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Reisen in die Alpen
ОглавлениеDie Entdeckung der Alpen durch Naturforscher und Künstler lenkte auch den Blick von Reisenden aus dem Ausland auf die Alpenregion. Ab 1770 entwickelte sich ein noch bescheidener Fremdenverkehr in der Gegend des französischen Orts Chamonix-Mont-Blanc, welcher von Genf aus aufgesucht wurde.14 In der Folge wurden auch das Berner Oberland und das Wallis Ziel von ausländischen, anfangs vor allem englischen Gästen. Vorerst erschwerten allerdings unterschiedliche kantonale Währungen und schlechte Verkehrswege das Reisen. Die Schweiz begann erst um 1850, später als das Ausland, mit dem Bau von Eisenbahnlinien.15 Leistungen von Alpinisten machten die Alpen weiter bekannt.16 1787 hatte der Genfer Horace-Bénédict de Saussure (1740–1799) den Montblanc bestiegen, den höchsten Berg der Alpen, und seine Erfahrungen im vierten Band seines Buches Voyages dans les Alpes, das lange Zeit als Standardwerk für Reisende und Naturforscher galt, veröffentlicht.17 Das goldene Zeitalter des Alpinismus begann in den späten 1850er-Jahren, als der Alpinismus Ausdruck des Wohlstands und des Wunsches wurde, der Klaustrophobie der Städte zu entfliehen.18 Berichte von Pionieren wie Edward Whymper, der 1865 als Erster das Matterhorn bestieg, trugen zur Popularisierung der Alpen bei, später auch die Repräsentation der Berge in der Fotografie.19 Daneben machten die erfolgreichen Reisehandbücher des Londoner Verlegers John Murray den englischen Touristen das Reisen in die Schweiz schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schmackhaft. Murrays Handbücher waren auch Vorbild für den vielfach aufgelegten Schweiz-Führer des Koblenzer Buchhändlers Karl Baedeker, der 1844 erstmals veröffentlicht wurde.20
Einen weiteren Aufschwung erlebte der Tourismus im Zeitalter der Lokomotiven und Dampfschiffe durch den Reiseunternehmer Thomas Cook. Ab 1863 bot er Pauschalreisen von England in die Schweiz an. Und 1868 schliesslich besuchte auch Queen Victoria zum ersten Mal die Alpen.21 In den 1860er-Jahren, in denen die Theorie des kurierenden Höhenklimas in der Schweiz bekannt wurde, waren die Alpen also bereits ein beliebtes Reiseziel. Graubünden als Ausgangspunkt der Theorie war allerdings zu dieser Zeit – abgesehen vom Engadin – touristisch noch kaum erschlossen.22 Davos und Arosa, aber auch Leysin oder Montana wurden in der Folge auch nicht aufgrund des Tourismus, sondern wegen der Tuberkulose zu bekannten Ortschaften.23 Umgekehrt entwickelten sich die schon früh von Touristen besuchten Ortschaften wie Grindelwald oder Zermatt nicht zu Zentren der Tuberkulosebehandlung.24 Die Einwohnerzahl von Davos stieg von 2000 im Jahr 1870 auf über 8000 im Jahr 1900. Kein Ort in den Alpen mit über 5000 Einwohnern im Jahr 1900 wies ein derart rasantes Wachstum auf.25 Der Höhenkurort entwickelte sich erfolgreich, obwohl die internationale Krise zwischen 1870 und 1890 den Fremdenverkehr in der Schweiz insgesamt hart traf.26 Dabei war es für die Touristen lange kein Thema, die Alpen im Winter zu besuchen, und die ersten Wintergäste im Jahr 1865 waren denn auch Lungenkranke, die in der kalten Jahreszeit in Davos und St. Moritz verblieben.27 In Lungenkurorten wie Davos oder Arosa war es der Zustrom der tuberkulosekranken Gäste, welcher die Nachfrage nach Wintersport entstehen liess.28 So erkannte der lungenkranke Kulturhistoriker John Addington Symonds (1840–1893), welcher 1877 nach Davos gekommen war, im einfachen Schlitten der Davoser ein zweckmässiges Sportgerät.29