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c) Besonderheit: Grundrechte mit normgeprägtem Schutzbereich und Grundrechte unter Regelungsvorbehalt

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Vom Eingriff im gerade behandelten Sinne zu unterscheiden sind zunächst Ausgestaltungen oder Konkretisierungen der Schutzbereiche von Grundrechten durch den Gesetzgeber. In diesen Fällen will der Gesetzgeber nicht ein grundrechtlich geschütztes Verhalten unterbinden; im Gegenteil, er will Verhaltensmöglichkeiten eröffnen, damit der Einzelne das Grundrecht überhaupt erst ausüben kann. Schutzbereiche von Grundrechten, die einer solchen gesetzlichen Ausgestaltung und Konkretisierung bedürfen, nennt man sog. normgeprägte Schutzbereiche.[41]

Beispiel

Erst durch den Gesetzgeber wird aus einem Zusammenleben von Mann und Frau die Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) und zusammen mit Kindern die Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus einem Haben Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG).

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Bei den normgeprägten Grundrechten ist problematisch, dass sie einerseits auf Ausgestaltung angelegt sind, damit der Einzelne von ihnen Gebrauch machen kann, und andererseits die öffentliche Gewalt verpflichten, die Ausgestaltungen vorzunehmen. Die gesetzgeberische Pflicht zur Ausgestaltung eines Grundrechts kann allerdings nicht bedeuten, dass der Gesetzgeber über das Grundrecht verfügen darf. Wenn der Gesetzgeber Grundrechte ausgestaltet, muss er sich vielmehr an den Grundrechten messen lassen. Eine gesetzgeberische Regelung, die „mit der Tradition bricht“, ist grundsätzlich keine Ausgestaltung des Schutzbereichs, sondern wie ein Eingriff in den Schutzbereich zu behandeln.[42]

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Außerdem gibt es Grundrechte, bei denen der Gesetzgeber berechtigt oder verpflichtet ist, das Grundrecht durch nähere Regelung auszugestalten (sog. Grundrechte unter Regelungsvorbehalt). Solche Grundrechte erkennen Sie bereits an ihrem Wortlaut, denn bei ihnen heißt es, das Nähere werde durch ein Gesetz bestimmt oder geregelt (z.B. Art. 4 Abs. 3 S. 2, Art. 12a Abs. 2 S. 3, Art. 104 Abs. 2 S. 4 GG). Bei den Grundrechten unter Regelungsvorbehalt darf der Gesetzgeber den Grundrechtsgehalt als solchen nicht verändern, insbesondere nicht verkürzen; er darf die grundrechtlichen Gewährleistungen aber durch Modalitäten, Formen und Verfahren handhabbar machen.[43]

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Solange die grundrechtlichen Gewährleistungen nicht geschmälert werden, stellen die gesetzlichen Konkretisierungen des Schutzbereichs eines unter Regelungsvorbehalt stehenden Grundrechts keinen Eingriff dar.[44] Für den prüfungsrelevanten Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG nimmt die überwiegende Ansicht, zu der auch das Bundesverfassungsgericht gehört, jedenfalls an, dass es sich hierbei um einen Gesetzesvorbehalt handelt.[45]

Beispiel

Der deutsche Staatsangehörige A betreibt seit Jahrzehnten eine Schmiede in einem dicht besiedelten Wohngebiet. Kürzlich hat er leistungsstärkere Maschinen erworben, die nicht mehr nur – wie bisher – tagsüber, sondern auch nachts laufen sollen. – Zum Schutz der Gesundheit von Nachbarn, die von immissionsträchtigen Handwerksbetrieben betroffen sind, erlässt der Gesetzgeber einige Zeit später ein seit längerem geplantes Gesetz, nach dem das Arbeiten in Handwerksbetrieben zwischen 22 Uhr und 5 Uhr ausnahmslos untersagt ist. A ist mit dieser Regelung nicht einverstanden. – Im hier interessierenden Sachzusammenhang soll allein das Grundrecht des A auf Berufsfreiheit behandelt werden. Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist eröffnet, denn A ist Deutscher i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG und übt einen Beruf i.S.d. Art. 12 Abs. 1 GG aus. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG sieht nun vor, dass die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden kann. Von dieser Befugnis hat der Gesetzgeber Gebrauch gemacht. Auch bei der Ausgestaltung von Grundrechten durch nähere gesetzliche Regelung unterliegt der Gesetzgeber verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das Gesetz ist daher (nur dann) verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn es eine verfassungsmäßige, insbesondere verhältnismäßige, Konkretisierung des Regelungsvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG darstellt.

JURIQ-Klausurtipp

Sie sehen: Trotz dogmatischer Besonderheiten dürften die Grundrechte unter Regelungsvorbehalt (ebenso wie die Grundrechte mit normgeprägtem Schutzbereich) in der Fallbearbeitung wie Grundrechte unter Eingriffsvorbehalt geprüft werden.

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