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a) Voraussetzungen der aufschiebenden Wirkung, insbesondere aufschiebende Wirkung bei feststellenden Beschlüssen

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Gemäß § 96 Abs. 4 S. 2 SGB V hängt der Eintritt der aufschiebenden Wirkung lediglich davon ab, dass der Berufungsausschuss angerufen wird. Daher hat grundsätzlich auch ein unzulässiger und unbegründeter Widerspruch aufschiebende Wirkung.[544] Ist der Rechtsbehelf allerdings offensichtlich unzulässig, tritt die aufschiebende Wirkung nicht ein.[545] Dies ist z.B. der Fall, wenn eine Rechtsverletzung schlechthin ausgeschlossen ist oder nicht mehr geltend gemacht werden kann,[546] bei Rechtsbehelfen eines Dritten, in dessen Rechte unter keinen Umständen eingegriffen worden sein kann[547] oder bei offensichtlicher Verfristung des Rechtsbehelfs und Aussichtslosigkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.[548] Ergibt sich das Fehlen der Drittanfechtungsbefugnis klar aus der Rechtsprechung des BSG, liegt ebenfalls ein Fall offensichtlicher Unzulässigkeit vor. War die entscheidungsrelevante Sachverhaltskonstellation noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung und kann man ernstlich über das Vorliegen der Anfechtungsberechtigung streiten, scheidet die Annahme offensichtlicher Unzulässigkeit aus.[549]

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Gesetzliche Voraussetzung der aufschiebenden Wirkung ist die Regelungs-, Gestaltungs- oder Feststellungswirkung des Beschlusses (vgl. § 86a Abs. 1 SGG). Für feststellende Verwaltungsakte[550] ist die Rechtslage umstritten. Feststellende Verwaltungsakte sind Verwaltungsakte, durch die die materielle Rechtslage und etwa daraus folgende Ansprüche oder Eigenschaften, insbesondere der Status von Personen (statusgestaltender Verwaltungsakt), verbindlich festgestellt werden oder mit denen eine insoweit beantragte Feststellung abgelehnt wird.[551] Sie sichern gesetzlich begründete Rechtsverhältnisse mit den Rechtswirkungen des Verwaltungsakts ab.[552] Im Vertragsarztrecht zählen hierzu insbesondere Beschlüsse gemäß § 28 Abs. 1 S. 3 Ärzte-ZV, sofern keine Fristverkürzung gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV beantragt wurde.[553] Anwendungsfälle sind bspw. das Zulassungsende durch Tod, Ablauf des Befristungszeitraums oder Wegzug aus dem Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung (§ 95 Abs. 7 SGB V), die Beendigung der belegärztlichen Tätigkeit i.S.d. § 103 Abs. 7 S. 3 Hs. 1 SGB V und das Ende einer Berufsausübungsgemeinschaft aufgrund der Aufgabe des Willens zur gemeinsamen Berufsausübung.[554]

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Die h.M. unterscheidet konstitutive und deklaratorische feststellende Verwaltungsakte.[555] Bei konstitutiven feststellenden Verwaltungsakten dürfen die Zulassungsgremien, die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen wegen der aufschiebenden Wirkung keine Konsequenzen aus der Feststellung ziehen.[556] Verwaltungsakte, die eine durch Gesetz eintretende Rechtsfolge lediglich deklaratorisch feststellen, sollen demgegenüber keine aufschiebende Wirkung entfalten.[557] Die nach § 28 Abs. 1 S. 3 Ärzte-ZV zu treffenden Beschlüsse sollen zu den deklaratorischen Verwaltungsakten gehören, da die Zulassung in allen Fällen kraft Gesetzes endet, ohne dass es einer Entscheidung der Zulassungsgremien bedürfe.[558] Die Feststellung erfolge ausschließlich zu dem Zweck, Rechtssicherheit herzustellen und für alle an der vertragsärztlichen Versorgung Beteiligten Klarheit darüber zu schaffen, ob ein Arzt noch berechtigt ist, als Vertragsarzt tätig zu werden oder ob dies nicht der Fall ist.[559] Der betroffene Arzt sei trotz des Widerspruches nach Maßgabe der materiellen Rechtslage zu behandeln, da der Widerspruch gegen den deklaratorisch feststellenden Beschluss die kraft Gesetzes eintretende Rechtslage nicht verbessern könne.[560] Endet die Zulassung kraft Gesetzes, muss der betroffene Arzt daher nach h.M. seine Tätigkeit mit Eintritt des Beendigungsgrundes einstellen.[561]

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Weder die Begründung noch die Ergebnisse der h.M. überzeugen vollständig. § 86a Abs. 1 S. 2 SGG wäre sinnlos, würde man einem gegen einen feststellenden Verwaltungsakt eingelegten Rechtsbehelf den Suspensiveffekt versagen. Das ist aber das Ergebnis der h.M., da dem Betroffenen mit einem Suspensiveffekt nicht geholfen ist, der ihn dazu zwingt, die umstrittene Rechtslage bereits zu befolgen.[562] Der Suspensiveffekt bezieht sich bei deklaratorischen Feststellungsbeschlüssen nicht auf die materielle Rechtslage, die kraft Gesetzes eintritt (z.B. das Bestehen oder Nichtbestehen einer Vertragsarztzulassung), sondern auf die verfahrensrechtliche Frage, ob diese Änderung der materiellen Rechtslage im Verhältnis des betroffenen Arztes zu den weiteren Beteiligten im GKV-System bereits vollzogen werden darf.[563] Die Wirkung des feststellenden Verwaltungsakts besteht v. a. in der für die Beteiligten verbindlichen, formell und materiell bestandskräftigen Regelung einer Statusfrage.[564] Die Bestimmung des gesetzlichen Status bedarf einer Subsumption, die im Einzelfall schwierig sein kann. Der Regelungswille der Zulassungsgremien geht dahin, die Rechtsfolge „Zulassungsende“ für jeden Fall, d.h. für den Fall der zutreffenden wie für den Fall der unzutreffenden Subsumption, als maßgebliche Grundlage der weiteren Beziehungen zum betroffenen Arzt gelten zu lassen und so das Rechtsverhältnis für die Zukunft zu stabilisieren. Hierin liegt das Regelungselement feststellender Beschlüsse.[565] Gegen diesen Stabilisierungseffekt richtet sich der Suspensiveffekt.[566] Der gegen einen Beschluss nach § 28 Abs. 1 S. 3 Ärzte-ZV eingelegte Widerspruch hat somit – bei dieser Sichtweise – ex tunc aufschiebende Wirkung und führt dazu, dass der Widerspruchsführer grundsätzlich so zu behandeln ist, als bestünde sein Status fort.

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Diese Sichtweise hat gegenüber der h. M. praktische und wertungsmäßige Vorteile. In den i.d.R. einfachen Fällen des Ablaufs des Befristungszeitraums kann dem Widerspruch die aufschiebende Wirkung regelmäßig bereits versagt werden, weil das Zulassungsende evident und der Rechtsbehelf damit offensichtlich aussichtslos und unzulässig ist.[567] Lässt sich dies nicht bejahen, dürfte bei entsprechender Sach- und Rechtslage oft die Anordnung der sofortigen Vollziehung[568] möglich sein. Das Risiko einer unklaren Rechtslage tragen so die Zulassungsgremien. In den potentiell „schwierigen“ Fällen, bei denen eine eingehende Subsumption erforderlich ist, bspw. bei der Frage des Endes einer Belegarztzulassung (§ 103 Abs. 7 SGB V),[569] hat die Annahme eines regulären Suspensiveffekts existenzsichernde Bedeutung. Solange unklar und im Widerspruchs- und Klageverfahren umstritten ist, ob die Zulassung von Gesetzes wegen geendet hat, kann der Arzt die aus seinem Status folgenden Rechte weiter wahrnehmen, muss also bspw. nicht aus einer Berufsausübungsgemeinschaft prophylaktisch ausscheiden (was die zwangsläufige Konsequenz der h.M. wäre).

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