Читать книгу Freeport - Dankmar H. Isleib - Страница 17
XIII
ОглавлениеUM kurz vor zwölf lockte ich Fanny mit einem Blick, den der gut verstand, mich zu begleiten. Wir gingen die paar hundert Meter zum Anwesen von Folgmann am Hochufer der Isar. Fanny trabte betrübt hinter mir her. Lola lockte leider noch immer. Er war geknickt. Ich musste ihn aufmuntern. »Fanny, gleich wird es spannend und ich brauche deine Unterstützung. Wir treffen den ‚Schwebenden‘, nein, seine Frau, alles klar?!«, belog ich meinen Freund. Fanny grinste. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein. Ich hatte mich nicht extra aufgemotzt, nur eine Jeans an, T-Shirt und einen königsblauen Pulli über die Schulter geworfen, der mit den – ebenfalls königsblauen – Sneakers perfekt harmonierte, wie Anna, die mir beides geschenkt hatte, meinte, denn die Klamotten waren noch ziemlich neu. In der Linken hatte ich den Umschlag mit der Kohle, die mir der Werbekönig als Anzahlung für meinen Job gegeben und in den ich nicht mal reingeschaut hatte, die Rechte lag inzwischen auf Fannys Kopf. Er hatte sich mir unauffällig angenähert. Liebeskummer muss was Schreckliches sein …
Sekunden nachdem ich geläutet hatte, erschien das wunderschöne asiatische Wesen in der Tür. Ihr mir höflich und lächelnd entgegengebrachtes ‚Wai‘ erwiderte ich mit gleicher Geste. »Bringen Sie mich bitte zu Frau Folgmann«, flirtete ich sie mit dem charmantesten Blick an, den ich aufsetzen konnte. Sie schwieg, verbeugte sich erneut, lächelte noch mehr und bat mich ihr zu folgen. Wieder ging es vorbei an der Gemäldegalerie, diesmal nicht in den mir schon bekannten Salon, sondern in den der Dame des Hauses. Da saß die Königin und Gemahlin des Königs der Sprüche, ihre langen, leider nicht perfekten, da ein wenig krummen Beine elegant übereinander drapiert, auf einem weinroten Sessel in einem weinrot gehaltenen Salon, der eher an das Entrée eines Edelpuffs erinnerte, wenn da nicht die echten Gemälde an den Wänden gewesen wären. Picasso, Richter, Dali. Die Folgmann trug ein – ebenfalls königsblaues – Minikleid, das mit meinem Pulli korrespondierte, dass es mir fast peinlich gewesen wäre. „Geihnixsplau“, wie die Dresdner sagen würden. Das Modediktat des Jahres hatte auch die Dame des Hauses erreicht. Ich verfluchte für einen Moment Anna und ihre lieb gemeinten Geschenke.
Kühl begrüßte ich die Kühle:
»Ich war eigentlich mit Ihrem Mann verabredet, Frau Folgmann, falls Sie sich entsinnen können …?!«
Sie schlug erneut ihre Beine über. Nun das rechte über das linke. Die Geste kannte ich aus einem Film mit Sharon Stone … Die hier hatte definitiv nichts unter dem teuren Minifetzen an … Lassen wir das. Dabei lächelte sie mich mit ihren schmalen, aber unverkennbar gebotoxten Lippen an, und ihre Augen sagten definitiv: „Nimm mich, oder ich fang‘ dich“.
Ekelhaft.
Sie hielt sich für unwiderstehlich. Ich schien ihr Typ zu sein, wenn sie denn überhaupt Männer nach Typus unterschied und nicht nach …
»Mein Mann kommt leider erst später oder morgen aus der Klinik. Ich sagte es Ihnen. Es tut mir leid, Herr Richter, die Klinik …« Und schon wieder schlug sie ihre langen, leicht krummen Stelzen auffällig entgegengesetzt übereinander, links über rechts, nicht ohne mir einen noch auffälligeren Blick auf das den Beinen Folgende zu gewähren.
Ja, ja, die ‚Klinik‘! Luder!
»Macht nichts. Ich wohne nur ein paar Meter weiter. Fanny, komm, lass uns gehen. Ich versuche es dann um vierzehn Uhr noch mal, wenn Sie das bitte Ihrem Mann ausrichten würden.«
Nichts wie weg.
Aber ich hatte nicht mit der Hartnäckigkeit der Tanja Folgmann gerechnet.
»Ach, bleiben Sie doch auf einen Tee, Herr Richter. Was haben Sie denn mit meinem Mann zu besprechen, vielleicht kann ich Ihnen auch weiterhelfen?«
Fanny, der bis eben noch völlig teilnahmslos neben der Tür lag, seinen Blick unentwegt auf die Blonde in Blau gerichtet, schaute mich nun an, wie nur er das kann und sagte mir:
Dass ich nicht lache. Pass auf, Doktor, die will was von dir. Denk du an deine Anna und baue keinen Mist, wie damals bei der Witwe Wille im Fall Feingeist, deinem letzten Ausrutscher! Ich werde dich davon abhalten und außerdem – so schön ist die nun auch wieder nicht und dann noch die Stimme! Die geht mir ja richtig auf meine Ohren.
Dann drehte er sich demonstrativ wieder von mir weg und schaute Tanja Folgmann an, als ob er sie gleich …
Nur keine Hand abreißen, alter Freund! Das lass mal schön bleiben!
Aber ich glaube, er hatte es eher auf ihre provokante Geste und ihre nicht gerade als superschön zu bezeichnenden Beine abgesehen.
Der schafft es, und reißt ihr ein Bein aus!
»Nein, lassen Sie mal. Ich wollte ihm eigentlich nur sein Geld zurückgeben und sagen, dass ich an seinem Auftrag nicht interessiert bin.«
»Sie machen mich neugierig, Herr Richter?!« – und wieder wechselten die Beine ihre Stellung und gaben mir überdeutlich zu verstehen, was sie eigentlich von mir wollte – »ich weiß nicht, was mein Mann mit Ihnen besprochen hat, würden Sie mich aufklären? Was für Geld? Was für ein Auftrag?«
Ihr Ton war sehr hart geworden. Fanny deutete mir an, dass er schon ziemlich sauer sei und dass ihm ein AC/DC-Konzert mit 140 dB weitaus lieber sei, als der Smalltalk mit Frau Folgmann und ihrer rücksichtslosen, blasiert rüberkommenden, viel zu lauten Sprechstimme mit dem für Fanny und mich wirklich abtörnenden Sound.
»Wissen Sie, er lässt mich oft über seine Geschäfte im Unklaren.«
In diesem Moment kam die asiatische Schönheit und rollte einen Teewagen in den Salon.
Achtung, Doktor, da läuft was, ohne dass du es kontrollieren kannst.
Die Folgmann musste das alles geplant haben, denn seit ich ihr gegenübersaß, hatte sie nichts geordert, nur versucht mich auszufragen und flachzulegen. Wortlos ging die Schönheit, nachdem sie den Teewagen vor der Folgmann abgestellt hatte; Fanny und ich blickten ihr hinterher. Tanja Folgmann erhob sich lasziv aus dem roten Sessel, drehte mir demonstrativ ihren für meinen Geschmack zu flachen, zu breiten Hintern entgegen, der mich wohl anmachen sollte, und goss ziemlich ungeschickt Tee ein. Dann reichte sie mir die Tasse und streifte dabei wie unabsichtlich mit ihrem Handrücken meinen. Und ihr Blick sagte nun noch deutlicher, „nun nimm mich endlich …“
»Wenn ich nur wüsste, was er von Ihnen will, Doktor, oder darf ich Daniel zu Ihnen sagen?«
»Natürlich, Frau Folgmann. Wenn Sie es so wünschen …«
»Tanja.«
»Okay, Tanja …«
Was will die Frau von mir? Doktor, pass auf! Hier läuft definitiv was falsch. Erst der Anruf, der diffuse Auftrag, dann Singapur, nun ist er angeblich noch im Krankenhaus … Fanny, du bist cleverer als ich …
Wieder der Blick in ihr äußeres Inneres, als sie sich zurück in ihren Sessel setzte. Jetzt wurde es definitiv peinlich.
Dann setzte sie übergangslos an: »Es hat sich sicher schon bis zu euch rumgesprochen, dass wir, also mein Mann und ich, eine offene Beziehung führen. Nein, das liegt nicht an mir, dass es so ist, wie es ist, sondern an Jacob. Als ich ihn kennenlernte, war ich jung und naiv. Ich studierte noch Informatik. Er war schon damals ein großer Mann, von Sprüchen und Kunst besessen. Ich war für ihn nur eine Trophäe und schon bald abgelegt. Er ist zwar ständig scharf, aber nicht auf mich und wenn überhaupt, nur mit den Augen. Er interessiert sich bis heute nur für die Malerei und Geld. Seine Werbeunternehmen sind nur Mittel zum Zweck für sein Ego. Er scheffelt und hortet, hortet und scheffelt und besteht nur aus seinen blöden Werbesprüchen und Geheimnissen. Er sagt mir gar nichts. Nichts, verstehst du?! In meiner Naivität als junges unerfahrenes Mädchen dachte ich, dass es in einer Ehe normal wäre, wenn man sich alles sagt, wenn man offen zueinander ist und seine Gedanken teilt. Das machte er nie richtig und heute schon gar nicht mehr. Er gibt mir schon ewig nicht mehr das Gefühl, dass er mich liebt. Er ist laufend unterwegs, oft mit Typen, die mir nicht gefallen. Fliegt durch die Welt und sagt nichts. Nicht mal, wohin. Er hat mir auch noch nie etwas von seinen Geschäftsreisen mitgebracht. Du verstehst, Daniel, dass ich mir hin und wieder meine Gedanken mache. Erst vor einer Woche hat er hier – sie zeigte auf das Gemälde hinter mir – den Picasso hingehängt. Da hing vorher eines der mir nichts sagenden Strichmännchenbilder von Penck. Er wechselt die Bilder im Haus laufend. Die hängen meist nur ein paar Tage oder Wochen. Und meist dann, wenn er sie wechselt, fliegt er irgendwo hin, oder kommt gerade von weiß ich wo. Willst du nicht für mich arbeiten, du bist doch Detektiv, oder?«
Jetzt ging mir endlich ein Licht auf! Zumindest glaubte ich das. Und die Naive, die nur daran dachte, es der Sharon Stone gleichzutun, hatte mich darauf gebracht. Vielleicht wäre es einfacher, von Tanja, so durfte ich sie ja nun nennen, sehr großzügig, einen Job anzunehmen. Dann wäre ich von der Straße und könnte herausfinden, was in Singapur abgelaufen ist. Es wurmte mich schon ziemlich, dass der ‚Schwebende‘ mich für etwas benutzt hatte, was ich einfach nicht auf die Reihe bringen konnte.