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1.3 Die KhoiSan

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Die steinzeitlichen Bewohner des südlichen Afrikas weisen für die letzten etwa 20 000 Jahre eine Siedlungskontinuität auf, wofür ihre Felsbilder die Hauptbelege sind, die man im gesamten südlichen Afrika heute noch bewundern kann. So geht das, was man über die gesellschaftlichen Strukturen der Khoisan weiß, auf die Beschreibungen zurück, die andere über sie hinterlassen haben, da diese Bevölkerung keine Schrift benutzte. Es ist immer problematisch, Aussagen zu treffen, die von rezenten Beobachtungen ausgehen und diese auf frühere Zeiten projizieren, weil uns für deren Rekonstruktion die Daten fehlen. Gleichwohl kann man mit einiger Vorsicht aufgrund archäologischer Funde einiges über Strukturen aussagen, die eine lange Dauer aufwiesen. Die Aufmerksamkeit für die langen Zeitdauern in der Geschichte geht auf den französischen Historiker Fernand Braudel zurück. Er hat in seinem berühmten Buch über das Mittelmeer verschiedene Phasen der historischen Entwicklung unterschieden, wobei die »longue durée« Jahrhunderte überspannende, fast stillstehende, weil von ökologischen Naturbedingungen bestimmte Strukturen erfasst. Im südlichen Afrika können solche langdauernden Strukturen neben relativ kurzfristigen Änderungen stehen. So ist die geschlechtliche Arbeitsteilung der Afrikaner offenbar eine solche Konstante, während die Anbauprodukte, Schmuckgegenstände und Kleidung, Literatur und politische Einrichtungen einem rascheren Wandel unterliegen. Beharrung und Innovation finden sich oft gleichzeitig in einer Gesellschaft. Wenn man stabile Strukturen beschreibt, impliziert dies also nicht, dass die beschriebenen Gesellschaften statisch und traditionsverhaftet wären. Auch in Europa gibt es solche Konstanten, etwa bei den Verwandtschaftssystemen, doch kann man von langen Zeitdauern auch in anderen Regionen der Welt ausgehen.

Obwohl über ihren Ursprung und ihre Herkunft nichts weiter bekannt ist, so kann als sicher gelten, dass die Khoisan in kleinen Gruppen weit verstreut im ganzen südlichen Afrika lebten. Ihre Sprachen waren soweit miteinander verwandt, dass die linguistische Bezeichnung dafür auch auf die Bevölkerung selbst angewandt wird: KhoiSan. Wie die Schreibweise schon andeutet, umfasst sie zwei große Bevölkerungsgruppen, die allerdings keine klar voneinander trennbaren politischen oder kulturellen Einheiten bilden, nämlich die San und die Khoikhoi. Sie unterscheiden sich weniger kulturell, als vielmehr in erster Linie durch ihre Wirtschaftsweise, wobei der Wechsel von der einen zur anderen Lebensweise möglich war.

Die eine dieser Gruppen nennt man San oder mit einer älteren Bezeichnung Buschleute, womit ihre Zeitgenossen die Lebensform charakterisierten. Denn Buschleute lebten vor der Kolonialzeit nicht in festen Dörfern oder anderen Siedlungen, die sich von der Wildnis, eben dem Busch, deutlich abgrenzen ließen. Ihren Nachbarn erschienen sie als Bewohner der Wildnis, weil sie sich von dem ernährten, was sie in der Natur fanden. Die Ethnologen sprechen von Wildbeutern, die sich ihre Nahrung durch Jagen und Sammeln sicherten. Neben der Jagd auf Tiere, wozu in den Küstengebieten auch das Sammeln von Meeresfrüchten gehörte, ernährten sich diese Menschen von wild wachsenden Pflanzen. Diese Lebensweise erforderte neben einer hohen Mobilität das Leben in kleinen Gruppen, um die Risiken im Fall von Dürrezeiten oder ausbleibendem Jagdglück so gering wie möglich zu halten. Auch wenn sich die verschiedenen kleineren Gruppen, die selten mehr als 20 Menschen umfassten, zu bestimmten Jahreszeiten zu Festen und Ritualen zusammenfanden, so waren diese größeren Treffen doch zu kurz und die größeren Einheiten zu instabil, um dauerhafte soziale Hierarchien zu begründen. Sie kannten auch nicht die komplexen Verwandtschaftsstrukturen und Heiratsmuster, die man bei anderen Völkern findet. Die stark egalitären Buschleute, bei denen auch die Geschlechter gleichberechtigt waren und es keine Oberhäupter gab, lebten über das ganze südliche Afrika verteilt, denn sie konnten bis zur Ankunft der Weißen in unmittelbarer Nähe des Tafelbergs Großwild jagen, viele von ihnen ernährten sich von Muscheln und Langusten aus dem Meer. Letzteres belegt, dass die letzten heute noch als Wildbeuter lebenden Buschleute in Botswana und Namibia nur einen Ausschnitt der vielfältigen früheren Lebensformen repräsentieren, die den ökologischen Gegebenheiten der jeweiligen Region angepasst waren.

Die Khoikhoi, deren Name nichts anderes bedeutet als »die Menschen der Menschen« oder »die wahren Menschen«, setzten sich mit dieser Bezeichnung von den San ab. Diese Selbstbezeichnung weist darauf hin, dass sie sich für etwas Besseres hielten und den Unterschied in der Lebensweise als ein kulturelles Gefälle bewerteten. Worin unterschieden sich nun die Khoikhoi von den Buschleuten? Biologisch oder auch sprachlich gab es keine Unterschiede, wohl aber hinsichtlich der Wirtschaftsform. Denn die Khoikhoi waren zwar, was ihre pflanzliche Nahrung betraf, Sammler, jagten aber nur gelegentlich, da sie Tiere domestiziert hatten und somit Viehzüchter waren. Die Tiere, die die Khoikhoi in teilweise riesigen Herden hielten, waren die einheimischen Fettschwanzschafe, die kaum Wolle lieferten, dafür aber Fleisch und Fett, mit dem sich die Khoikhoi zum Schutz vor Sonnenbrand und Insektenstichen einrieben. Später übernahmen sie von ihren bantusprachigen Nachbarn Ziegen und Rinder. Als die Weißen erstmals in Südafrika an Land gingen, trafen sie auf Khoikhoi mit riesigen Rinderherden. Da diese mit ihren Herden wanderten, meist periodisch von Sommer- zu Winterweiden (Transhumanz), hatten sie vergleichsweise lockere Sozialverbände. Ebenso waren ihre Behausungen auf Mobilität abgestimmt. Sie legten aus Gras geflochtene Matten über ein halbkugelförmiges Gestell aus Stangen, die in den Boden gerammt wurden. Die Khoikhoi kleideten sich zum Schutz vor der winterlichen Kälte in sogenannte Karosse, Mäntel, die sie aus den Fellen von Rindern nähten.

Zwar kannten sie Oberhäupter, doch war deren Macht begrenzt, auch waren die ethnischen Gruppen zahlenmäßig nicht sehr groß, da die Mobilität für diese Bevölkerung wichtig war. Weil die Khoikhoi keine Nahrungspflanzen anbauten, konnten sie das Winterregengebiet Südafrikas nutzen, den äußersten Süden und Südwesten, wo die Weißen zuerst an Land gingen; gleichzeitig war ihre Wirtschaft fragil. Eine Tierseuche oder eine Naturkatastrophe konnte die Herden dezimieren und die Khoikhoi zur Lebensweise der Buschleute zwingen. Tatsächlich waren die Übergänge zwischen beiden Bevölkerungsgruppen fließend. Soweit sich dies rekonstruieren lässt, kam es periodisch zu solchen dürrebedingten Herdenverlusten und der, zuweilen gewaltsamen, Aneignung von Tieren, um damit neue Herden aufzubauen. Allerdings ist es aufgrund der fast ausschließlich archäologischen Daten über die frühe Geschichte der Region nicht möglich, eine belastbare Chronologie für die frühen Jahrhunderte zu entwickeln.


Abb. 1: Khoikhoi in einer Abbildung des 17. Jahrhunderts.

Im Osten lebten die Khoisan in enger Nachbarschaft zu bantusprachigen Afrikanern. Gerade die San wirkten aufgrund ihrer Pflanzenkenntnisse und Trancetechniken oft als religiöse Spezialisten und Heiler. Diesem, nicht immer konfliktfreien, Zusammenleben über Jahrhunderte hinweg war es zu verdanken, dass die südlichsten Bantuvölker von den Khoisansprachen die charakteristischen Schnalzlaute adaptierten. Möglicherweise äfften die Europäer diese ihnen unverständlichen Sprachen in dem Namen nach, mit dem sie die Khoikhoi belegten: Hottentotten.

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