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Einleitung: Die Notwendigkeit interreligiösen Lernens

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Interreligiöses Lernen ist ein Trendthema. Das liegt zum einen sicher daran, dass sich der gesellschaftliche, der theologische und auch der religionspädagogische Diskurs im Speziellen zurzeit in besonderer Weise dem Programmwort der Diversität verschreiben und entsprechend mit dem daraus resultierenden Phänomen der Heterogenität in einer didaktisch sinnvollen Weise umgehen müssen (Grümme 2017). Im Bereich von Religion und Glaube heißt Heterogenität religiöse Pluralität. Dies wird im erziehungswissenschaftlichen Diskurs in der Regel völlig ausgeblendet (Bohl et al. 2017), wohl auch, weil Glaube, Religiosität und religiöses Bekenntnis für die meisten Erziehungswissenschaftler Tabus sind. Die erziehungswissenschaftliche Praxis zeigt dagegen, dass nicht nur im Bereich der religiösen Bildung und des Religionsunterrichts die religiöse Perspektive auf die Welt im menschlichen Miteinander durchaus sichtbar wird, und zwar nicht nur bei sog. Gastarbeitern oder Flüchtlingen. Die Frage, an was der Mensch sein Herz hängt, was ihn unbedingt angeht und worauf er seine Hoffnung setzt, hat auch in zunehmend säkularen und scheinbar religionslosen Zusammenhängen Bedeutung. Es wäre eine Selbsttäuschung, dies auszublenden und für pädagogische Kontexte als nicht relevant zu qualifizieren.

Wendet man den Blick über Deutschland und über Europas hinaus, so ist offensichtlich, dass Religion inzwischen ein Megathema ist. Seit den furchtbaren Ereignissen des 11. Septembers 2001 ist Religion mit brachialer Gewalt in den örtlichen Diskurs zurückgekehrt, nachdem seit dem Kulturbruch von 1968 der Eindruck gefördert worden war, Religion würde im Zuge von Modernisierung und Wohlstandsvermehrung als Thema obsolet werden. Doch bereits Mitte der 1990er Jahre hatte Samuel Huntington mit seiner Programmschrift vom „Kampf der Kulturen“ auf das Potential und die Dynamik kultureller wie religiöser Konflikte hingewiesen, Martin Riesebrodt prognostizierte zur Jahrtausendwende „Die Rückkehr der Religionen“. Entsprechend sind interreligiöses Lernen, interreligiöse Verständigung und interreligiöser Dialog auf der lokalen, regionalen wie globalen Ebene ein wichtiger Baustein, um an einer besseren Verständigung und einem friedlicheren Miteinander von Menschen heute mitzuwirken.

Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass die kulturellen und religiösen Konflikte, die im Besonderen die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland seit der großen Flüchtlingsbewegung im Spätsommer 2015 beschäftigen, nur bedingt durch interreligiöses Lernen und interreligiösen Dialog gelöst werden können: Zum einen ist die kulturelle Heterogenität, die das Miteinander von geflüchteten Menschen und deutscher Bevölkerung markieren, wahrscheinlich wesentlich wirkmächtiger als allein religiöse Vorstellungen und Praktiken, die von Migranten praktiziert werden. Zum anderen darf nicht übersehen werden, dass neben Religion und Kultur vor allem auch die Traumatisierung durch Krieg und Flucht die eingewanderten Menschen zutiefst prägt. Wer in der Flüchtlingsarbeit aktiv ist, weiß, dass dies oft bereits das Gespräch über Religion und Glaube unmöglich macht, geschweige denn interreligiöse Lernszenarien möglich sind. Bernhard Grümme hat treffend in seiner jüngsten Publikation darauf hingewiesen, dass das interreligiöse Lernen im Kontext der Flüchtlingsintegration vor besonderen Schwierigkeiten steht und hier nicht mit Erwartungen überladen werden sollte, die es nicht einlösen kann (Grümme 2017: 202f.).

Wie im Vorwort bereits skizziert, versteht sich diese Arbeit als eine Einleitung in die religionspädagogische Disziplin des interreligiösen Lernens. Sie ist gegliedert in Kontexte, Definitionen, Voraussetzungen, Erfahrungen, Perspektiven und Praxisfelder. Mit diesen sechs Überschriften soll eine Struktur markiert werden, die von den gesellschaftlichen Kontexten in dieser Gesellschaft über die gängigen Definitionen und die damit verbundenen theologischen Einstellungen und Positionen hin zu einer fachgeschichtlichen Darstellung der bisherigen Publikationen fortschreitet. Erträge aus diesen vier Abschnitten fließen dann in eine didaktische Skizze ein, in der versucht wird, eine Didaktik interreligiösen Lernens anfanghaft aus den Beiträgen des Forschungsdiskurses zusammenzustellen. Wie sich eine solche Didaktik in der Praxis dann realisiert und konkretisiert, soll schließlich im sechsten Abschnitt, in den Praxisfeldern beschrieben werden: Hier werden auch unter Rückgriff auf die Ergebnisse des Schulenwettbewerbs der Herbert Quandt-Stiftung „Schulen im Trialog“ vier methodische Großformen des interreligiösen Lernens, nämlich die Auseinandersetzung mit Festen und Feiern, die Erschließung von religiösen Zeugnissen, die Gotteshauspädagogik und die Auseinandersetzung mit heiligen Schriften mit Blick auf drei unterschiedliche Altersgruppen vorgestellt und entfaltet.

Besonders an diesem letzten Kapitel wird deutlich, dass interreligiöses Lernen vor allem in der öffentlichen Schule stattfindet. Auch wenn es einzelne Initiativen und Projekte gibt, interreligiöses Lernen auch an anderen Lernorten zu initiierten, z.B. im Bereich der Jugendarbeit (Bertels et al. 2013) oder der Erwachsenenbildung (Dieckmann/Sajak 2014), so beziehen sich die meisten Konzepte und Modelle, aber auch die überwiegende Zahl der Forschungsarbeiten auf den Lernort Schule. Entsprechend ist auch in dieser Einführung in der Regel von Kindern und Jugendlichen bzw. Schülerinnen und Schülern die Rede, auch wenn die beschriebenen Prozesse sicher auch von Erwachsenen durchschritten werden können.

Jedes der sechs Kapitel endet mit einigen Literaturhinweisen, die Standardwerke vorstellen und empfehlen, in denen das Kapitelthema in besonderer Weise abgehandelt worden ist. Alle zitierte Literatur findet sich dagegen im Gesamtverzeichnis aller verwendeten Bücher am Schluss der Arbeit.

Interreligiöses Lernen

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