Читать книгу Die Insel - Daniel Sternberg - Страница 11
III
ОглавлениеAm nächsten Morgen wurde Leon von einem Klopfen aus dem Schlaf gerissen. Er öffnete die Augen, hob den Kopf und starrte in die Dunkelheit. Er rieb sich verwirrt die Augen, erkannte die aus Steinen geschichteten Mauern, die ihn umgaben, und wurde sich allmählich bewusst, dass er sich ja auf dieser seltsamen Insel befand. Es klopfte abermals, diesmal lauter und härter. Er gähnte, schlug das Laken zurück, raffte sich auf und wankte zur Tür. Als er die Tür öffnete, erblickte er Elias, der soeben dazu ansetzte, seinen Stock ein drittes Mal gegen die Tür zu schlagen.
"Guten Morgen", sagte Elias und schaute prüfend zu ihm auf, "hast du gut geschlafen, junger Mann?"
"Unruhig", erwiderte Leon und blinzelte über Elias hinweg. Das Dorf lag still und friedlich im Dämmerlicht, die Sonne war noch nicht aufgegangen.
"Da fällt mir ein, dass du mir deinen Namen noch gar nicht genannt hat. Wie heisst du denn, junger Mann?"
"Mein Name ist Leon."
"Ah, Leon, ein ungewöhnlicher Name. Bei uns trägt ihn niemand, aber er gefällt mir. Oh ja, er gefällt mir. Und bevor ich es vergesse: das ist für dich."
Der alte Mann war trotz der frühen Morgenstunde schon hellwach und überreichte Leon zwei Hosen, zwei Unterhosen und zwei Hemden. "Zum Wechseln", fügte er hinzu und zwinkerte mit dem Auge, "schliesslich willst du ja nicht immer in den gleichen Kleidern herumlaufen."
Leon hob ablehnend die Hände. "Vielen Dank", sagte er, "aber die brauche ich nicht. Ich werde nicht lange bleiben."
Elias legte seine Stirn in Falten, schaute Leon vorwurfsvoll an, bückte sich und legte die Kleider auf die Türschwelle. "Du wirst sie brauchen, das kannst du mir glauben. Aber jetzt müssen wir los, zur Arbeit, ich habe dich den Fischern zugeteilt. Sie können eine neue Arbeitskraft gebrauchen, sie stechen schon bald in See, und sie ..."
"Ich werde hier nicht bleiben!", unterbrach ihn Leon, "und ich werde hier nicht arbeiten!"
Als er merkte, dass er den Alten angeschrien hatte, hielt er sich beschämt die Hand vor den Mund und murmelte ein paar entschuldigende Worte. Denn irgendwie mochte er diesen Elias, auch wenn seine Sturheit kaum zu überbieten war.
"Ich möchte dich darum bitten", fuhr er mit gedämpfter Stimme fort, "mich mit einem eurer Boote aufs Festland zu bringen. Das Festland liegt im Osten, wir fahren ganz einfach nach Osten, dann können wir die Küste unmöglich verfehlen."
Elias machte einen Schritt zurück und kratzte sich lange in seinem schlohweissen Haar, während er Leon mit schräg geneigtem Kopf betrachtete. "Ich weiss nicht, was ich noch tun kann, damit du mir endlich glaubst", erwiderte er schliesslich, "es ist so, wie ich es dir gesagt habe: Es gibt kein Festland, und du wirst auch niemanden finden, der mit dir aufs Meer hinausfährt."
Leon schüttelte den Kopf und lachte auf, obwohl ihm gar nicht danach zumute war. "Du meinst es tatsächlich ernst. Ich kann das gar nicht glauben, aber du wirst dich noch wundern. Ich werde dich schon sehr bald vom Gegenteil überzeugen!"
Elias senkte den Blick und betrachtete seinen Stock, der über den felsigen Boden kratzte. "Also kommst du nicht mit uns zur Arbeit?"
"Nein", entgegnete Leon trotzig und verschränkte die Arme über der Brust, "ich werde jetzt jemanden suchen, der mich aufs Festland bringt."