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2.4 Die Unterwerfung der Khoikhoi

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Schon nach wenigen Jahrzehnten lösten sich die politischen Strukturen der Khoikhoi in der Umgebung Kapstadts auf, ein Prozess, der sich mit der Ausbreitung der Kolonie im Hinterland wiederholte. Als Kleingruppen, Familienverbände und Individuen waren sie weitgehend schutzlos. Die Khoikhoi sahen sich in einem Teufelskreis gefangen, denn der Rückgang ihrer Herden ließ sie verarmen und zwang sie in Arbeitsverhältnisse bei den Europäern. Das Angebot billiger Arbeitskräfte heizte wiederum den Landhunger der Weißen an. Wie rasch die Khoikhoi im Südwesten des Landes in das Kraftfeld europäischer Herrschaft gerieten, lässt sich daran ablesen, dass sich schon ab 1672 die Gerichte in bestimmten Fällen für die Khoikhoi zuständig erklärten, obwohl es offizielle Politik blieb, die Khoikhoi als unabhängige Völker zu behandeln, mit denen rein externe Beziehungen bestehen sollten. Ihre Unterwerfung wurde erheblich beschleunigt, als 1713 ein Ostindiensegler die Pocken einschleppte. Die Khoikhoi hatten – übrigens eine Ausnahme unter afrikanischen Völkern – keine Immunität gegen die Krankheit, sodass bis zu 80 % von ihnen dahingerafft wurden. Zwei weitere Ausbrüche der Krankheit 1755 und 1763 dezimierten sie weiter. Die Überlebenden waren demographisch, sozial und kulturell so geschwächt, dass sie den weißen Herrschaftsansprüchen und der Expansionsdynamik der Siedler nicht mehr länger standhalten konnten.

Vor allem die Trekburen, die im trockenen Landesinneren hauptsächlich Viehwirtschaft betrieben, waren auf die etwa 20 000 in der Kolonie lebenden Khoikhoi als Hirten angewiesen. Die Reiseberichte von Europäern erzählen beredt davon, wie schlecht die Khoikhoi von vielen burischen Farmern behandelt wurden. Sie wurden oft um ihren ohnehin schon kargen Lohn geprellt, die Farmer prügelten sie wegen Kleinigkeiten und sogar Morde durch Farmer kamen vor. Zuweilen vergriffen sich weiße Farmer an Khoikhoifrauen oder sie hinderten Khoikhoifamilien mit Gewalt am Verlassen ihrer Farm.

Mit der Ausbreitung der Kolonie ins Landesinnere entwickelte sich die Farm zum eigentlichen Nukleus und der wichtigsten sozialen Institution der Kolonialgesellschaft. Auf den Farmen bildete sich die rassische Ordnung heraus, die das Land bis zum Ende des 20. Jahrhunderts prägen sollte. Die Khoikhoi wurden meist schlecht und häufig nur in Naturalien, nämlich Essen und Tabak, bezahlt, wobei die Farmer in vielen Fällen dafür sorgten, dass sie sich sogar verschuldeten und damit dauerhaft an die jeweilige Farm gefesselt blieben. In der Weingegend um Kapstadt entwickelten die Weinfarmer ein besonders perfides System, das bis weit ins 20. Jahrhundert bestand und in vereinzelten Fällen trotz Verbots noch heute existiert, nämlich einen Teil des Lohns in Alkohol auszuzahlen. Die Farmarbeiter erhielten täglich eine bestimmte Menge Wein zugeteilt, wurden folglich süchtig und an die Farm gebunden. Fluchtversuche von Khoikhoi, meist durch Misshandlungen ausgelöst, wurden durch weitere Brutalitäten bestraft, wobei die Behörden wegschauten und nur dann aktiv wurden, wenn es zu Todesfällen kam. In der Regel unterstützten sie die Farmer, etwa durch lokale Verordnungen, die die Bewegungsfreiheit von Khoikhoi an einen vom Farmer ausgestellten Pass banden. Bereits auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts lassen sich solche Passverordnungen datieren, die allerdings zuerst nur für einzelne Distrikte und noch nicht für das ganze Land galten. Demnach weitete sich die Ausbeutung der völlig rechtlosen Sklaven nun in andere Abhängigkeitsverhältnisse und auf andere Bevölkerungsgruppen aus.

Die wenigen übriggebliebenen Khoikhoi-Gruppen zogen sich in gebirgige Regionen etwa das Bokkeveld und Roggeveld nördlich von Kapstadt zurück. Diese Khoikhoi führten Angriffe auf weiße Farmer und Viehdiebstähle aus, für die in den Quellen Buschleute verantwortlich gemacht wurden, wobei jedoch darauf hinzuweisen ist, dass zwischen Khoikhoi und Buschleuten ohnehin keine scharfe Grenze gezogen werden kann. Die Beamten der Kompanie im Landesinneren reagierten auf die Bedrohung mit der Einberufung von Siedlermilizen, die gegen die Khoisan militärisch vorgingen. 1739 unternahm ein Kommando eine besonders gewalttätige Strafexpedition, die ein anderes nach 1770 nochmals steigerte. Diese Aktionen nahmen exterminatorische Formen an, als über 500 und bei späteren Angriffen mehr als 2000 Khoisan ermordet wurden. Der Nebeneffekt der Strafexpeditionen, nämlich die Entführung von Kindern, die als »Lehrlinge« auf den Farmen arbeiten mussten, entwickelte sich oft zum Hauptzweck dieser Expeditionen. Das »Einbuchen« von »Lehrlingen« war der Euphemismus, mit dem eine faktische Sklaverei bemäntelt wurde, die sich in der von der VOC geschaffenen rechtlichen Grauzone bewegte. Noch bis weit ins 19. Jahrhundert erhielt sich dieses System in ganz Südafrika und zahlreiche Kriege und Raubzüge wurden geführt, um in den Besitz von Rindern und Kindern zu gelangen. In ähnlicher Weise wurden die Kinder von männlichen Sklaven und Khoikhoifrauen, obwohl sie dem Status der freien Mutter folgend rechtlich frei waren, auf Dauer festgehalten. Die Farmer argumentierten, sie hätten sie ernährt und darum Anspruch auf ihre Arbeitsleistungen. Meist blieb den Eltern nichts anderes übrig, als sich in ihr Schicksal zu fügen und bei ihren Kindern zu bleiben. Bis zum Ende der VOC-Herrschaft waren fast alle unabhängigen Khoikhoi unterworfen, ihre politischen Strukturen zerschlagen, ihre Gemeinschaften teilweise oder zur Gänze zerstört worden. So stellte der britische Forschungsreisende John Barrow fest, als er 1797 und 1798 den Osten der Kolonie besuchte:

»In dem ganzen großen Districte Graaffreynet ist nicht eine einzige Horde freyer Hottentotten, und vielleicht nicht zwanzig Einzelne, die außer dem Dienste der Holländer leben. Dieses schwache, hülflose Volk, welches jetzt vielleicht das unglücklichste auf der Welt ist, hat nach dem Verluste seines Landes und seiner Freyheit eine Existenz erhalten, welche der Sklaverey wenig nachsteht.«1

1 Johann Barrows Reisen durch die inneren Gegenden des südlichen Africa in den Jahren 1797 und 1798, Weimar 1801, S. 139 f.

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