kapitel 4 verdeutlicht der historische Exkurs Von der Herzensbildung zur emotionalen Intelligenz, dass viele Philosophen, Dichter, Reformpädagogen und Neurologen einer Meinung waren und sind: Zur intelligenten Lebensführung gehört die Wahrnehmung, Beherrschung und Handhabung der Gefühlswelt! Der amerikanische Psychologe Daniel Goleman [2] drückte dies sehr treffend aus: „Was nützt ein hoher IQ, wenn man ein emotionaler Trottel ist?“ Bei meinen Recherchen in der Vergangenheit der Herzensbildung ging ich der spannenden Frage nach dem Ursprung des Wortes und seinen ersten zeitgenössischen Literaturbelegen nach. Was Johann Wolfgang von Goethe noch zärtlich romantisierend Herzensbildung und Jean-Jacques Rousseau die Kunst der Menschenbildung nannte, bezeichnen wir heute als emotionale Intelligenz .

Wie wir sie im kindlichen Entwicklungsprozess Schritt für Schritt fördern können, damit beschäftigt sich das Kapitel 5 . Hier erhalten Sie Antworten auf wichtige Fragen: Was ist der Unterschied zwischen Gefühl und Emotion? Sind Gefühle angeboren oder anerzogen? Wie entwickelt sich das emotionale Gehirn? Welche Rolle spielen Erwachsene im emotionalen Reifungsprozess? Die untergeordneten Kapitel erläutern Ihnen die fünf Bausteine der emotionalen Intelligenz basierend auf der Theorie des Psychologen Daniel Goleman. Dieser umfangreichste Teil des Buches beschäftigt sich mit der Praxis, mit der konkreten Anwendung in Ihrem pädagogischen Alltag. Wie schon in meinem vorhergehenden Schatzbuch [3] habe ich zu jedem Baustein Spiele gesammelt und entwickelt. Für meine Spiele brauchen Sie weder Geld noch Materialien, und doch werden die Spiele wertvolle Spuren im emotionalen Gehirn des Kindes hinterlassen.

Wussten Sie schon, dass Lachforscher, genauer gesagt Geotologen, heute nachweisen können, was wir immer schon ahnten: Lachen tut gut! In Kapitel 6 erfahren Sie Interessantes über die älteste Form der Kommunikation, über den therapeutischen Humor und warum Lachen und Lernen ein Traumpaar sind.

Als Schlusswort und Ausblick gebe ich Ihnen in Kapitel 7 Nachdenkliches von Herzen mit auf den Weg.

Geschichten zum Staunen, Besinnen und Schmunzeln aus dem Reich der Gefühle erwarten Sie in Kapitel 8 . Diese kleine Schatztruhe der Herzensbildung möchte Ihnen Mut und Kraft geben, für den kleinen Wandel im großen Alltagstrott.

Wertvolle Adressen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz habe ich für Sie in Kapitel 9 zusammen getragen. Das Spektrum reicht vom Zentrum für das trauernde Kind bis hin zum Lachclub.

Jeweils am Ende eines Kapitels erhalten Sie konkrete Tipps für Ihren pädagogischen Alltag. In meinem Schatzbuch des ganzheitlichen Lernens (2003) nannte ich diesen Abschnitt Was Pädagogen wissen sollten , aber angesichts des Themas Herzensbildung, fand ich Was Pädagogen beherzigen sollten angemessener. Der Begriff beherzigen stammt aus dem 16. Jahrhundert und bedeutete ursprünglich „ermutigen“ und „in Rührung versetzen“. In diesem Sinne verstehe ich auch meine Ratschläge.

Kindergarten und Schule stehen heute unter einem hohen Erwartungsdruck: Sie sollen sowohl Fähigkeiten und Kenntnisse auf höchstem Niveau vermitteln als auch emotional-soziale Kompetenz. Viele Ausbildungsmeister vermissen bei Lehrlingen Initiative, Kooperationsfähigkeit, Selbstständigkeit, Durchhaltevermögen und Affektkontrolle. Der Ruf nach Wertevermittlung, nach emotional-sozialen Schlüsselqualifikationen ertönt immer lauter und findet seine lächerlichste Ausprägung in Benimm-Unterrichtsstunden! Hier wird die Vorstellung erweckt, man könne Werte wie einen Stoff vermitteln. Dabei wird übersehen, dass wir in jedem Augenblick unseres Daseins eine Einheit von Kopf, Herz und Hand sind. Jeder, der mit Kindern lebt und arbeitet, sollte sich bewusst werden, dass er ihren emotionalen Reifungsprozess nicht einfach ans Elternhaus, an den Kindergarten oder an die Schule delegieren kann. Wir alle stehen, ob zu Hause oder im Unterricht, einem ganzen Kind gegenüber und können nicht nur Teile von ihm bedienen und alle anderen Facetten seines Menschseins den Anderen überlassen. Ständig wechselnde Schuldzuweisungen helfen Kindern nicht weiter; vielmehr sollten sie erleben, dass wir alle uns überall und jederzeit für ihre ganzheitliche Entwicklung verantwortlich fühlen.

Wenn ich also im Buch von Pädagogen spreche, dann wende ich mich nicht nur an die etablierten Berufsgruppen wie Erzieherinnen und Lehrer sondern auch an Mütter, Väter, Großeltern und an alle, die den Reifungsprozess eines Kindes begleiten.

Auf die Frage eines Reporters „Ist das analytisch-kognitive Zeitalter am Ende?“ antwortete Daniel Goleman [4] : „Ganz und gar nicht. Wir müssen nur noch das Herz dazuaddieren.“ Wie wahr! So möchte ich in die lange Reihe der analytisch-kognitiven Fachbücher nunmehr eines zur Herzensbildung hinzufügen, nicht mehr und nicht weniger!

Das Schatzbuch der Herzensbildung - eBook

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