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dd) Gewaltfinalität
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Da die Gewaltanwendung im Hinblick auf die Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands gegen die Wegnahme erfolgen muss, ist eine „spezifische Gewaltfinalität“ erforderlich.[231] Diese „Absicht der Widerstandsüberwindung“ ist ein „konstituierendes subjektives Element des strafrechtlichen Gewaltbegriffs“[232] und vom Finalzusammenhang zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme zu unterscheiden. Beim Einsatz der Raubmittel kommt es somit auf die Vorstellung des Täters hinsichtlich deren Wirkung im Hinblick auf einen geleisteten oder erwarteten Widerstand gegen die Wegnahme an.[233] Entscheidend ist also nicht, ob objektiv vom Opfer Widerstand zu erwarten ist, sondern die (ggf. irrige) subjektive Einschätzung des Täters.
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Der Widerstand muss nicht bereits tatsächlich geleistet werden, es reicht aus, wenn der erwartete Widerstand von vorneherein unmöglich gemacht wird (z.B. durch Niederschlagen des Opfers) und damit als „Vorsorgegewalt“[234] ausgeübt wird. Dabei ist das Maß der aufgewendeten Kraft („die Wucht des Angriffs“) ein Indiz für das Vorliegen einer Absicht des Täters, einen (erwarteten) Widerstand zu brechen.[235] Ausgeschlossen sollen jedoch Fälle der „Überraschungsgewalt“ sein, in denen der Täter einem erwarteten Widerstand des Opfers durch List, Schnelligkeit oder Geschicklichkeit zuvorkommt.[236] Wie bereits angesprochen, grenzt die Rspr. beispielsweise beim Handtaschenraub die räuberische Gewalt vielfach von überraschenden Handlungen ab, die einen Widerstand von vornherein verhindern sollen.[237] Raub ist nach der Rspr. dann zu bejahen, wenn das Opfer die Handtasche an sich klammert, um sie vor einem Zugriff zu schützen, und der Täter sie ihr entreißt.[238] Andernfalls nutze der Täter lediglich das Überraschungsmoment aus und wolle gerade keinen erwarteten Widerstand brechen, sondern diesem zuvorkommen.[239] Diese Abgrenzung überzeugt nicht. Es lässt sich wohl kaum rechtssicher feststellen, ob der Täter keinen Widerstand erwartet, weil er einen solchen von vornherein verhindern möchte (dann „Überraschungsgewalt“) oder ob er Widerstand erwartet und diesen vorsorglich ausschalten will (dann „Vorsorgegewalt“).[240] Im Hinblick auf den Unrechtsgehalt besteht zudem kein Unterschied. Entscheidend ist nicht die nachgeordnete Frage der Gewaltfinalität (die in den Fällen der „Überraschungsgewalt“ durchaus vorliegen kann), sondern bereits das Maß der körperlichen Zwangswirkung (Rn. 45 ff.).
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Zudem stellt sich die Frage, ob der (erwartete) Widerstand durch mindestens willkürliches Verhalten erfolgen muss. Nach Ansicht der Rspr. reicht es auch aus, wenn der Täter durch Kraftentfaltung eine unwillkürliche Abwehrhandlung des Gewahrsamsinhabers überwindet.[241] Es soll auch genügen, wenn beim Opfer eine von dessen Willen unabhängige physische Reaktion eintritt, die seine Widerstandsmöglichkeit gegen die Wegnahme beeinträchtigt.[242] Dem ist zuzustimmen, wenn die anderen Voraussetzungen von Raubgewalt, also insbesondere eine nicht nur unerhebliche körperliche Zwangswirkung, vorliegen.