Читать книгу Freeport - Dankmar H. Isleib - Страница 5
I
ОглавлениеFUCK! Mein Privatleben ist mir heilig! Erst recht an den Wochenenden. Das sollte sich in München doch inzwischen rumgesprochen haben! Warum begreifen das meine Klienten nicht? Gerade war ich mit Anna, Frau Fischer-Richter, meiner fast einzigen Frau, von meiner längst überfälligen Hochzeitsreise nach München zurückgekehrt, als mein Handy auch schon klingelte.
Freitagnachmittag.
Zu der Stunde, wo die sich affengeil findenden Typen im Designer-Outfit schon die erste Line reingezogen haben, dann angefixt den Straßenverkehr zur Mördermeile machen und die Tussis sich aufbrezeln – als stehe schon wieder eine völlig uninteressante Hochzeit im britischen Königshaus an –, um sich von irgendeinem der Gegelten mit Kohle erst ins XY einladen zu lassen, um ihm dann später, ganz unverbindlich, als Dankeschön, einen zu blasen.
Es war kurz nach 16:00 Uhr. Den Anrufer kannte ich. Stimmen sind etwas Einmaliges. Und diese erst …
Ich wollte es mir nicht leisten, den Mittelfinger zu heben und dem einen Korb zu geben. Klar, wir hatten geerbt, besser gesagt meine Anna, aber ich wollte nicht abhängig sein. Außerdem liebe ich irgendwie auch meinen Beruf. Na ja, was heißt schon ‚Beruf‘ – eher meinen Job. ‚Beruf‘ klingt in meinem Fall so nach Ärmelschoner, sterilem Büro und langweiligen Kollegen, die nur …
»Doktor, kommen Sie sofort zu mir. Sie wissen doch, wo ich wohne?! Es ist nur um die Ecke, okay?!«
»Klar doch. Heute wird das aber nichts. Ich bin gerade erst angekommen. Hochzeitsreise, Sie verstehen …?«
»Das ist gut so. Dann brauchen Sie gar nicht erst auspacken. In zehn Minuten bei mir. Ich verlasse mich auf Sie!«
Zack, der Oberarsch hatte aufgelegt, bevor ich die sauerstoffreiche Grünwalder Luft erneut einatmen konnte. Ging gar nicht darauf ein, was ich ihm gesagt hatte.
Was nun?
Fünf Milliarden gegen meine Faulheit.
Ein Mann, der schwebt. Ein Mann, der nicht geht, nicht schreitet – einer der schwebt!
Jesus oder Papst?
Wer kann schon auf Wasser latschen?
Wie kann ich dem Paroli bieten?
Was will der von mir?
»Anna, du kennst das schon. Der Folgmann hat gerade angerufen. Da scheint es was für mich zu tun zu geben. Ich gehe mal kurz rüber. Machst du uns bitte inzwischen einen Tee? Das wäre ganz lieb von dir! Es dauert nicht lange. Bin gleich zurück.«
Anna zeigte mir ihre Enttäuschung nicht, aber ihre Augen sagten, dass nicht der, der mich zwang zu ihm zu kommen der Oberarsch sei, sondern ich.
»Fanny, lass uns gehen!«
Der Mistkerl drehte nicht mal seine Lauscher zu mir. Der war noch immer stinkig. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht wollte er wieder zu der deutschen Wachtelhündin, dieser Rothaarigen mit dem seidigen Fell, die ihm auf Capri total die Schnauze verdreht hatte. Wir waren für ein paar Tage im ›Tiberio Palace‹ abgestiegen und diese dämliche Wachtel hatte meinen Tosa Inu völlig Gaga gemacht. Sie war der Stolz des Hotelbesitzers und ausgesprochen gepflegt. Die weinrote Wachtelhündin mit weißer Blesse und weißer Wamme lag im Foyer des Hotels auf dem schwarzen Marmor, hörte auf den Namen Lola und glotzte meinen Fanny an, als sei er der erste richtige Köter, den sie sieht. Eine Schönheit. Sie. Aber was wollte mein Riesenklotz mit dem zarten Wesen? Einem Schnüffelhund! Schnüffler bin doch ich, wenn ich dafür gut bezahlt werde, oder?!
»Fanny!«
Na endlich.
Er bequemte sich, seinen inzwischen auf etwa 85 Kilo abgemagerten Body gemächlich in Bewegung zu setzen, warf Anna einen Blick zu, der eigentlich mir galt und soviel sagte, wie … der kann mich mal …! und trottete hinter mir her, als sei ich ein armseliger Pudel mit Bommel, kahl rasiertem Hintern und riesiger Krone – und nicht die italienisch-deutsche Schönheit.
Ich klingelte und eine Asiatin öffnete mir. Bildschön und in traditioneller Kleidung ihres Landes. Sie begrüßte mich mit dem für die Region üblichen Wai. Das ‚Wai‘ ist das Verbeugen mit zusammengeführten Händen gegenüber dem zu Begrüßenden. Sie tat das formvollendet. Das heißt, sie zeigte mit ihrer Art der Begrüßung, dass sie die sozial niedriger gestellte Person sei, jünger und von großem Respekt mir gegenüber. Die Arme dicht am Körper, die Handflächen eng beieinander; sie berührten ihren Körper im Bereich des oberen Brustkorbs und das Heben und Senken der Hände geschah in einer flüssigen und langsamen Bewegung. Ich war mir nicht sicher, ob die Ehrerbietung mir galt oder aus Angst vor dem Folgmann erfolgte …
»Folgen Sie mir bitte, Herr Doktor Richter.«
Was für eine bezaubernde Stimme. Aus dem Singsang hätte man glatt einen Hitsong basteln können. War die hier wirklich nur als Türöffnerin angestellt? Oder war sie die Neue des Neureichen? Man munkelte, dass seine beträchtlich Jüngere, ihm Angetraute, des Öfteren den Hubschrauber oder einen Jet seiner Firma nahm, um kurz mal mit einem zweibeinigen Hengst in das Chalet der Familie in Davos-(am schönsten ist) zu fliegen, sich dort – sie war eigentlich ein wenig plump, hatte aber über die Jahre durchaus etwas von einer gut eingerittenen Stute vom Lande, was man nicht nur an ihren O-Beinen sah – gut durchvögeln zu lassen, um dann den Eitlen besser ertragen zu können.
»Bitte folgen Sie mir, Herr Doktor.«
Kein Hohn in der Stimme, kein Zynismus. „Herr Doktor“. Aus ihrem Mund klang das bewundernd. Vielleicht glaubte sie, mein Spitzname in der Branche wäre ein durch Universitätsabschluss erarbeiteter Titel … In dem Moment ging mir durch den Kopf, wie viele Politiker in Deutschland ein ‚Dr. Peinlich-Plagiat‘ in ihrem Namen trugen, von einem Karl Theo von Guttenberg über Annette Schavan, Jorgo Chatzimarkakis bis hin zu Silvana Koch-Mehrin – alles Betrüger …
Sein „Doktor“ kam mit einer leicht überzogenen, um nicht zu sagen starken Arroganz rüber, als er mich anrief. Aber auch Ärger und Nervosität konnte ich in seiner Stimme erkennen, die gewohnt ist, dass man ihr folgt. Nein, nicht folgt: pariert! Er glaubte allen Ernstes, dass er der tollste Mann in Grünwald, München, Bayern, Deutschland und Umgebung sei. Der „Herr Professor“, wie er sich gerne anreden ließ, obwohl er nie an einer Universität gelehrt hatte, und im Gegensatz zu mir – der ich gar keine, nicht mal eine gefälschte mein Eigen nannte – eine echte Doktorarbeit über irgendetwas total Unwichtiges geschrieben hatte, saß auf einem unglaublich hohen Thron. Das verwunderte mich nicht, war er doch eher – optisch betrachtet (und auch sonst?) – ein kleines Kerlchen …
Die asiatische Schönheit hatte mich in einen Salon geführt, der eher wie ein gut proportionierter und mit Kunst gefüllter Ausstellungsraum eines feinen Münchener Museums auf mich wirkte. Unwohnlich, aber es stank hier nach verdammt viel Kohle …
Ich erkannte einen Jeff Koons, einen Chagall und einen Gerhard Richter.