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a. Martin LutherLuther, Martin

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Für Martin LutherLuther, Martin ist Theologie als Erkenntnis Gottes und des MenschenTheologie die Erkenntnis Gottes und des Menschen. Dieses Verständnis von Theologie ist das Resultat seiner Auslegung der Bibel im akademischen Lehrbetrieb, zu der er durch die Übernahme der Wittenberger Professur im Jahre 1513 angehalten war. Seine Bibelauslegung stand im Kontext von Kloster und Universität. Sie führte ihn in den folgenden Jahren zu einem von der theologischen Lehrtradition abweichenden Verständnis des christlichen Glaubens. Glaube, so die Meinung des Wittenberger Reformators, ist die GerechtigkeitGerechtigkeitGottesGerechtigkeit Gottes. Diese ist keine göttliche Eigenschaft, sondern eine GabeGabe, die Gott dem Menschen umsonst gibt. Dadurch wird der Mensch vor Gott gerecht. Deshalb ist der Glaube bereits das Ganze des christlichen Heils im Gottesverhältnis. Außer und neben ihm bedarf [42]es keiner weiteren sakramentalen oder kultischen Handlungen. Sein neues Verständnis des Glaubens, der nun zu einem theologischen Zentralbegriff wird, ist Luther in seiner Auseinandersetzung mit dem BußsakramentBußsakrament der mittelalterlichen Theologie und Kirche erwachsen. Bereits in seiner ersten Vorlesung über die Psalmen, den Dictata super psalterium (1513–1515) rückt das Thema der BußeBuße in sein Blickfeld. Gegenüber den drei Bestandteilen des SakramentsSakrament, der Reue, dem BekenntnisBekenntnis und der Genugtuung (lateinisch: contritio, confessio und satisfactio), macht er geltend, die Buße erstrecke sich auf das gesamte Leben des Christen und keinesfalls lediglich auf den sakramentalen Akt. Sie ist Lebensbuße, wie es prägnant in der ersten der 95 Thesen über die Kraft des AblassAblasses heißt.

Die Bedeutung der BußeBuße für die Herausbildung des theologischen Denkens von LutherLuther, Martin wird deutlich, wenn man sein frühes Bußverständnis genauer in Betracht nimmt. In ihr entsteht bei dem einzelnen Menschen erst das Bewusstsein, dass er selbst ein Sünder vor Gott ist. Buße ist die SelbsterkenntnisSelbsterkenntnis des Menschen hinsichtlich seines eigenen Sünderseins. Darin gibt jedoch der Mensch Gott und seinem Urteil über ihn RechtRecht. Dem Urteil Gottes zufolge sind alle Menschen Sünder und Lügner (vgl. Ps 116,11; Röm 3,4). Der Mensch will dies jedoch nicht wahrhaben. Dadurch verschwindet gewissermaßen die Sünde. Der Einzelne belügt sich dadurch freilich selbst und – gravierender noch – widerspricht dem Urteil Gottes über ihn. Sündenerkenntnis hingegen und deren Bekenntnis entsprechen dem göttlichen Urteil. Der Mensch stimmt mit Gott überein, und darin ist er gerecht. Derjenige, der sich als ein Nichts vor Gott erkennt, vertraut nicht mehr auf sich selbst, sondern allein auf Gott und seine VerheißungVerheißung der SündenvergebungSündenvergebung. Die Übereinstimmung des Menschen mit Gott bildet den Kern von Luthers Verständnis des rechtfertigenden Glaubens. Er entdeckte es in seiner Auseinandersetzung mit dem mittelalterlichen Bußverständnis. In der weiteren Entwicklung seines Denkens zwischen 1513 und 1520 wurde das Verständnis der Buße zur Grundlage seines neuen Verständnisses des Glaubens.

Der Glaube ist das Ganze des christlichen HeilsGlaube ist das Ganze des christlichen Heils. Er beinhaltet die SelbsterkenntnisSelbsterkenntnis des Einzelnen hinsichtlich seines eigenen Sünderseins sowie das VertrauenVertrauen auf Gottes VerheißungVerheißung der SündenvergebungSündenvergebung. Zwischen den beiden Aspekten besteht eine *AntinomieAntinomie. LutherLuther, Martin hat sie in Anlehnung an 1Sam 2,6 stets so formu[43]liert: „Der Herr tötet und macht lebendig, er führt in die Hölle hinunter und wieder heraus.“ Sowohl die Erkenntnis des eigenen Sünderseins als auch das Vertrauen auf Gott führt Luther auf ein göttliches Handeln am Menschen zurück. Im *GesetzGesetz begegnet Gott dem Menschen als fordernder Anspruch. Es erheischt die bedingungslose LiebeLiebe zu Gott. Der Mensch vermag allerdings der Forderung des Gesetzes nicht zu entsprechen. In sein Handeln sind stets egoistische Motive eingelagert. Deshalb besteht die theologische Funktion des Gesetzes darin, den Abstand des Menschen zu Gott aufzudecken. Der unter der Forderung Gottes stehende Mensch erkennt sich auf diese Weise selbst als Sünder. Gott erscheint ihm unter und in dem Gesetz als unerbittlich fordernde Macht. Das *EvangeliumEvangelium hingegen bezieht sich auf eine doppelte Weise auf die Selbsterkenntnis des Menschen als Nichts vor Gott. Es bestätigt zunächst die WahrheitWahrheit dieser Erkenntnis. Alles Handeln des Menschen, auch das, welches der sittlichen Forderung äußerlich entspricht, ist durch selbstbezügliche Momente gebrochen. Zugleich verneint das Evangelium das mit dem Gesetz verbundene GottesbildGottesbild. Gott ist Liebe und keine unerbittlich fordernde Macht.

GesetzGesetz und EvangeliumEvangeliumGesetz und stehen in einer gedanklich unaufhebbaren Spannung. Sie löst sich nur im individuellen Vollzug des Glaubens auf. Das ist der Grundgedanke des Reformators. Glaube ist rechtfertigender GlaubeGlaube ist rechtfertigender Glaube (lateinisch: fides iustificans). Von ihm aus bildet LutherLuther, Martin die Theologie um und spitzt sie auf das individuelle Heil, den Glauben zu. Der GottesgedankeGottesgedanke wird von ihm auf die Entstehung des Glaubens bezogen. Gott ist allein im Glauben beim Menschen. Die AntinomieAntinomie von Gesetz und Evangelium muss folglich in das GottesbildGottesbild aufgenommen werden. Sie erscheint hier als Antinomie von Gottes fremdem und eigenem Werk. Gott offenbart sich stets unter dem Gegenteil verborgen. Er tötet, um lebendig zu machen. Entfaltet hat Luther diese Antinomie des göttlichen OffenbarungshandelnsOffenbarungshandeln in seiner theologia crucis (Theologie des Kreuzes).

Infobox

theologia crucis:

Die Theologie des Kreuzes stellt einen zentralen Bestandteil im Denken Martin LuthersLuther, Martin dar, der keineswegs auf dessen Frühwerk beschränkt ist. Ausgeführt hat er das Konzept vor allem in seinen frühen Vorlesungen, insbesondere der zweiten Vorlesung über die Psalmen (1518–1521). Die Forschungsliteratur erörtert die theologia crucis oft anhand der Thesenreihe, die der Wittenberger Theologe im Frühjahr 1518 in Heidelberg diskutierte (Heidelberger Disputation). In diesen Thesen stellt er die KreuzestheologieTheologieKreuzes- einer Theologie der HerrlichkeitHerrlichkeit entgegen und behauptet, wahre Theologie sei die des Kreuzes. Deren Bedeutung geht allerdings weit über die Probleme einer angemessenen theologischen Erkenntnis hinaus.

In dem Stichwort theologia crucis verschränkt LutherLuther, Martin sünden-, bußtheologische, soteriologische, christologische und theologische Motive zu einer Gesamtkonzeption. Sie beschreibt unter Aufnahme von biblischen Belegstellen (Ps 4,4; 1Kor 18,23; Jes 28,21 und Röm 5,4f.), die als systematische Platzhalter fungieren, die DialektikDialektik des göttlichen OffenbarungshandelnsOffenbarungshandeln. In die KreuzestheologieTheologieKreuzes- ist aufgenommen, dass Gott wundersam handelt. In seinem fremden Werk tötet er, um lebendig zu machen. Das innere Gefälle zwischen Gottes fremdem und seinem eigenen Werk, welches, da er stets unter dem Gegenteil verborgen handelt, nicht offen zu Tage liegt, bringt die theologia crucis ebenso zum Ausdruck wie eine mit dem Sündengedanken verbundene Dialektik von Sein und Schein.

Die theologia crucis fungiert ebenso als methodische Grundlage der ChristologieChristologieChristologie wie auch des Verständnisses der Kirche. Während der Reformator das ChristusbildChristusbild auf die Niedrigkeit des Kreuzes sowie die Anfechtungen Christi zuspitzt, ist die wahre KircheKirchewahre verborgen. Sie ist die Gemeinschaft der GlaubendenGemeinschaft der Glaubenden, die nur Gott kennt. Zwar ist die verborgene KircheKircheverborgene, unsichtbare auf die sichtbare bezogen, aber sie ist nicht mit der Institution identisch. Letztere verkündet [44]das Wort GottesWort Gottes. Das macht sie zur Kirche. Aus der äußeren VerkündigungVerkündigung folgt jedoch nicht unmittelbar der Glaube, die innere GewissheitGewissheit des Menschen.

Der Glaube als innere WahrheitWahrheitinnere des Menschen ist gebunden an das äußere WortWortäußeres der Bibel, deren gleichsam göttliche Dignität vorausgesetzt wird. Die grundlegende AutoritätAutorität und Norm in theologischen und religiösen Fragen ist für den Wittenberger Reformator die Heilige Schrift. Deren normative Funktion bahnt sich bereits in der ersten Psalmenvorlesung an, und sie verstärkt sich durch die Auseinandersetzung mit der römischen Kurie infolge des 1517/18 einsetzenden AblassstreitsAblassstreit. Die Bibel rückt jetzt in eine Prinzipienfunktion ein, die sowohl der Kirche als auch allen menschlichen Auslegern übergeordnet ist. Um eine solche Wahrheits- und Urteilsinstanz sein zu können, muss die Schrift in sich selbst klar und gewiss sein. Nur auf diese Weise kann sie als Appellationsinstanz und Richter in allen Streitfragen fungieren. So ist für LutherLuther, Martin zwar das GewissenGewissen des Menschen der Ort, an dem sich die innere WahrheitWahrheit durchsetzt, aber sie verdankt sich nicht dem Gewissen. Wahrheit kommt allein Gott und seiner Heiligen Schrift zu.

[45]Literatur

Ulrich BarthBarth, Ulrich: Die DialektikDialektik des Offenbarungsgedankens. LuthersLuther, Martin Theologia crucis, in: ders.: Aufgeklärter Protestantismus, Tübingen 2004, S. 97–123.

Christian Danz: Einführung in die Theologie Martin LuthersLuther, Martin, Darmstadt 2013.

Christian Danz (Hrsg.): Martin LutherLuther, Martin. Neue Wege der Forschung, Darmstadt 2015.

Dietrich Korsch: Martin LutherLuther, Martin zur Einführung, Tübingen 22007.

Bernhard Lohse:LuthersLuther, Martin Theologie in ihrer historischen Entwicklung und in ihrem systematischen Zusammenhang, Göttingen 1995.

Aufgaben

1 Informieren Sie sich über LuthersLuther, Martin Verständnis des rechtfertigenden Glaubens.

2 Lesen Sie den Aufsatz von Ulrich BarthBarth, Ulrich über LuthersLuther, Martintheologia crucis.

3 Lesen Sie LuthersLuther, Martin Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen, und skizzieren Sie deren Aufbau sowie die grundlegenden Thesen.

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