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6. Die Erpressung in der Nachkriegszeit

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Nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 bestimmte nationalsozialistische Strafgesetze aufgehoben. Die durch die Strafrechtsangleichungsverordnung von 1943 getroffenen Regelungen blieben jedoch in Kraft. Allerdings verbot die Kontrollratsproklamation Nr. 3 Ziff. II. 2 die Strafbegründung mit dem Verweis auf das „gesunde Volksempfinden“. In der Nachkriegszeit stellte sich daher bald die Frage, ob Verurteilungen auf den Tatbestand des § 253 RStGB in der Fassung von 1943 gestützt werden konnten, oder ob die Strafvorschrift durch die Gesetzgebung des Alliierten Kontrollrats (insgesamt) aufgehoben worden war. Ein Teil der Rechtsprechung nahm an, dass § 253 RStGB n.F. (bzw. der insoweit inhaltsgleiche § 240 RStGB n.F.) unwirksam seien, weil sie untrennbar mit typisch nationalsozialistischer Strafrechtssetzung verbunden waren.[39] Demgegenüber ging die überwiegende Anzahl der mit der Frage befassten Gerichte davon aus, dass die §§ 240, 253 RStGB n.F. zwar möglicherweise eine nationalsozialistische Diktion verwendeten, aber ihrer Weitergeltung keine durchgreifenden Bedenken entgegenstünden.[40] Eine vermittelnde Ansicht ging von der grundlegenden Fortgeltung der §§ 240 Abs. 1, 253 Abs. 1 RStGB aus, wollte aber den Absatz 2 jeweils unangewendet lassen bzw. durch das Merkmal der „guten Sitten“ oder durch eine allgemeine Rechtswidrigkeitsprüfung ersetzen.[41]

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Der BGH schloss sich dann der Ansicht derjenigen Obergerichte an, die eine unbeschränkte Fortgeltung des reformierten Erpressungstatbestandes befürworteten. Die Kontrollratsproklamation verbiete insoweit nur eine nationalsozialistische Interpretation des „gesunden Volksempfindens“, es sei dem Richter aber nicht verwehrt, bei der Einschränkung des Tatbestandes das Rechtsempfinden des Volkes zu berücksichtigen.[42] Durch das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953[43] wurde die sprachlich anstößige Formulierung des § 253 Abs. 2 StGB, den die Norm durch die Reform von 1943 erhalten hatte, dann aber endgültig beseitigt und der Tatbestand erhielt im Wesentlichen die heutige Fassung. Großen Einfluss auf die Erpressungsstrafbarkeit hatte in der Folgezeit dann insbesondere die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der Streiks im Rahmen des Tarifvertragsrechts als rechtmäßig anzusehen waren.[44] Die Erpressung hatte damit ihre Funktion als Instrument zur Bekämpfung von Arbeitsniederlegungen eingebüßt. Zeitgleich setzte der Bundesminister der Justiz, Fritz Neumayer, die Große Strafrechtskommission ein, die umfassende Vorschläge zur Reform des deutschen Strafrechts erarbeitete, die im sog. E 1962 gipfelten. Für das Recht der Erpressung sah der E 1962 aber keine grundlegende Umgestaltung vor.

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Die früher in § 253 Abs. 1 S. 2 StGB vorgesehene Strafschärfung für (unbenannte) besonders schwere Fälle wurde durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz von 1994 mit Regelbeispielen in Absatz 4 überführt.[45] Seit 1998 wird die genötigte Person nicht mehr als „anderer“, sondern als „Mensch“ bezeichnet.[46]

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