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ÄTHIOPIEN, ABESSINIEN

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Äthiopiens Geschichte oder die des Horns von Afrika ist nicht einfach zu beschreiben, jeder erzählt sie anders und alle haben recht.

Die einstige Nil-Region, Sahara-Wüste oder Alt-Libyen wird schon in der Ilias von Homer und in der Odyssee erwähnt. Herodotus nannte die Region nicht bewohnbar, nachdem er dorthin gereist war und Menschen in Hütten sah. Später nannte man es Maghreb oder alles, was westlich vom Nil liegt. Der Name Äthiopien kommt vom Griechischen mit Bezug auf dunkle verbrannte Menschen. 500 v. Chr. schreibt Hecetäus, die Menschen hätten Füße, groß genug, um Schatten zu spenden. Später las man in Reiseberichten, es gäbe auch helle und olivfarbene Menschen.

Äthiopien, einst das Königreich Aksum, liegt am Horn Afrikas und beherrschte die Küste vom Roten Meer über den Golf von Aden zum Indischen Ozean bis ins 9. Jahrhundert. Aksum war ein gigantisches alles eroberndes Reich, das im 4. Jahrhundert christianisiert wurde und dadurch gute Beziehungen zu Ägypten und Byzanz sowie dem Süden Arabiens hatte, wo es Jemen zum Vasallen machte. Ende des 6. Jahrhunderts machten es die Perser dem Aksum-König immer schwerer und übernahmen die ganze Macht im 8. und 9. Jahrhundert. Es folgten die Osmanen, die Tigray und andere Stämme oder Monarchien bis zum äthiopischen Königreich 1844, das alle Länder zusammenfügte. Im Kampf um Afrika schafften es nur Äthiopien und Liberia, nicht kolonisiert zu werden: Sie führten Krieg und verteidigten sich.

1869, mit dem Suezkanal, begehren die Europäer Äthiopien, welches das koloniale Italien 1896 und 1935–1936 schlägt und die Faschisten hinauswirft. Mit Eritrea und Somalia gründet Äthiopien das italienisch-orientale Afrika, das Haile Selassie 1961 beendet und Eritrea zu einer äthiopischen Provinz macht. Es folgt ein 31-jähriger Krieg.

Eritrea wurde 1993 von Äthiopien unabhängig und behält dabei den Meereszugang mit Dschibuti und Somalia, der Äthiopien abhandenkommt. Seit 1890 herrschte Krieg mit Italien, den die Briten und Franzosen mit Kolonialverträgen 1954 ablösten.

Das faschistische Italien besetzte Äthiopien 1935 im Abessinienkrieg mit chemischen Massenvernichtungswaffen und Giftgas, eine Million Äthiopier kamen ums Leben. Italien wollte Ostafrika erobern.

Äthiopien befreite sich im 2. Weltkrieg und entwickelte sich zum ersten unabhängigen afrikanischen UN-Mitglied. 1974 wurde Kaiser Selassie gestürzt und eine Militärregierung mithilfe der Sowjetunion eingesetzt. Zwei Mal überworfen kam 1991 die Revolutionäre Demokratische Front an die Macht.

Äthiopien liegt am Horn Afrikas ohne Meerzugang, den ihm Somalia, Eritrea und Dschibuti wegnehmen. Äthiopien hat eine drei Millionen Jahre alte Geschichte und Kultur und liegt in den tropischen Breitengraden. Es ist eines der ältesten Länder der Welt und gehört zu den Wiegen der Menschheit.

4 v. Chr. bis zum 10. Jahrhundert n. Chr. gründeten lokale Afrikaner die Stadt Aksum, die sich zu einem der wichtigsten Handelsmärkte für Schildkrötenpanzer, Gold, Smaragde, Elfenbein, Seide und Gewürzen entwickelte. Vom Nil nach Alexandrien bis China wurde über die Seidenstraße gehandelt. Bis zum 9. Jahrhundert n. Chr. herrschte das Reich über das Rote Meer, den Golf von Aden, Somalia und Dschibuti und machte das Meroe-Königreich zunichte. Aksums (2131 m über dem Meeresspiegel) archäologische Stätten sind ein UNESCO-Weltkulturerbe. Das Imperium entwickelte distinktive Architektur und gigantische Obelisken. Einer der ausgegrabenen, beschädigten, wird auf 2000–5000 v. Chr. geschätzt. Die Handelsmacht war eine der vier Weltmächte.

Im 4. Jahrhundert christianisierten sich die Könige von Aksum. In der St.–Mary-of-Zion-Kirche soll der Ark of the Covenant, eine mit Gold besetzte Holztruhe, in der sich die Steintafeln mit den Zehn Geboten befinden, aufbewahrt sein. Dies ist im Buch vom Exodus sowie im Neuen Hebräischen Testament bestätigt. Deshalb ist Aksum ein heiliger Pilgerort für Christen, Muslime und Juden. – Königin Sheba soll nach einem Besuch bei König Salomon in Jerusalem zwei Söhne gezeugt haben, wovon einer in Äthiopien aufwuchs und danach mehrere Jahre beim Vater in Jerusalem lebte, von wo er die Tafeln nach Aksum brachte.

Aksum verband sich mit dem byzantinischen Ägypten und machte Jemen zum Vasallen. Im 6. Jahrhundert wurde das Reich von den Arabern geschlagen, diese machten dem Handel vorläufig ein Ende. Aber das Christentum installierte sich solide, Jahrzehnte lang. Lokale Geschichten erzählen von einer jüdischen Königin Judith, die 960 alle Kirchen verbrennen ließ, oder es war eine lokale Herrscherin, sicher ist nur, dass kurz eine Frau regierte.

Das Land entwickelte sich fantastisch, aber verlor im 15. Jahrhundert an Glanz unter dem Islam und wegen Umweltkatastrophen. Mit der Ankunft der christlichen portugiesischen Missionare 1542 entstand dann Uneinigkeit mit dem Islam.

Die Europäer zwingen dem Land Haile Selassie als Regent auf. 1941 befreien die Franzosen und Briten Äthiopien. Eritrea erlangt 1993 die Unabhängigkeit aber Grenzkonflikte führen zu militärischer Intervention.

Äthiopien stellt Militär in Somalia. 2018 schließen alle einen Friedensvertrag. Der neue Premier Abiy Ahmed verspricht viel (wofür er 2019 den Friedensnobelpreis erhielt) und tut wenig. Die ethnische Vergangenheit interessiert ihn nicht. Das Volk ist unzufrieden, es finden blutige Straßenkämpfe statt. Wirtschaft und Tourismus verlieren an Fahrt. Ahmed lässt sich auf keine Versöhnung ein, aber verschiebt die Wahlen 2020 wegen Corona auf unbestimmte Zeit, was die Wut der Menschen noch fördert. Trotz alledem: Abiy Ahmed gewinnt die Wahlen 2021 erneut massiv.

Äthiopien, Sudan und Ägypten streiten um den Nil-Staudamm. Es droht ein Wasserkrieg. Wem gehört das Nilwasser? Nach dem Mord eines populären Musikers und der Entlassung eines Ministers, der für Reformen war, eskalieren die Uneinigkeiten. Auch Corona macht die Zukunft ungewiss.

Äthiopien gehört zu den ersten UN-Mitgliedern, unterstützte die Dekolonisation Afrikas und gründete 2002 die Organisation der afrikanischen Einheit. Kulturell, wirtschaftlich, historisch ist Äthiopien ein wichtiges Mitglied der Seidenstraße am Start des phänomenalen Weges.

Addis Ababa ist eine quirlige, lebendige Hauptstadt mit Menschen aller Couleur, von denen man auf dem Markt nicht genug bekommt. – Man ist in Nordafrika! Das Museum ist ein Highlight, wo man nicht nur die Replika der 3,2 Millionen Jahre alten Lucy, dem aufrecht gehenden etwa zwölfjährigen Mädchen, bestaunen kann. Der älteste moderne Homo sapiens, 160.000 Jahre alt, wurde in Äthiopiens Osten gefunden. In Äthiopien lebten archaische Homo sapiens, die man nicht zuordnen kann. Dies ist noch heute mit den Neandertalern so.

Armut und Arbeitslosigkeit im ältesten unabhängigen Land Afrikas sollten für den ebenso betroffenen Sudan und Ägypten eine Einladung zu Zusammengehörigkeit und Frieden sein. Die Seidenstraße gehört zu den Hoffnungen.

Statt Flieger wählt man den neuen chinesischen Zug von Addis Abeba nach Dschibuti für 36 USD, Einheimische zahlen die Hälfte. 728 km in 12 Stunden. Seit 2018 fährt der Zug zwischen 80 und 100 km die Stunde. Am Anfang wurden Kamele und Ziegen überfahren, die jeweiligen Besitzer der Tiere ausbezahlt. Manche haben die Tiere dafür absichtlich auf die Gleise getrieben, heißt es. Verspätung heißt, unterwegs ins Hotel, das die Chinesen bezahlen und sich der Passagiere annehmen. Immigration, Gepäck, Check-in und Ticket sind durchorganisiert. Es gibt VIP, Dining, Schlafwagen oder harte Sitze. Aus dem Fenster sieht man Afrika vom Feinsten: Wüste, Kamele, Vulkane, Berge, Busch und bunte Dörfer. Eine tolle Fahrt.

Im Norden ist Lalibela ein Pilgerort für koptische Christen und deren im 12. Jahrhundert in die Felsen geschlagenen Kirchen, wo Adam begraben liegen soll. Geschichte und Archäologie faszinieren, man geht auf und ab tief unter die Kirchen.

Man kann trekken, fischen, wandern oder in Wasserfälle tauchen, den aktiven Vulkan bestaunen, eine noch wenig berührte grandiose Natur entdecken und abends erschöpft im Highlife der Stadt untergehen.

In Äthiopien wurde der Kaffee entdeckt, hier gibt es den besten Honig und die schnellsten Goldmedaillen-Sportler. Äthiopien hat den größten Viehbestand Afrikas.

Äthiopien ist ein sicheres Land, aber das kann sich schnell ändern. Vor Abreise gilt es, die Lage zu prüfen.

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