Читать книгу Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG) - Dieter Krampe - Страница 10
Kapitel 4 - Schattenberg 20.12., morgens
ОглавлениеDorothea Schneider muss jetzt aus dem Sattel gehen. Die aktuelle Mountainbike-Vizeeuropameisterin der EM in Bern fährt den Wanderweg von der Oybele Festhalle hinauf zur Gaststätte „Kühberg“. Trotz des strahlenden Sonnenscheins ist die 25-Jährige dick vermummt mit Pudelmütze und Handschuhen.
Oben angekommen fährt sie weiter Richtung Oytal, biegt dann nach links ab und nimmt die Zufahrtsstraße zu den Skischanzen oberhalb der Erdinger Arena. Kurz vor der historischen Sportstätte, auf der jährlich, wie auch in der übernächsten Woche, das Eröffnungsspringen der Internationalen Vierschanzen-Tournee ausgetragen wird, lenkt sie ihr Spezialrad einen schmalen 21% steilen Pfad den Schattenberg hinauf. Nach 100 m führt der Weg dann nach Norden. Anschließend rast sie den Berg todesmutig wieder hinunter und stellt ihr Rad am Fahrstuhl zur Großschanze ab.
Die deutsche Nationalmannschaft der Skispringer trainiert gerade auf der Schanze, bevor die Athleten und ihre Betreuer über die Weihnachtstage für vier Tage frei bekommen. Das Oberstdorfer Nachwuchstalent Karl Geiger grüßt flüchtig zu ihr herüber. Dorothea interessiert sich im Augenblick allerdings nicht für die Sportler. Sie wartet am Fahrstuhl und macht einige Lockerungsübungen.
Um kurz vor elf nähert sich ein BMW X6 in Midnight Blue metallic. Die Luxuskarosse biegt kurz vor den Schanzen auf den Parkplatz am Hüttendorf, in dem jede Nation ihre eigene Hütte für die Springer und die Service-Leute für die Zeit der Tournee bezieht. Die drei Insassen des Fahrzeugs steigen gemächlich aus. Alle drei schauen sich in alle Richtungen um, gerade so, als fürchten sie sich beobachtet zu werden.
Und sie werden beobachtet. Dorothea hat aus ihrem Minirucksack, den sie auf den Rücken geschnallt trägt, eine kleine LUMIX-Kompaktkamera hervorgezaubert. Per Teleobjektiv sieht sie die drei Herren scharf und klar vor dem BMW und schießt ein Foto, als alle praktisch unbewusst direkt in die Kamera schauen.
Der Fahrer ist noch blutjung. Nico Winterscheid, 1,88 m groß, drahtige Figur, lange blonde Haare mit einer größeren grauen Strähne an der linken Schläfe. Mit seinen 24 Lenzen ist er Juniorchef des EUROMIX-TECHNOLOGY-Konzerns in Lindau am Bodensee. Ihn kennt Dorothea schon, er hat sich in ihren GEOCACHING-Club eingekauft, und zwar so nachdrücklich, dass er bei der letzten Wahl zum Vorsitzenden mit zwei Drittel Mehrheit gewählt wurde.
Bei dem älteren Herrn im eleganten anthrazitfarbenen Lodenmantel handelt es sich um den Justiziar der Familie zu Hohenstein und des EUROMIX Konzerns, Dr. Werner Brandenburg. Seine von einem schmalen Haarkranz umgegebene Glatze blitzt ihr richtig entgegen. Mit seinem Gamsbarthut, dem hellgrauen Leinenjanker und den unvermeidliche dunkelgrünen Haferlschuhen erkennt die BMX-Fahrerin sofort Korbinian Einödhofer, den 1. Bürgermeister der Gemeinde Oberstdorf.
Die drei verschwinden gerade im Glaszelt, das während der Wintermonate zwischen den beiden Schanzen aufgebaut ist und zu Veranstaltungen gebucht werden kann. Dorothea läuft den Hügel zum Parkplatz hinunter, bis sie die drei hinter den Glaswänden sehen kann. Sie sitzen an einem ebenfalls gläsernen Tisch, diskutieren angeregt und orientieren sich dabei ständig auf einer Landkarte. Sie hält auch das im Bild fest.
Nach fünfzehn Minuten kommen die drei wieder heraus. Dorothea kann sich gerade noch hinter die Hütte der Norweger zwängen. Am Rand des Parkplatzes bleiben die drei stehen. Winterscheid führt jetzt das Wort, Einödhofer antwortet meistens nur kurz, allerdings versteht Dorothea nur einige Wortfetzen:
„ ein großes Ding…...Steuereinnah……..steht zur Verfügung……Flächennutzungs…..kein Problem…. Parkplatz unten…. Trettach……Seilbahn für zehn……Touristen in…… ganzen Jahr….“
Dorothea Schneider hat genug gehört und vor allem gesehen. Sie läuft den Hügel hoch zum Fahrstuhl, verstaut die Kamera und schwingt sich auf ihr Mountainbike. In rasender Fahrt passiert sie mit fünfzig Metern Abstand die drei, die sie gar nicht wahrnehmen, und strebt über die Oytalstraße dem Dorfzentrum entgegen.