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1.3 Die Systematische Theologie im Kontext der Theologie

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Dem Wortsinn nach bedeutet TheologieTheologie Rede von Gott (von griechisch: theo-logia). So wurde der Begriff von der antiken Philosophie geprägt und vom frühen Christentum übernommen. Dabei hat man bis ins 12. Jahrhundert unter Theologie lediglich die Lehre von Gott in seinen drei Personen (Trinitätslehre) verstanden. Erst im Zusammenhang mit der Entstehung der Universitäten wurde der Begriff in einem weiteren Sinne aufgefasst, indem man nun die christliche Lehre – die doctrina sacra – Theologie nannte. Deren Aufgabe bestand in der Auslegung der Bibel als verbindliche Texte der christlichen ReligionReligionchristliche. Daneben bildete sich zwar bereits im Mittelalter die Praxis heraus, Zitate der KirchenväterKirchenväter zu sammeln und zu kommentieren, aber erst in der Neuzeit kam es zu einer Ausdifferenzierung der Theologie in verschiedene Teildisziplinen. Das erfolgte im Zusammenhang der sich entwickelnden gesellschaftlichen Differenzierung. In diesem Prozess wurden in dem akademischen Lehrbetrieb die einzelnen theologischen Fächer institutionalisiert, die auch noch heute an den Theologischen Fakultäten gelehrt werden.

[7]Im gegenwärtigen Lehrbetrieb der evangelischen Theologie haben sich insgesamt fünf Fächer mit unterschiedlichen methodischen Instrumentarien etabliert, die selbst wiederum diverse Unterdisziplinen umfassen. Man kann diese Fächer in historische und gegenwartsbezogene Disziplinen der Theologiehistorische und gegenwartsbezogene Disziplinen untergliedern. Die historischen Fächer sind Altes und Neues Testament sowie KirchengeschichteKirchengeschichte, und die gegenwartsorientierten sind Systematische Theologie sowie Praktische TheologieTheologiePraktische.

Infobox

Theologische Disziplinen:

A. historische Disziplinen B. gegenwartsbezogene Disziplinen
1. Altes Testament 1. Systematische Theologie
Einleitung ins Alte Testament Religionsgeschichte IsraelsIsrael Theologie des Alten Testaments Religionsphilosophie Dogmatik EthikEthik
2. Neues Testament 2. Praktische TheologieTheologiePraktische
Einleitung ins Neue Testament Religionsgeschichte des Frühjudentums Theologie des Neuen Testaments *HomiletikHomiletik *PoimenikPoimenik ReligionspädagogikReligionspädagogik
3. KirchengeschichteKirchengeschichte
SozialgeschichteSozialgeschichte der Kirchen DogmengeschichteDogmengeschichte TheologiegeschichteTheologiegeschichte

Die historische Disziplinen der Theologiehistorischen Disziplinen der Theologie erkunden die geschichtlichen Grundlagen der christlichen ReligionReligionchristliche, deren Entstehung und Entwicklung in unterschiedlichen religionskulturellen Kontexten, die sich ändernden Sozialstrukturen der christlichen Religionsfamilie, die unterschiedlichen Konzeptionen von Religion und Politik und anderes. Auf vielfältige Weise rekonstruieren diese Disziplinen die Wandlungen des Christentums in der Geschichte. Die GeschichtsforschungGeschichtswissenschaft, Geschichtsforschung möchte wissen, „wie es wirklich gewesen ist“ (Leopold von RankeRanke, Leopold von [1795–1886]). Im Unterschied hierzu sind die gegenwartsbezogene Disziplinen der Theologiegegenwartsbezogenen theologischen Fächer an normativen Fragen interessiert. Sie fragen nach dem wesentlich Christlichen vor dem Hintergrund der Geschichte des Christentums und der jeweiligen Gegenwart.

Seit der europäischen Aufklärung sind die historischen und gegenwartsorientierten Disziplinen der Theologie in einen Gegensatz getreten. Die Etablierung der historisch-kritischen Methodehistorisch-kritische Methode in der protestantischen TheologieTheologieevangelische, protestantische im letzten Drittel des 18. Jahr[8]hunderts befreite die Auslegung der biblischen Schriften von den Vorgaben der DogmatikDogmatik. Die Bibel kam dadurch als ein rein religionsgeschichtliches Dokument in den Blick. Zu deren Verständnis bedarf es der Kenntnis der Sprachen, in der sie verfasst wurde, sowie eines religionskulturellen Wissens über die Religionen des alten Orients, ihrer Transformation im Zeitalter des *Hellenismus etc. Mit der Einordnung der Bibel in die Geschichte wird deren normative Geltung aufgelöst. Die biblischen Schriften sind ebensolche religionsgeschichtlichen Dokumente wie der KoranKoran oder die heiligen Texte der indischen ReligionReligionindischeen. Die Frage nach dem Wesen des ChristentumsWesen des Christentums, nach dem in unserer Zeit Verbindlichen lässt sich vor diesem Hintergrund nicht mehr mit einem Verweis auf die Bibel beantworten. Es besteht eine Differenz von Geschichte und NormativitätNormativität, von Genesis und Geltung.

Allerdings fällt der Unterschied zwischen den historischen und den gegenwartsorientierten Disziplinen der Theologie nicht einfach mit dem zwischen Geschichte und Geltung zusammen. Jedes Bild der Geschichte ist eine gegenwartsbezogene Konstruktion. Der Historiker konstruiert seine Sicht der Vergangenheit stets im Ausgang von seiner eigenen Gegenwart. Deshalb fließen in jedes Geschichtsbild Interessen, Überzeugungen und Normen ein, die nicht der Vergangenheit entnommen sind und die ihr Gemälde erst zu einem sinnvollen Zusammenhang formen. Die Konstruktion der Geschichte erfolgt selbst schon in einem gegenwartsbezogenen Interesse. Sodann entstehen alle Normen und Überzeugungen in der Geschichte. Wer heute über die Identität des Christlichen nachdenkt, der nimmt Denkweisen, Begriffe und Modelle in Anspruch, die selbst geschichtlich geworden sind. Schon die Sprache, in der das wesentlich Christliche formuliert wird, verdankt sich einer bereits vorgegebenen Kultur. Die Spannung zwischen Historie und Geltung lässt sich folglich nicht einfach auf die historischen und gegenwartsbezogenen Disziplinen der Theologie verteilen. Sie tritt in jeder von ihnen selbst noch einmal auf.

Der angedeutete der methodische Zirkel des Verstehensmethodische ZirkelZirkel des Verstehens – jedes Bild der Vergangenheit ist eine gegenwartsbezogene Konstruktion, und zugleich ist diese selbst das Resultat der Geschichte – wird in der Systematischen Theologie zum Thema der theologischen Reflexion. Ihre Voraussetzung ist die Geschichte der Theologie, [9]wie sie von historischen Disziplinen bearbeitet wird. Das Interesse an der Geschichte ist freilich kein rein historisches. Vielmehr geht es der Systematischen Theologie um eine Bestimmung der Identität des Christentums auf der Grundlage von dessen geschichtlicher Entwicklung und in Auseinandersetzung mit ihrer jeweiligen Gegenwart. Diese Aufgabe kann sie allein in Zusammenarbeit mit den anderen theologischen Disziplinen sowie im Gespräch mit nichttheologischen Fächern erfüllen.

Literatur

Ingolf U. Dalferth: Evangelische TheologieTheologieevangelische, protestantische als Interpretationspraxis. Eine systematische Orientierung, Leipzig 2004.

Hermann Deuser: Kleine Einführung in die Systematische Theologie, Stuttgart 1999, S. 177–184.

Wilfried Härle: Dogmatik, Berlin/New York 22000, S. 3–45.

Wolfhart Pannenberg: Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt a.M. 1987.

Friedrich SchleiermacherSchleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen (1811/1831), hrsg. v. Dirk Schmid, Berlin/New York 2012.

Konrad Stock: Die Theorie der christlichen Gewißheit. Eine enzyklopädische Orientierung, Tübingen 2005.

Aufgaben

1 Informieren Sie sich anhand der Kleine[n] Einführung in die Systematische Theologie von Hermann Deuser über die Gliederung der Theologie und die Aufgabe einer theologischen Enzyklopädie.

2 Lesen Sie den Abschnitt aus Wilfried Härles Dogmatik über die TheologieTheologie als Wissenschaft.

3 Schreiben Sie einen Essay zur Stellung der Systematischen Theologie im Kontext der Theologie.

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