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VII

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DER ‚Schwebende‘ stand unter der Dusche. Ungewöhnlich aber wahr: Die Dusche war ringsherum verspiegelt. Eigentlich hätte man Marmor erwarten dürfen, aber nein, Spiegel. Nanobeschichtet, so dass nicht mal ein einziger Wassertropfen die Chance hatte, für einige Augenblicke an den Spiegeln zu verweilen. Sie tropften einfach ab und der Duschende konnte sich während des Reinigungsvorgangs problemlos von Kopf bis Fuß bewundern. Das machte ihn glücklich. Sagen wir: fast. Denn eigentlich gab es da nicht viel zu bewundern. Nein, er war nicht fett und konnte sogar noch ohne Hilfsmittel auf seinen Schniedelwutz blicken. Aber was er dort sah, war nicht berauschend. Selbst Viagra hätte ihm nicht viel genützt, denn sein viel zu hoher Blutdruck ließ es nicht mal zu, dass er zu Hilfsmitteln dieser Art hätte greifen können. Klar, er war immer noch heiß auf frisches Blut, aber seine Gelüste in die Tat umsetzen – keine Chance. Er wusste das und es machte ihn wütend. Erst letztens, bei einer Feier in seiner edlen Stadtwohnung in Schwabing, zu der er jede Menge Models eingeladen hatte, fiel ihm eine Brünette auf. Höchstens zwanzig Jahre. Kleine, spitze, unter einem Hauch von Chiffon sich abzeichnende Brüste erregten seine Aufmerksamkeit. Er wäre sehr happy gewesen, wenn ER sich erregt hätte. Er machte sie an. Dumm wie seine Werbeslogans auch der Anmachspruch, der selbst die ziemlich dämlich blickende Kleiderständerin – gendermäßig korrekt? – nicht auf Hochtouren brachte. Nichts tat sich. Die Brünette drehte sich einfach weg. Sein Ego unterhalb des Bauchnabels konnte sich ebenfalls nur wegdrehen …

Verdrossen trocknete er sich ab, streifte den seidenen Bademantel über, als es klingelte.

Er griff sich das Handy, das auf dem Sideboard des Waschtisches lag.

Mein Job ist beendet! Keine Diskussion. Aus und vorbei. Sie sind ein riesiges Arschloch. Ich fliege sofort zurück, bringe Ihnen Ihr mir großzügig überreichtes Honorar – wofür eigentlich? – wieder vorbei und das war’s. Auftrag erledigt. Die beiden Typen, die Sie mir an die Seite gestellt hatten, können Sie ebenfalls auf Dauer vergessen! Und natürlich den, den ich beschatten sollte.«

Folgmann erkannte die Stimme des Doktors. Aber bevor er etwas erwidern konnte, hatte der schon aufgelegt. Der schwebende in Seide gehüllte Milliardär hyperventilierte. Es war kurz nach sieben Uhr morgens, er musste zu einem wichtigen Termin nach Frankfurt fliegen, seine Frau Tanja war mal wieder verschollen. Angeblich wollte sie gestern mit einer seiner Privatmaschinen zu einer Freundin nach Hamburg fliegen. Rolando Villazón sang dort an der Oper den „Alfredo“ in Verdis „La Traviata“. Ja, sie war geflogen, aber mit dem Heli und er ahnte, dass sie in ihrem Chalet in Davos auf Vögeltour war. Nichts mit Oper. Die und Oper! Dass ich nicht lache! Ich weiß doch, wo sie ist. Mein schönes Chalet! Davos! Wo ich regelmäßig einmal im Jahr die Größen dieser Welt treffe, weil ich selbst ein Großer bin. Respektiert unter meinesgleichen. Und nun immer wieder das! Einem meiner Piloten musste ich eine hohe Abfindung zahlen und ihn feuern! Ich glaube, der hat es ihr auch besorgt und als sie seiner überdrüssig war, hat er sie an mich verpetzt!

Eigentlich war das dem ‚Schwebenden‘ egal, denn er schaffte es ohnehin nicht mehr, ihr weitere Kinder zu machen. Das selten stattgefundene Ereignis der Befruchtung lag Jahre zurück und sie war damals noch jung und knackig und er im Vollbesitz seiner Manneskraft. Immerhin hatte er es geschafft, ihr zwei Kinder zu machen, die einst sein Erbe antreten würden. Dennoch erschütterten ihre ‚Opernbesuche‘ immer wieder sein unermesslich großes Ego.

Und jetzt das! Seit Minuten lief Folgmann durch sein privates Reich. Wohnzimmer, Salon, Esszimmer, Entrée, Bibliothek. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er die Fenster geöffnet, seinen seidenen Überwurf weggeworfen hatte, dass er schwitzte und gleichzeitig fror. Er schwebte, nackt wie ihn seine längst verstorbene Mutter-Patriarchin zur Welt gebracht hatte, an seinen Schreibtisch in der Bibliothek, griff zum Hörer des Festnetzanschlusses, der sehr gut gegen mögliches Abhören gesichert war, anders als Handys es sind, und wählte eine Nummer. Nichts. Keine Antwort. Er wählte eine weitere Nummer. Wieder nichts. Erneut überfiel ihn ein Schweißausbruch. Muskelzittern, Zähneklappern. Durch bakterielle Infektionen, Parasiten, Viren oder Pilze wird die körpereigene Abwehr aktiviert und es werden sogenannte Pyrogene freigesetzt. Diese fieberauslösenden Pyrogene geben im Wärmeregulationszentrum des Gehirns das Signal zur Erhöhung der Temperatur. In den Räumen waren höchstens noch 14 Grad, sein Körper verlangte 38 Grad. Folgmann war bereits unterkühlt. Lungenentzündung? Scharlach? Blutvergiftung, Typhus? Entzündung der Nebenhoden? Pilzvergiftung?

Der ‚Schwebende‘ setzte sich, so wie ihn Gott geschaffen hatte, in seinen orangefarbenen Ledersessel, griff nun doch zum Handy, wählte eine Nummer, die er nicht einprogrammiert hatte. Es klingelte ewig. Dann meldete sich eine Stimme, die er nicht kannte. Er glaubte, es sei Chinesisch: », ?« (Hallo, wer sind Sie?) Er blieb stumm. Dann wieder »,?«

Folgmann gelang es nur noch, den grünen Knopf an seiner Sprechanlage zu bedienen. Ihm ging es plötzlich sauschlecht.

Sauerstoff?

Mangelware.

Dann fiel er in Ohnmacht …

Freeport

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