Читать книгу Die Seidenstraße – gestern - heute - morgen - Cornelia Reiwald - Страница 13

UNTERWEGS 1

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Menschen auf der Seidenstraße, von Schanghai bis Äthiopien, sind vielschichtig. Elegant und reich in Schanghai-City, die älteren in den vielen Parks mit gerollten oder Brillantine-schwarzen Haaren, pummelig, die Mode von gestern, die echten Chinesen. Mittelklasse mit Geld. Sie singen, machen Qi Gong, plappern fröhlich und winken zum Mitmachen. Sitzend die Männer, Trompete blasend, Jazz, klassisch chinesisch oder Mozart. Manche sind berühmt, üben in Parks ist erlaubt und beliebt.

Schon in Xian, 1500 km weiter westlich, ist alles anders. Die bunte Welt der Ethnien beginnt. Uiguren, Chinesen und alle anderen Stämme leben miteinander und stellen sich nicht die Fragen des Westens oder dessen Antworten, die politisch motiviert sind. In China macht man Business und handelt, wir sind schließlich auf der Handelsstraße. Lanzhou, Dunhuang, Turpan, Ürümqi, wo man China fast vergisst und sich in die interkulturelle Welt von über 100 Ethnien, die hier leben und ihre bunte Kultur pflegen, verliebt. China sorgt für Ordnung und wer sich daran hält, hat keine Probleme. Ist das nicht überall so?

Ob Han oder nicht: freundlich und hilfsbereit, einladend und kurios sind alle. Englisch und meist auch Chinesisch hilft nicht viel, sie sprechen ihren eigenen Dialekt. Anders die Jugend, die schon im Kindergarten Sprachen lernt und sich unterhalten kann und stolz will. Die muslimische Jugend will keine Scharia, aber an der Zukunft teilhaben. Sie trägt Jeans und Lederjacke. Nur das Kopftuch bleibt. Sie will studieren. Wissen. China macht es möglich.

Im Zug trifft man den Onkel aus Amerika, die Familie in Deutschland, alle auf dem Smartphone. Amerika? fragen sie mich oder Schon gegessen? den Onkel. Fotos gehen hin und her und wir lachen. Sie zeigen mir ihr Haus in den uighurischen Bergen. Das Baby wird auf meinem Schoss versorgt, viele Kinder rennen und klettern über die Doppelbetten. Was auf den Boden fällt, bleibt dort, Jobs erhalten, Putzfrau; die kommt jede Stunde. Nüsse und getrocknete Früchte werden verteilt; Eigenproduktion. Ständig holen die Männer Heißwasser für den Tee. Schweiz wo? Kopftuch wo? Mann, Kinder wo? Schanghai weit weg, teuer, sagen sie. Der Sohn spricht Chinesisch und Englisch, er will Pilot werden, die Mädchen wollen nicht heiraten, aber schön sein und in einem Hochhaus arbeiten.

Mann und Frau leben vor der Heirat separat, so ist es. Die islamische Welt hält an gewissen Traditionen fest. Mit der Seidenstraße und neuen Reisemöglichkeiten werden Menschen offener, hören zu und selbst der Imam vermittelt. Genau wie in anderen Ländern sieht man den Menschen die Religion nicht mehr an – oder macht Mode daraus, wie es manche Start-ups tun. Scharia Fashion. Geld verdienen.

Es gibt kolossale Märkte, Bazaars, Souks innen oder außen, bestehend aus Tausenden kleinen Geschäften die kaufen, verkaufen und Geld rund um die Welt machen, die islamische Diaspora ist groß. Millionen Bauarbeiter plus werden ausgebildet, sie arbeiten mit am größten Infrastrukturprojekt der Welt, der Seidenstraße, und schicken Trillionen nach Hause, die zur Entwicklungshilfe werden. Wissenschaft, Medizin, Management, Uni-Abschluss, Facharbeiter sind gefragt oder werden ausgebildet.

Die Seidenstraße ist das fantastischste Naturreservat der Erde und gleichzeitig ein Tummelplatz für Wissenschaftler, Entdecker, Abenteurer, Archäologen, Jobsucher, Studenten, Familien. China ist Die Zukunft der Wissenschaft, sagt die Konrad-Adenauer-Stiftung.

Eine junge Frau im Zug sagt: »Im Westen reißen sie den Fröschen die Beine aus, um sie zu essen, die Chinesen aßen einst Fledermäuse, wo ist der Unterschied?« – »Gesunder Menschenverstand statt Arroganz«, meint ein Ägypter im Straßencafé, er ist Israeli und lebt in Syrien, ich traf ihn im Iran. Kreativität statt Dekadenz.

Ein arabischer Arbeiter steigt ein, die Frauen kümmern sich um sein Gepäck, die Männer schauen zu. Dann kommt die Polizei und holt ihn raus: No ticket.

Es ist Mitternacht, Frauen und Kinder schlafen, die Männer reden laut bis um vier in der Früh. Alles, was unterwegs einsteigt, schläft sofort ein. Frühstück ist Nudelsuppe aus dem Pappbecher, ehe sie ihre tausend Sachen im Wagen verstreut zusammenpacken und aussteigen.

Armenier steigen ein und stellen die üblichen Fragen. »Armenien«, erklärt die Frau, »lebt mit Konflikten, seitdem ich geboren bin, die Nachbarländer lassen uns nicht in Ruhe, es gibt neunzehn Prozent Arbeitslosigkeit, Korruption, Anspruch auf Karabach, Erdbeben und Völkermord.« – »Das verstehst du nicht«, sagt ihr Mann, »wir schaffen das schon, der Westen soll sich raushalten, er versteht das nicht. Wir spielen immer wieder Frieden mit der Türkei und Russland. Ein paar Tote und die Medien tun, als würde das die Welt interessieren.« Er erklärt, das Kaspische Meer bei Baku in Aserbaidschan habe den Wolga-Zugang nach Russland. Öl, Gas, Tourismus und Finanzen machten das Land relativ stabil mit nur fünf Prozent Arbeitslosigkeit, Baku würde zur neuen Feriendestination. Baku am Kaspischen Meer sei eine moderne Stadt mit Geschichte und 40.000 Jahre alten Felsmalereien. Armenien, erste christliche Nation der Weltgeschichte, und Aserbaidschan haben eine geopolitische schwierige Lage zwischen der Türkei, Iran und Russland. Der Konflikt wegen Karabach wird von Terroristen und fremder Einmischung gefördert, für die Unruhen in der Region von Nutzen sind. Wer nicht vor Ort ist, kann die Situation schwer abschätzen. Russland bittet um Ruhe und tut gut daran, denn die Region braucht Festigkeit, nicht Verzettelung. »Ein Balanceakt«, fährt er fort, »besuchen Sie uns, aber sprechen Sie nicht über Armenien, Karabach oder Religion. Kleine Dörfer rund um Jerewan laden friedlich ein, wir sind nicht der Mittlere Osten oder Afrika. Viele reden, ohne unsere Geschichte zu kennen, wir wollen Frieden, nicht Einmischung.«

Seine Frau meldet sich zu Wort: »Probleme sind hier andere, aus der Sowjetzeit, der Islam«, sagt sie leise, »das Öl und die Pipelines. Wir sind keine Araber, wir stammen von den Mongolen ab, das ist eine andere Familie … Der Mann unterbricht schnell, wechselt das Thema: »Hören Sie zu. Weißrussland protestiert ohne klare Gegenbewegung gegen den autoritären Präsidenten, Russland interveniert, Lukaschenko besucht die Aufrührer im Gefängnis. Jedes Land setzt seine eigenen Prioritäten zuvorderst. Besuchen Sie die Ex-Sowjet-Länder, besuchen Sie Russland, die Seidenstraße, China, das mir gerade einen Job als Ingenieur beschert.«

Die Seidenstraße ist jeden Tag neu. Ein Japaner am Ende des Wagens mischt sich ein: »Es gibt dunkle Momente, aber nach dem Dunkel kommt das Licht. Yin und Yang. Die Seidenstraße ist wie eine internationale Schule. Wir müssen voneinander lernen.«

Während sich der Westen sucht, findet Asien langsam zusammen. Russland selbstbewusst, die Türkei nach Osten tendierend, die Friedensanstrengungen des Mittleren Ostens, das wache Zentralasien, die Kraft Chinas und Südostasiens, das aufmerksame Japan erstarken.

»Die Vergangenheit ist im Museum, die Zukunft eine Überraschung«, ruft jemand.

Die Seidenstraße – gestern - heute - morgen

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