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b) Outsourcing/Werkvertragsunternehmer

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Die Beschäftigungsformen an der Grenze zu einer vermeintlichen Scheinselbstständigkeit erfassen darüber hinaus auch zahlreiche Fälle, in denen der Auftragnehmer als juristische Person einen Werk- oder Dienstvertrag mit dem Auftraggeber-Unternehmen abschließt und zur Erfüllung dieser vertraglichen Verbindlichkeiten eigene Mitarbeiter einsetzt, die dann beim Auftraggeber-Unternehmen tätig werden.

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In Deutschland belief sich die Anzahl von Selbstständigen mit eigenen Beschäftigten zuletzt auf etwa 1,75 Mio. Personen bzw. Unternehmen. Im Gegensatz zum Fall der Solo-Selbstständigen bestehen allerdings keine verlässlichen empirischen Werte zu den Entwicklungen in den letzten Jahren. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages hatte einen entsprechenden Antrag zur statistischen Erhebung von Leiharbeit und Werkverträgen im Jahr 2013 abgelehnt.[8] Aktuellen Branchenschätzungen zufolge sollen aber beispielsweise allein in der Metall- und Elektroindustrie bereits fast ein Drittel aller Mitarbeiter, d.h. insgesamt über eine Million Beschäftigte, als Externe über Werk- und Zeitarbeitsverträge tätig sein.[9]

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Vor diesem Hintergrund weisen vor allem gewerkschaftsnahe Kreise auf eine Entwicklung hin, wonach seit einigen Jahren, spätestens im Zuge der „Regulierung der Leiharbeit“ vor allem durch die Rechtsprechung des BAG,[10] dieses frühere zur Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen eingesetzte Gestaltungsmittel zunehmend durch „neue Werkverträge“ ersetzt wird. Im Gegensatz zu dem bekannten Vorgehen, bei dem Auftraggeber von einem Werkunternehmer lediglich Produkte und Leistungen einkaufen, die nur gelegentlich benötigt werden und deren Erstellung nicht zum Kernkompetenzbereich des Unternehmens zählen, zeichnen sich diese „neuen Werkverträge“ vor allem durch drei Merkmale aus:

1. die Werkverträge werden zunehmend auf Dauer und nicht nur gelegentlich geschlossen,
2. es werden Werke, Produkte oder Leistungen eingekauft, die bisher zum Kernbereich der eigenen Produktion gehörten und durch eigene Arbeitnehmer verrichtet wurden,
3. die Produkte oder Leistungen werden von den beauftragten Fremdunternehmen auf dem Betriebsgelände und an Arbeitsplätzen und Maschinen des beauftragenden Unternehmens erstellt (sog. „Onsite-Werkverträge“). Alle drei Merkmale machen diese Form „neuer Werkverträge“ in compliance-relevanter Hinsicht höchst brisant.[11]

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Unabhängig davon wird aber übereinstimmend davon ausgegangen, dass es neben derartigen – zum Teil auch politisch zu missbilligenden – Konstellationen eine weit überwiegende Anzahl eines „alten Typus“ politisch völlig unverdächtiger Werkunternehmer gibt, die branchenübergreifend einer Vielzahl von Auftraggebern hochspezialisierte Leistungen anbieten, die nicht zu deren jeweiligen Kernkompetenzfeld gehören. Beispiele hierfür sind die Erstellung der zahlreichen abgrenzbaren Gewerke beim Bau von Gebäuden oder Industrieanlagen oder die Entwicklung bestimmter IT-Produkte, hochspezialisierter Test- oder Fertigungsverfahren oder sonstiger Bauteile. Derartige Spezialisierungen innerhalb von Produktionsprozessen waren zu jeder Zeit unabdingbare Voraussetzung einer arbeitsteiligen Marktwirtschaft. In compliance-relevanter Hinsicht sind diese Fälle deshalb auch in aller Regel zu vernachlässigen.[12]

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Schwierige Abgrenzungsfragen stellen sich in compliance-relevanter Hinsicht aber vor allem zwischen diesen beiden Polen „neuer“ Onsite-Werkverträge und „alter“ Werkverträge über hochspezialisierte Leistungen. Diese entstehen etwa dann, wenn sich ein Auftraggeber in seinem Kernkompetenzfeld z.B. auch bei der Erstellung von Gewerken (Bauunternehmer etc.) für Dritte (Bauherr etc.) seinerseits externer Werkunternehmer (Subunternehmer etc.) bedient, deren Arbeitnehmer dann zusammen mit jenen des Auftraggebers im Rahmen von Projektarbeiten gegenüber Dritten tätig werden. Darüber hinaus ist in der Praxis seit einiger Zeit aber auch ein Prozess eines sog. Outsourcing zu beobachten, in Zuge dessen Unternehmen vor allem zur Erfüllung betrieblicher Nebenzwecke zunehmend auf externe Werkunternehmer zurückgreifen. Derartige Outsourcing-Prozesse betrafen in der Vergangenheit vor allem die Bereiche IT, Technik, die Kantine, die Sicherheit bzw. in größeren Industriebetrieben den Werkschutz oder die Reinigung, die Unternehmen spätestens in der jüngeren Vergangenheit zunehmend fremdvergeben und nicht (mehr) durch eigene Arbeitnehmer ausführen lassen.[13]

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In diesen zuletzt genannten Fällen ergeben sich die Problematiken in compliance-relevanter Hinsicht vor allem aufgrund der Interaktion der verschiedenen Mitarbeiter von Auftraggeber und Werkunternehmer, die ihre Aufgaben zum Teil auch auf dem gleichen Betriebsgelände verrichten. Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen Abgrenzungsfragen in der Folge noch einmal dadurch erschwert worden, indem einige Unternehmen zum Teil auch komplexere Mechanismen etwa in Gestalt von sog. Ticketsystemen oder anderweitigen Repräsentantenmodellen eingerichtet haben, um die Interaktion der Mitarbeiter zu vermeiden oder jedenfalls in geordnete Bahnen zu lenken und dadurch die Scheinselbstständigkeitsrisiken zu minimieren.[14]

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Angesichts dieser Vielzahl von Beschäftigungsformen und konkreten Ausgestaltungen in der Praxis verbietet sich also gerade bei Werkverträgen eine verallgemeinerbare Statusfeststellung nach einheitlichen Maßstäben unabhängig von jedem konkreten Einzelfall. In derartigen Fällen kommt gegenüber dem Einsatz von Solo-Selbstständigen erschwerend hinzu, dass ein derartiges Outsourcing auf Werkvertragsunternehmer oftmals eine Vielzahl dauerhaft eingesetzter Fremdpersonalmitarbeiter betrifft und die Compliance-Risiken damit allein aufgrund dieses Umfangs der Maßnahmen als besonders hoch einzustufen sind.[15]

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