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2.1 Begriffsabgrenzung

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Verhalten

Bei der Betrachtung von Verhaltensauffälligkeiten stößt man zunächst auf die Frage, was Verhalten ist oder meint.

Das Verhalten im engeren Sinn sind alle der Selbst- und Fremdbeobachtung zugänglichen Bewegungen wie z. B. Sprechen, Gestik, Mimik, Körperhaltung etc. (vgl. NOLTING/PAULUS 56f).

„... Verhalten faßt die Gesamtheit menschlicher Aktivitäten zusammen, die im Wechselspiel zwischen Organismus und Umwelt entstehen und von einfachen Reaktionen auf Reize bis zu willentlichen, komplexen, umweltverändernden Handlungen reichen.“ (MYSCHKER 1999, 148)

Verhaltensstörung

Der auch heute noch international gültige Begriff der Verhaltensstörung wurde bereits 1950 auf dem 1. Weltkongress für Psychiatrie festgelegt und ist

„... Sammelbegriff für alle Formen und Ausprägungsgrade von Fehlverhalten, vom pädagogischen Phänomen der ,Erziehungsschwierigkeit‘ über psychiatrische Syndrome von Psychopathie bis hin zu schweren Formen von Verwahrlosung und Delinquenz.“ (VERNOOIJ, 33)

Verhaltensstörung bzw. Verhaltensauffälligkeit - die Begriffe werden oft synonym verwandt - bezeichnet ein langfristig von den entwicklungsbezogenen und gesellschaftlichen, kulturellen, ethischen Normen abweichendes Verhalten, das eine weitere Bildung und Erziehung des Kindes als gefährdet erscheinen lässt (vgl. GOETZE, 7) und „ohne besondere pädagogisch-therapeutische Hilfe nicht oder nur unzureichend überwunden werden kann.“ (MYSCHKER 1999, 149)

Der ICD-10 (International Classification of Deseases) der Weltgesundheitsorganisation WHO klassifiziert und kategorisiert Verhaltensstörungen. Unter anderem sind darin folgende Gruppen genannt:

F90 Hyperkinetische Störungen

F91 Störungen des Sozialverhaltens

F93 Emotionale Störungen

Die Gruppe „Störungen des Sozialverhaltens“ (F91) wird im ICD-10 wie folgt näher beschrieben:

„Störungen des Sozialverhaltens sind durch ein sich wiederholendes und anhaltendes Muster dissozialen, aggressiven und aufsässigen Verhaltens charakterisiert. Dieses Verhalten übersteigt mit seinen gröberen Verletzungen die altersentsprechenden sozialen Erwartungen. Es ist also schwerwiegender als gewöhnlicher kindischer Unfug oder jugendliche Aufmüpfigkeit. Das anhaltende Verhaltensmuster muss mindestens sechs Monate oder länger bestanden haben. (... ) Beispiele für Verhaltensweisen, welche diese Diagnose begründen, umfassen ein extremes Maß an Streiten oder Tyrannisieren, Grausamkeit gegenüber anderen Personen oder Tieren, erhebliche Destruktivität gegenüber Eigentum, Feuerlegen, Stehlen, häufiges Lügen, Schulschwänzen oder Weglaufen von zu Hause, ungewöhnlich häufige und schwere Wutausbrüche und Ungehorsam.“

An dieser Beschreibung wird erkennbar: „Sie [Verhaltensstörung; die Verf.] ist keine Verhaltensqualität an sich, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Definitionen, und unterliegt ... historischkulturellen Veränderungen.“ (VERNOOIJ, 33).

Das Verhalten - ob angepasst oder auffällig - steht in engem Zusammenhang mit den inneren Prozessen bzw. dem Erleben eines Menschen.

Erleben

Das Erleben umfasst alle bewussten und unbewussten inneren und für Außenstehende nicht sichtbaren Prozesse (z. B. Denkvorgänge, Gefühlserlebnisse) und Erfahrungen (vgl. NOLTING/PAULUS, 1). Ein wesentlicher Bereich des Erlebens ist die Wahrnehmung. Die Wahrnehmung filtert aus der Vielzahl von Informationen, die den Menschen umgeben, die für ihn bedeutsamen heraus. So werden in der gleichen Situation von verschiedenen Menschen nicht nur unterschiedliche Dinge, sondern diese auch auf unterschiedliche Weise wahrgenommen. Wahrnehmung ist also immer selektiv (vgl. NOLTING/PAULUS, 44) und hängt von der Person, ihrer momentanen Verfassung und ihren Lebenserfahrungen ab.

Persönlichkeit

Verhalten und Erleben befinden sich in einem engen, interdependenten und nicht lösbaren Verhältnis miteinander und bilden die Psyche - Persönlichkeit - eines Menschen. Persönlichkeit ist wertfrei zu verstehen und meint ein bei jedem Menschen einzigartiges, relativ stabiles und Zeitablauf überdauerndes Verhaltenskorrelat (vgl. NOLTING/PAULUS, 76).

Es sind die typischen Personmerkmale, die erklären, warum Menschen eine objektiv gleiche Situation auf subjektiv sehr unterschiedliche Weise erleben (wahrnehmen) und sich interindividuell verschieden - manchmal auch auffällig - verhalten (vgl. NOLTING/PAULUS, 39).

Die Formen und Inhalte des Verhaltens und Erlebens (Wahrnehmungsgewohnheiten, Wissen, Denkstrategien, Fertigkeiten) ebenso wie das Wann und Wo ihres Einsatzes werden durch Erfahrungen gelernt (vgl. NOLTING/PAULUS, 65). Diese lebenslangen Erfahrungen machen die personale Disposition aus, manifestieren sich in bestimmten Verhaltensmustern und Erlebensstrukturen, die wiederum in Interaktion mit der Umwelt gestaltenden Einfluss auf diese ausüben.

Das macht deutlich, dass Kinder, denen die Verhaltensauffälligkeit als typisches Personenmerkmal zugeschrieben wird und deren Persönlichkeit durch ein einzigartiges, stabiles, aber leider unangemessenes Verhaltenskorrelat charakterisiert und nicht gesellschaftskonform ist, dies - zum großen Teil - durch ihre bisherigen Erfahrungen im Lebensalltag entwickelt haben.

Selbstkonzept

Dem Selbstkonzept (= Selbstbild) und der Selbstachtung kommt eine ganz besondere Bedeutung im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung zu. Unter Selbstachtung versteht man die gefühlsmäßig wertende Einstellung einer Person zu sich selbst. Sie ist weitgehend gleichbedeutend mit Selbstwertgefühl, mit positiven Empfindungen, Gefühlen und einer guten Einstellung zu sich selbst (vgl. TAUSCH/TAUSCH, 51).

Die Entwicklung des Selbstkonzeptes durch die wechselseitige Abhängigkeit von Verhalten und Erleben in Interaktion mit der Umwelt beschreiben Tausch/Tausch: „Jede Person nimmt fortlaufend wahr, empfindet und macht Erfahrungen. Die fortlaufenden Erfahrungen mit und über die eigene Person verdichten sich zum ... Selbstkonzept.“ (TAUSCH/TAUSCH, 57) Das Selbstkonzept einer Person wirkt sich wiederum erheblich auf ihr Verhalten und Erleben aus. „Menschen verhalten sich meist so, wie es dem Konzept ihrer eigenen Person entspricht.“ (TAUSCH/TAUSCH, 59)

Wie wesentlich ein positives Selbstkonzept und Selbstachtung für ein angemessenes Verhalten im sozialen Kontext ist, wird im Folgenden deutlich. Zur Bedeutung von Selbstachtung stellen Tausch/Tausch (51f) fest:

„Selbstachtung ist sehr bedeutsam für die seelische Funktionsfähigkeit von Kindern ... , für ihre konstruktive Persönlichkeitsentwicklung und für das soziale Zusammenleben von Menschen. In vielen Untersuchungen ergab sich die große Bedeutung der Selbstachtung einer Person für ihr soziales, gefühlsmäßiges und intellektuelles Verhalten. (... ) fehlende Selbstachtung beeinflusst erheblich unser seelisches Wohlbefinden, unsere Zufriedenheit, unsere seelische Gesundheit und Funktionsfähigkeit, das Ausmaß unserer Angst und unserer Lebensqualität.“

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