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4. Systematik innerhalb der DS-GVO und Verhältnis zu anderen Vorschriften

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Indem Art. 9 Teil des Kapitels II der DS-GVO ist und auf zahlreiche Datenkategorien Bezug nimmt, kommt der Vorschrift im System der DS-GVO grundsätzliche Bedeutung zu.

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Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Normen der Art. 6 Abs. 4 lit. c[35], 13 Abs. 2 lit. c[36], 17 Abs. 1 lit. b[37], Abs. 3 lit. c[38], 20 Abs. 1 lit. a[39], 22 Abs. 4[40], 27 Abs. 2 lit. a[41], 30 Abs. 5[42], 35 Abs. 3 lit. b[43], 37 Abs. 1 lit. c[44], 83 Abs. 5 lit. a[45] ausdrücklich auf Art. 9 Bezug nehmen.[46] Praktische Bedeutung erlangt Art. 9 insbesondere durch die Aufnahme in den Kriterienkatalog des Art. 83 Abs. 2 und 5 hinsichtlich der Bemessung der Bußgeldhöhe. Für das Verständnis der einzelnen Datenkategorien im Rahmen von Art. 9 sind daneben die Begriffsbestimmungen aus Art. 4 Nr. 13[47], 14[48] und 15[49] wesentlich.

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Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Verhältnis von Art. 9 und dessen Voraussetzungen zu Art. 6. Hierbei stellt sich zum einen die Frage, ob eine Verarbeitung sensibler Daten kumulativ die Voraussetzungen von Art. 6 und Art. 9 erfüllen muss oder ob eine Datenverarbeitung ausschließlich am Maßstab von Art. 9 zu messen ist. Zum anderen stellt sich die Frage des Verhältnisses von Art. 9 zu Art. 6 Abs. 4 und dessen begrenzter Weiterverarbeitungsbefugnis im Falle einer Zweckänderung.[50] Letztlich ist zu klären, ob die begrenzte Weiterverarbeitungsbefugnis aus Art. 6 Abs. 4 auch im Rahmen von Art. 9 Anwendung finden kann.[51] Auch die Bundesregierung sieht hierin Schwierigkeiten, welche durch ein unterschiedliches Verständnis der Verarbeitungstatbestände in den Mitgliedstaaten flankiert werden. Sie fordert insoweit eine genauere Anleitung insb. bezüglich der Frage nach der zweckändernden Weiterverbreitung von sensiblen Daten sowie der Frage, wie mit einem Widerruf einer ursprünglich erteilten Einwilligung umzugehen ist.

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Im Verhältnis zu Art. 6 enthält Art. 9 erhöhte und restriktivere Zulässigkeitsvoraussetzungen an eine Datenverarbeitung. Folglich ließe sich Art. 9 als eigenes Regelungssystem verstehen, das einen Rückgriff auf Art. 6 sowie dessen Abs. 4 ausschließt. Zudem enthält Art. 9 auch keinen Verweis auf Art. 6 oder dessen Abs. 4, so dass die Voraussetzungen von Art. 9 nicht in unmittelbarem Bezug zu Art. 6 stehen.[52] Gleichwohl nennt Art. 6 Abs. 4 lit. c ausdrücklich die besonderen Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 als Abwägungskriterium. ErwG 51 S. 5 stellt zudem klar, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung zusätzlich zu den speziellen Anforderungen an eine Datenverarbeitung auch die allgemeinen Grundsätze und andere Bestimmungen der Verordnung gelten sollen, insbesondere hinsichtlich der Bedingungen für eine rechtmäßige Verarbeitung und nimmt damit zumindest indirekt auch Bezug auf Art. 6.[53] Insofern ist davon auszugehen, dass Art. 9 den Art. 6 nicht verdrängt, sondern sich die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung sensibler Daten aus einer Zusammenschau der Anforderungen aus Art. 6 und 9 ergibt.[54]

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Gleichwohl ist zu beachten, dass im Sinne des risikobasierten Ansatzes der DS-GVO sowie unter teleologischen Aspekten aufgrund des hohen Schutzes sensibler Daten infolge der Eingriffsintensität erhöhte Eingriffsvoraussetzungen nach Art. 9 gelten und daher eine Anwendbarkeit von Art. 6 jedenfalls dann problematisch ist, wenn dadurch das durch Art. 9 intendierte Schutzniveau gesenkt würde.[55] Art. 9 sperrt insofern die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 lit. f und damit einen Rückgriff auf die allgemeine Interessenabwägungsklausel im Rahmen der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten.[56] Zum Verhältnis von Art. 6 und 9 im Rahmen der Videoüberwachung vgl. Rn. 81. Ebenso kann eine Weiterverarbeitung sensibler Daten nicht ohne Weiteres nach Art. 6 Abs. 4 zulässig sein.[57] Indem Art. 9 somit eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt, lässt sich die Systematik daher so deuten, dass Art. 6 Mindestvoraussetzungen normiert und Art. 9 dabei eine konkretisierende Vorschrift für die Verarbeitung sensibler Daten darstellt.[58] Um aber das hohe Schutzniveau des Art. 9 nicht zu unterlaufen, darf Art. 6 Abs. 4 keinesfalls dazu missbraucht werden, Datenverarbeitungen zu rechtfertigen, die zu einer Aushöhlung von Art. 9 führen.[59] Dabei lässt sich aus der Nennung von Art. 9 im Rahmen von Art. 6 Abs. 4 keine Aussage dahingehend entnehmen, dass eine Zweckänderung im Rahmen sensibler Daten nach Art. 6 Abs. 4 zulässig sein soll, weil die Erwähnung von Art. 9 im Rahmen der Abwägung auch ein Ausschlusskriterium im Rahmen der Vereinbarkeitsprüfung darstellen kann.[60] Der fehlende Verweis in Art. 9 auf Art. 6 stützt diese Annahme.[61] Für ein restriktives Verständnis spricht zudem ErwG 51 S. 4, der postuliert, dass eine Verarbeitung sensibler Daten nur unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 9 zulässig sein soll.[62] Folglich sind bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten sowohl die Voraussetzungen von Art. 6 als auch von Art. 9 zu beachten. Hinsichtlich der Zulässigkeit einer zweckändernden Weiterverarbeitung verdrängt Art. 9 als speziellere Norm Art. 6 Abs. 4 jedenfalls dann, wenn dadurch das Schutzniveau von Art. 9 gefährdet würde.[63] In diesem Fall kann eine Verarbeitung sensibler Daten nicht ausschließlich über Art. 6 Abs. 4 gerechtfertigt werden.[64] Hinzutreten muss stets ein Erlaubnistatbestand aus Art. 9. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Auswertung besonderer Kategorien personenbezogener Daten bei Big Data-Anwendungen, da Art. 6 Abs. 4 die Verarbeitung sensibler Daten nicht eigenständig rechtfertigen kann. Die Zulässigkeit der Verarbeitung richtet sich im Ausgangspunkt nach Art. 9.[65] Eine Anwendung von Art. 6 Abs. 4 kommt damit nur dann in Betracht, wenn für die ursprüngliche Datenverarbeitung ein Erlaubnistatbestand nach Art. 9 vorliegt. Der Weg über Art. 6 Abs. 4 ist allerdings dann versperrt, wenn sich die Datenverarbeitung auf eine Einwilligung der betroffenen Person nach Art. 9 Abs. 2 lit. a stützt. Dies geht aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 4 hervor. Art. 6 Abs. 4 kann daher nur im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 lit. b–j herangezogen werden.[66]

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