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XV

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IN ihrer anbiedernden Art goss mir Tanja Folgmann eine Tasse Tee nach. Sie gab nicht auf, mich dazu zu bringen, sie zu verführen. Doch sie konnte nicht mit dem aufmerksamen Fanny rechnen. Kaum hatte sie meine Tasse gefüllt, versperrte ihr der Riesenköter den Weg, die Kanne fiel ihr unsanft aus der Hand und es war um ihr königsblaues Kleid geschehen. Dann heulte Fanny auf, als sei ein G7 Torpedo der Kaiserlichen Marine von 1917 im Anmarsch. Ihm reichte es definitiv. Sein Geheule brachte die asiatische Hausdame dazu, in den Salon zu stürzen. Sie hatte natürlich auch das Fallen der Kanne vernommen. Das war mein Glück, denn Tanja Folgmann war gerade dabei, sich des nassen Kleidungsstückes zu entledigen.

»Gehen Sie wieder. Holen Sie einen Besen. Den Rest mache ich!«, herrschte die Folgmann ihre Angestellte an.

Da war sie wieder. Die alles beherrschen wollende Milliardärsgattin. Mein Glück. Ihr war der erneute Angriff auf meine Männlichkeit für den Moment vergangen. Nachdem die Scherben von der Asiatin mit einem zauberhaften Lächeln weggeräumt worden waren, die Folgmann das aufregende Blaue gegen ein gelbes, züchtig geschnittenes Kostüm getauscht und Fanny sich wieder beruhigt hatte, plauderten wir den klassischen Münchener Smalltalk und tauschten Neuigkeiten über die Grünwalder Gesellschaft aus. Ein Profi des FC Bayern sei wieder weggezogen, rein in »the City«, ein wahrer Verlust sei das für die Gemeinde. Ein anderer aus dem Club würde sich jetzt doch die Villa am Hang bauen, weiter oben, und ob ich es denn schon wüsste, dass es dem Schauspieler W.W. gar nicht gut gehen würde, seine Arthrose sei so schlimm geworden, dass er nun doch mindestens ein neues Knie brauchen würde. Und dass ihr eine Freundin gesteckt hätte, dass der heimliche Freund von dem Aufsichtsratsvorsitzenden der GEO AG schon wieder beim Fremdgehen mit dem Schlagerfuzzi XY erwischt worden wäre und es einen handfesten Krach in der Gesellschaft gegeben hätte, da das ja nun wahrlich nicht standesgemäß wäre. Sie war definitiv auf Männer fixiert. Frauen kamen in ihrem belanglosen Geplauder nicht vor, aber Schwule. Merkwürdige Person, die arrogante Allesf … Sie erwähnte auch nicht weiter, was ich denn für sie recherchieren sollte. So verging die Zeit und dann hörte ich das Schlagen der Haustür. Der ‚Schwebende‘ machte sich lautstark bemerkbar. Wer sonst würde es wagen, dermaßen unsensibel die stahlverstärkte Tür zu malträtieren. Tanja flüsterte mir schnell noch zu: »Es bleibt dabei, du hilfst mir. Geld spielt keine Rolle. Unser Deal, ja?«

Ich nickte.

»Tanja?! Wo bist du?!«

Herrschsüchtig. Mit schleimiger Stimme. Kontrollfreak.

Dann stand der ‚Schwebende‘ schon im roten Puff-Salon mit den wertvollen Gemälden und starrte mich an, als sei ich der Eisheilige persönlich. Sein Gesicht mutierte in Bruchteilen von Sekunden zu einer Fratze.

»Raus. Was bilden Sie sich ein! Verlassen Sie auf der Stelle mein Haus.«

»Hier, Ihre Kohle. Bin schon weg.« Ich schmiss ihm den Umschlag vor die Füße. Meine Geduld war überstrapaziert.

»Nein. Sie warten, bis ich das Geld gezählt habe!«

Fanny platzte der Kragen. Er erhob sich majestätisch, ging langsam, aber bestimmt, sich immer mehr aufrichtend, auf den kleinen Großen zu und als der sich bückte, um das Geld aufzuheben, stand Fanny vor ihm, so dass Folgmann sich nicht traute, den Kopf auch nur einen Millimeter anzuheben. Ein köstliches Bild. Ich hätte mein Handy nehmen, filmen und die absurde Situation – „Münchener Milliardär spielt bei der Geldsuche mit asiatischem Kampfhund“ – ins Internet stellen sollen.

Definitiv ein Hit!

»Nehmen Sie Ihren riesigen Köter weg, sofort!«, schrie er mich an, was Fanny dazu veranlasste, ihm seine rechte Pfote freundschaftlich auf die Schulter zu legen.

»Was wollten Sie wirklich von mir? Warum schickten Sie mich über Taipeh nach Singapur, Folgmann? Um einen Toten zu besuchen? Sie ticken nicht richtig!«

Wie Fanny hatte auch ich die Schnauze gestrichen voll.

»Fanny, komm«, rief ich Fanny, warf noch einen kurzen Blick auf meine Neufreundin Tanja, die in einer Mischung aus schockiert und amüsiert die Szenerie beobachtet hatte, und war auch schon weg. Der Typ hätte eigentlich gleich eins auf die Fresse verdient. Aber den Gefallen wollte ich ihm nicht tun. Dazu waren mir meine Hände zu schade. Die schöne Asiatin stand bereits an der Haustür, öffnete sie mit ihrem bezaubernden Lächeln und blickte uns mit der gleichen Anmut hinterher. Dessen war ich mir sicher. Ich war noch immer angefressen, aber gleichzeitig stark motiviert, mich an die Folgmanns zu hängen.

Ja, an beide …

»Anna. Wer sind die Folgmanns? Du bist Grünwalderin, kennst die Leute hier.« Ich überfiel meine Süße, denn wenn ich äußerlich auch schon wieder gelassen wirkte, es brodelte in mir. Drei Tote in einer Nacht, zwei davon selbst in Notwehr erschossen – das steckt auch ein Daniel Richter nicht so einfach weg. Und ich spiele nicht gerne in einem Spiel mit, dessen Regeln ich nicht kenne.

»Komm runter, Doktor! Die Monate ohne dein ständiges Grübeln, wer wen betrogen, umgebracht oder vergewaltigt haben könnte, das hat mir schon sehr gut gefallen. Ja, ich weiß, du hängst an deiner Philosophie. Du willst an das Gute im Menschen glauben und gegen das Böse angehen. Gerechtigkeit. Das möchte ich auch. Dennoch: Geht es nicht, dass wir wieder in Bali am Strand liegen oder einfach nur am Starnberger See den Sonnenuntergang beobachten? Geld haben wir doch genug. Aber was rede ich. Du kannst nicht anders. Und auch dafür liebe ich dich, das weißt du!«

Fanny beobachtete uns genau. Er ging erst zu Anna, leckte ihr die Hand, dann kam er zu mir und stupste mich mit seinem Riesenschädel in die Seite, dass ich sicher einen blauen Fleck bekommen würde, von den gebrochenen Rippen und der zu amputierenden Niere ganz zu schweigen.

»Ich kann dir nichts über die beiden sagen. Er ist blasiert, hält sich für etwas ganz Besonderes – aber das weißt du ohnehin – und sie, so munkelt man, hat häufig irgendwelche Affären. Das ist alles.«

»Komm, du liest BUNTE und den ganzen Klatsch. Da wird es doch wohl einen Anhaltspunkt geben, der mir nützt, oder?«

»Richter: Was ist in Taipeh passiert? Du kamst mit der Maschine aus Taiwan. Was hast du da für den gemacht?«

»Das ist es ja. Gar nichts! Zwei Männer holten mich ab, wir flogen nach Singapur. Sie brachten mich zum ›Le Freeport‹, dem Luxustresor der Superreichen. Dort lag ein Toter – und das war’s! Ich bin sofort wieder abgehauen, um dem Knast mit möglicher Todesfolge in Singapur zu entgehen. Deshalb bin ich ja so sauer auf den Folgmann. Ich weiß bis jetzt nicht, was er von mir wollte. Warum er mich nach Asien schickte, ohne klar definierten Auftrag! Kann sein, dass er auch nicht gewusst hat, was da gespielt wird. Kann aber auch sein, dass er mich nur vorgeschickt hat, um selber sauber zu bleiben. Vielleicht galt ein weiterer Mord eigentlich ihm und nur weil er mich vorschickte, wussten die Typen nicht, was sie mit mir anfangen sollten, oder das Szenario stellte eine Warnung für Folgmann dar. Definitiv: Ich weiß nichts! Da läuft was ganz Fieses ab, glaub mir. Diese Unsicherheit treibt mich um! Ich kann es nicht leiden, wenn man mich verarscht. Und ich fühle mich verarscht.«

»Das wusste ich nicht, Richter. Einen Toten! Und du mittendrin?! Es ist immer dasselbe mit dir. Du ziehst das Verbrechen an. Aber der biedere Folgmann, nee, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der in ein Mordkomplott verwickelt sein soll. Der ist doch ängstlich bis zum Abwinken. Dagegen bin ich ja eine brutale Draufgängerin!«

Wenn Anna geahnt hätte, dass ich zwei Männer auf Dauer zum Schweigen bringen musste, um hier und jetzt lebend vor ihr sitzen zu können. Ich würde es ihr nie sagen. Das würde sie viel zu sehr belasten. Sie würde ständig Angst um mich haben, dass man mich über Interpol findet, dass man mich ihr wegnimmt und ich …

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