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4. Zur Anlage der vorliegenden Arbeit

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Aus dem bisher Gesagten ergibt sich folgendes Arbeitsprogramm: Zunächst sollen die Begrifflichkeiten ‚Kolonie‘ bzw. ‚Kolonialismus‘ kritisch auf ihre Übertragbarkeit auf das habsburgische Staatsgebilde im „langen 19. Jahrhundert“ (Eric Hobsbawm) operationalisiert werden – ein Zeitraum, der sinnvollerweise vom Wiener Kongress (als dem letzten Ende der Aufklärung, der französischen Revolution und napoleonischen Kriege) bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs anzusetzen wäre. Nicht intendiert wird eine Gesamtevaluation der Post/Colonial Studies, zumal diese Sinnfrage nach den Meriten und shortcomings dieser akademisch und verlagstechnisch äußerst erfolgreichen Disziplin in den letzten 20 Jahren wiederholt und umfänglich – und sehr kritisch – von Aijaz Ahmad, Graham Huggan, Anne McClintock, Benita Parry, u.v.a.1 gestellt wurde. Diese Diskussion soll nicht wieder aufgegriffen werden, sondern die Frage vielmehr ex positivo gestellt werden: Inwieweit sich eine interkulturell und kulturwissenschaftlich orientierte Österreich-Germanistik von Erkenntnissen und Zugangsweisen der Post/Colonial Studies als „travelling concepts“ (Mieke Bal) inspirieren lassen kann, ohne die besondere Eigenheit ihres habsburgischen Gegenstands aus dem Auge zu verlieren.

Dafür wird eine entsprechend kritisch redigierte literatur- und kulturwissenschaftliche Imagologie – die Erforschung von Selbst- und Fremdbildern, wie sie in der Komparatistik aufgekommen ist – als toolset für die folgenden Fallstudien präsentiert werden, die eine koloniale Diskursanalyse in der Nachfolge von Edward Said, David Spurr und anderen versuchen. Im Brennpunkt stehen drei paradigmatische Autoren und deren Texte aus dem germanistischen Forschungskanon Österreich-Ungarns (Franz Grillparzer, Peter Altenberg und Alfred Kubin), die als symbolische Ausdrucksformen eines „kolonialen Begehrens“ bzw. eines symbolischen Ersatz-Kolonialismus verstanden werden, in Ergänzung zu bereits intensiver erforschten Autoren wie Kafka, Hofmannsthal, Sacher-Masoch, Emil Franzos oder Joseph Roth.2 Der zweite Teil der Fallstudien schließlich widmet sich mit einem erweiterten Literaturbegriff kulturellen Texten3 aus dem Umfeld der habsburgischen Okkupation (1878) und Annexion (1908) Bosnien-Herzegowinas, die als koloniale Ersatzhandlung interpretiert wird; dabei kommt dem hegemonialen Schrifttum die Funktion einer kulturellen Kolonisierung des Territoriums zu, die durchaus mit Formen des britischen und französischen Imperialismus um 1900 vergleichbar ist – soweit die zentrale These.

Die vorliegende Arbeit versteht sich also primär als Analyse eines disparaten – phantasmatischen, aber auch pragmatischen – deutsch-österreichisch imperialen Kolonialdiskurses innerhalb der Habsburger Monarchie. Was indes nur ansatzweise geleistet werden kann, ist die Thematisierung einer literarischen Opposition nicht-deutschsprachiger Autoren und Autorinnen gegen diese kulturelle Hegemonie des Zentrums. Dies schuldet sich freilich nicht einer unreflektierten zweiten Entmündigung etwa der Südslawen, wie voreilige Kritiker moniert haben,4 sondern einfach der wissenschaftlichen Expertise des Verfassers, die freilich durch andere Ansätze innerhalb des Kakanien revisited-Netzwerks ergänzt worden ist.5 Ebenso können Bezüge zu zeitgenössischen k.u.k. Orientalismen lediglich kursorisch hergestellt werden, da auch sie wohl Gegenstand einer eigenständigen Studie sein müssten.

Eine abschließende Zusammenschau der Ergebnisse soll dementsprechend auch in einen Ausblick münden, der künftige Antworten auf die Frage nach dem Fortwirken der kolonialen Blicke und Bildkomplexe in der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts – bis hin zu Peter Handkes Jugoslawienkrieg-Texten oder Christoph Ransmayrs postmoderner Abenteuerliteratur – vorbereiten soll. Ich hoffe jedenfalls, damit meine in den letzten eineinhalb Jahrzehnten gewachsenen Ansätze und Positionen in einer konklusiven Weise zusammenzuführen und einer künftigen Forschung weitere Anstöße zu geben.6 Generell gilt freilich, was schon Peter Hulme vor 30 Jahren über seine eigene Studie Colonial Encounters schrieb: „The venture, it should be said, is archeological: no smooth history emerges, but rather a series of fragments which, read speculatively, hint at a story that can never be fully recovered.“7

Habsburgs 'Dark Continent'

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