Читать книгу Die Insel - Daniel Sternberg - Страница 15
VII
ОглавлениеEs war schon fast dunkel, als Leon das Dorf erreichte. Es hatte aufgehört zu regnen. Seine Kleider waren längst wieder trocken, aber seine Füsse schmerzten. Einige der Blasen waren geplatzt, so dass er kaum mehr gehen konnte. Er hatte mehrere Pausen eingelegt, um die Füsse im nahen Bach zu kühlen, hatte dadurch aber nur eine kurzzeitige Linderung erfahren. Zudem war er vom Hunger gequält worden. Er hatte noch mehr von den Brombeeren gegessen, später auch ein paar wilde Birnen, doch vermochten die Früchte seinen Hunger nicht wirklich zu stillen. Sein Magen knurrte, als er auf den Dorfplatz gelangte. Vor den Feuerstellen hatten sich lange Schlangen gebildet, aus den Kesseln, die in den Gluten standen, stieg ein leckerer Geruch in den Abendhimmel. Bei jedem Kessel stand eine Frau mit einem Schöpflöffel und füllte die Schalen, die ihr entgegengestreckt wurden. Leon schaute den Frauen eine ganze Weile zu, während er bemerkte, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Dann ging er zu seiner Hütte, holte die Schale, die er am Vorabend in seinem Gestell entdeckt hatte, lief eilends zurück und stellte sich in eine der Schlangen. Die Menschen, die mit ihm anstanden, warfen ihm befremdete Blicke zu und tuschelten miteinander, sagten aber nichts. Als er an der Reihe war, hielt er der Frau seine Schale hin, genau so, wie er es bei den anderen gesehen hatte. Die Frau bedachte ihn mit einem ausdruckslosen Blick und schüttelte den Kopf.
"Nur wer arbeitet, bekommt etwas zu essen", sagte sie lakonisch und wandte sich dem nächsten zu. Noch bevor Leon etwas entgegnen konnte, wurde er vom Kessel fortgedrängt. Er warf den Menschen, die ihn wegstiessen, missbilligende Blicke zu und versuchte es bei einem anderen Kessel, doch auch dort wurde er abgewiesen. Er versuchte es ein drittes und ein viertes Mal, aber sein Unterfangen erwies sich als aussichtslos. Überall wurde er abgewiesen, alle schienen bereits zu wissen, dass er nicht gearbeitet hatte. Er gab sein Unterfangen auf und fühlte wieder diese Wut im Bauch, die ihn bereits am frühen Morgen erfasst hatte. Er schaute sich um und suchte nach Elias, um sich bei ihm zu beschweren, doch dieser war nirgends zu sehen. Er fand sich von lauter fremden Menschen umgeben, die um die Feuerstellen herumsassen und stumm aus ihren Schalen löffelten. Sie sprachen kaum miteinander, starrten in die Gluten, erhoben sich bisweilen, um ihre Schalen nachzufüllen. Leon wurde kaum beachtet, was ihn noch wütender machte. Sein Magen knurrte immer lauter, doch sein Stolz verbot ihm, bei jemandem um Essen zu betteln - eher würde er hungern, sagte er sich, als sich vor diesem unfreundlichen Volk zu erniedrigen. Er warf einen wütenden Blick in die Runde, wandte sich ab und kehrte zu seinem Haus zurück.