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1.4.2 DogmatikDogmatik

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Neben der Religionsphilosophie bildet die DogmatikDogmatik einen konstitutiven Bestandteil im Fächerkanon der Systematischen Theologie. Dogmatik nennt man die Darstellung der LehreDarstellung der Lehre einer der christlichen Konfessionen. In diesem Sinne hat sich der Begriff erst im 17. Jahrhundert zur Bezeichnung der Disziplin herausgebildet. Die klassische Schuldogmatik des Protestantismus versteht sich als eine zusammenfassende Darstellung der Bibel. Hieraus resultiert ihr sogenannter heilsgeschichtlicher Aufriss. In ihrer inhaltlichen Erörterung der Lehre setzt sie mit dem Gottesgedanken ein, erläutert die SchöpfungSchöpfung von Welt und Mensch, den AbfallAbfall des Menschen von Gott, um sodann mit den Lehren von Christus und der VersöhnungVersöhnung, Versöhnungswerk den Weg der Rückkehr des Menschen zu Gott zu beschreiben. Hieran schließen sich die Themen der Kirche und schließlich der Lehre von den letzten Dingen, der Eschatologie, an. Auf diese Weise bietet die Dogmatik eine [15]lehrhafte Zusammenfassung der Bibel, an deren Aufbau sie sich anlehnt. Den inhaltlichen Ausführungen der Dogmatik werden sogenannte ProlegomenaProlegomena (von griechisch: prolégein, vorher sagen, Vorwort) vorangestellt, welche die Erkenntnisquellen der theologischen Wissenschaft erörtert. Im Bereich des Protestantismus ist das vor allem die Lehre von der Heiligen Schrift. Sie stellt für die protestantische TheologieTheologieevangelische, protestantische die einzige EntscheidungsinstanzEntscheidungsinstanz in theologischen und religiösen Fragen dar. Infolge der Krise des SchriftprinzipsSchriftprinzipKrise des Sch.s seit der europäischen Aufklärung trat im 19. Jahrhundert an dessen Stelle der ReligionsbegriffReligionsbegriff. In den Prolegomena der Dogmatik wurde nun eine Religionsphilosophie traktiert. Ausgehend vom Begriff der Religion ordnet man das Christentum in die Religionsgeschichte ein und verstand es als Realisierung beziehungsweise höchstmögliche FormForm (Philosophie) der Religion. Damit war die Grundlage für die Entfaltung der materialen Dogmatik gegeben. In neuerer Zeit wird diskutiert, eine evangelische FundamentaltheologieFundamentaltheologie auszuarbeiten. Da diese nicht wie im römisch-katholischen Verständnis als Begründung der Vernünftigkeit der Kirchenlehre aufgefasst werden kann, wird sie zumeist als Einleitung in die Dogmatik konzipiert. Allerdings ist aufgrund der Zir[16]kelstrukturZirkelstruktur der geisteswissenschaftlichen Arbeit eine solche Einleitung selbst schon Dogmatik.

Die DogmatikDogmatik erörtert die theologische Lehre einer christlichen KonfessionKonfession in ihrem systematischen Zusammenhang. Man hat deshalb vorgeschlagen, ihren Gegenstand als DogmaDogmaDogma zu bezeichnen. Sie wäre dann eine Wissenschaft vom Dogma im Sinne von verbindlichen Lehrmeinungen. Dadurch wird der normative Charakter der Dogmatik hervorgehoben und unterstrichen.

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DogmaDogma:

Der Begriff DogmaDogma (griechisch: dokein, was jemand meint) stammt aus der antiken Philosophie und bezeichnet eine verbindliche Lehrmeinung beziehungsweise eine feststehende Aussage. In der Alten KircheKircheAlte wurde der Begriff zur Bezeichnung der wahren kirchlichen Lehre übernommen. Das wahre Dogma ist nun die christliche Lehre. Von ihr gilt, wie es Vinzenz von LerinumVinzenz von Lerinum (gest. zwischen 434 und 450) formulierte, „was überall, immer und von allen geglaubt worden ist“. Erst in der Neuzeit kommt es in der römisch-katholischen KircheKirchekatholische, Katholizismus zu einem Verständnis des Dogmas als verbindlichem, von Gott geoffenbarten Lehrinhalt (Erstes Vatikanisches KonzilKonzil, Erstes Vatikanisches1869–1870). In einem solchen Sinne – als von der Kirche formulierte autoritative Lehre – kann das Dogma im Protestantismus nicht verstanden werden.

Allerdings ist ein Verständnis der DogmatikDogmatik als Wissenschaft von den Dogmen nicht unproblematisch. In den protestantischen Kirchen gibt es im Unterschied zur römisch-katholischen KircheKirchekatholische, Katholizismus keine Instanz, welche ein DogmaDogma festlegen könnte. Zudem würde der Begriff des Dogmas als verbindlicher GlaubensinhaltGlaubensinhalt, der von dem Einzelnen zu glauben ist, dem protestantischen Verständnis des Glaubens widersprechen. Neben dem Dogma wurden deshalb Gott, die Offenbarung Gottes, das christlich-religiöse Bewusstsein und der christliche Glaube als Gegenstand der Dogmatik vorgeschlagen. Je nach dem, was man als Thema der Dogmatik ansetzt, ergeben sich unterschiedliche Konzeptionen.

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Konzeptionen der DogmatikDogmatik:

altprotestantische TheologieTheologiealtprotestantische: DogmatikDogmatik als zusammenfassende Darstellung der geoffenbarten WahrheitWahrheitgeoffenbarte der Bibel
GlaubenslehreGlaubenslehre: DogmatikDogmatik als systematische Entfaltung des christlich-religiösen Bewusstseins (Friedrich SchleiermacherSchleiermacher, Friedrich Daniel Ernst [1768–1834])
spekulative TheologieTheologiespekulative: DogmatikDogmatik als logische Explikation des trinitarischen Gottesgedankens (Falk WagnerWagner, Falk [1939–1998])
OffenbarungstheologieTheologieOffenbarungs-: DogmatikDogmatik als Darstellung des Ereignisses der Offenbarung Gottes (Karl BarthBarth, Karl [1886–1968])
ErfahrungstheologieTheologieErfahrungs-: DogmatikDogmatik als Entfaltung des christlichen Wirklichkeitsverständnisses (Eilert HermsHerms, Eilert [geb. 1940], Wilfried HärleHärle, Wilfried [geb. 1941], Christoph SchwöbelSchwöbel, Christoph [geb. 1955])
analytische Formen: DogmatikDogmatik als Analyse der Sprachspiele der christlichen Rede

Nun kann Gott aufgrund seiner TranszendenzTranszendenz nicht zum Gegenstand einer Wissenschaft werden. Für die DogmatikDogmatik bleibt dann nur das Gottesverhältnis des Menschen als Themenfeld übrig. Es lässt sich auf unterschiedliche Weise thematisieren. Im 19. Jahrhundert avancierte das religiöse Bewusstsein und damit die Religion zur methodischen Grundlage der Dogmatik. Der Got[17]tesbegriff scheint auf diese Weise in eine Abhängigkeit vom Menschen zu geraten. Die theologische Entwicklung im 20. Jahrhundert hat deshalb im Interesse an der Unabhängigkeit Gottes einer solchen Konzeption der Dogmatik energisch widersprochen und die Offenbarung Gottes als Gegenstand der Theologie angesetzt. Die Alternative Religion oder Gottes Offenbarung als Ausgangspunkt und Thema der Dogmatik, welche die Debatten im 20. Jahrhundert beherrschte, ist jedoch abstrakt. Sie verkennt wesentliche Motive der Neubeschreibung der Religion als Offenbarung Gottes. Auch hier geht es um eine angemessene Fassung der Religion. Sie wird lediglich nicht mehr als anthropologische Anlage gefasst. Weiterführender ist es, die Alternative von Religion oder Offenbarung hinter sich zu lassen und die Dogmatik als Darstellung des GlaubensaktesDogmatik als eine SelbstdarstellungSelbstdarstellung des Glaubensaktes zu verstehen. Ihr Gegenstand ist die als Glaube weiterbestimmte Religion. Mit dem personalen GlaubensaktGlaubensakt und seiner reflexiven Struktur expliziert die Dogmatik das Wesen des ChristentumsWesen des Christentums.

Der Glaube ist ein menschlicher Akt, der in einer Kultur vollzogen wird, aber aus dieser nicht ableitbar ist. Die symbolischen Formen, in denen sich der Glaube darstellt und beschreibt, sind kulturell vermittelt und somit geschichtlich bestimmt. Christlich-religiöse Kommunikation steht wie jede andere in der Spannung von geschichtlicher Abhängigkeit und Transformation. Jegliches Verstehen ist abhängig von einem Standpunkt und seinen Voraussetzungen. Diesen methodologischen ZirkelZirkelmethodologischer expliziert die DogmatikDogmatik, indem sie den GlaubensvollzugGlaubensvollzug beziehungsweise das Wesen des ChristentumsWesen des Christentums darstellt. Das wesentlich Christliche ist nämlich nicht etwas, was bereits vorliegt und gewissermaßen an eine veränderte Zeit angepasst werden müsste. Es ist vielmehr eine SelbstbeschreibungSelbstbeschreibung, die es auch nur als eine solche gibt. Das Christentum und der christliche Glaube existieren allein in dem Vollzug ihrer SelbstdarstellungSelbstdarstellung und Kommunikation, nämlich als solche Weisen eines menschlichen Selbstverständnisses, die sich als christlich beschreiben. Wenn sich die christliche Kommunikation stets in der Spannung von geschichtlicher Einbindung der symbolischen Formen sowie deren Umformung vollzieht, dann stellt sich die Frage nach deren Grenzen. Wo hört eine religiöse Selbstdarstellung auf, christlich zu sein? Es ist die Aufgabe der theologischen Dogmatik, derartige Grenzreflexionen der christlichen Kommunikation zu reflektieren. Darin stellt sie die Iden[18]tität des Christlichen in der Spannung von Geschichte und eigener Gegenwart dar.

Literatur

Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen KircheKirchelutherische, Göttingen 91982 (= BSLK).

Christian Danz: Einführung in die evangelische DogmatikDogmatik, Darmstadt 2010.

Eilert HermsHerms, Eilert: Art.: DogmatikDogmatik, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 2, Tübingen 1999, Sp. 899–915.

Eilert HermsHerms, Eilert: Systematische Theologie. Das Wesen des Christentums: In Wahrheit und aus Gnade leben, Tübingen 2016.

Hermann Fischer: Systematische Theologie. Konzeptionen und Probleme im 20. Jahrhundert, Stuttgart/Berlin/Köln 1992.

Konrad Stock: Einleitung in die Systematische Theologie, Berlin/New York 2011, S. 55–61.

Henning Theißen: Einführung in die DogmatikDogmatik. Eine kleine Fundamentaltheologie, Leipzig 2015.

Aufgaben

1 Informieren Sie sich anhand einer Geschichte der protestantischen TheologieTheologieevangelische, protestantische über die Kontroversen zum ReligionsbegriffReligionsbegriff als methodische Grundlage der DogmatikDogmatik.

2 Informieren Sie sich über den Begriff sowie die Geschichte des Dogmas.

3 Nehmen Sie Stellung zu der Frage, warum das DogmaDogma nicht Gegenstand einer protestantischen DogmatikDogmatik sein kann.

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