Читать книгу Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG) - Dieter Krampe - Страница 15

Kapitel 9 - Eissportzentrum 20.12., abends

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Schibulsky sitzt in der „Strafbank“, dem Restaurant über dem Eissportzentrum und kann durch eine dicke Glasscheibe auf die Eisfläche der Eishockeyhalle schauen. In einer Stunde wird das Spiel der EISBÄREN Oberstdorf gegen die AIBDOGS aus Bad Aibling angepfiffen. Daher liegt die Halle jetzt noch im Dunkel. Nur zwei Strahler beleuchten die Kletterwand an der gegenüberliegenden Seite.

Robert hat sich per Handy mit seinem Ex-Kollegen und dessen Sohn hier verabredet. Stolz betrachtet er sein Nokia 3310, das er sich vor dreizehn Jahren notgedrungen zulegen musste, damit er im Dienst immer möglichst sofort erreichbar war.

„Ob ich den Toni noch mal anrufen soll? Sein Sohn ist seit zwei Jahren Trainer der EISBÄREN, vielleicht ist ihm unser Termin doch zu kurzfristig.“

Aber da betreten Toni und Peter Endras mit einer Riesensporttasche, Marke „Adidas“, das Restaurant. Der Ex- und der jetzige Dorfpolizist gehen zu Schibulskys Tisch und begrüßen ihn. Sie setzen sich. Toni stellt seinen Sohn vor:

„Das ist also der Peter. Wie du weißt, ist er in meine Fußstapfen getreten und ist jetzt POM- Polizeiobermeister.“

Robert erhebt sich kurz und reicht dem aktiven Ordnungshüter die Hand.

„Grüß Gott, Herr Schibulsky, ja ich leite die Polizeiinspektion am Bahnhofsplatz und bin eigentlich nur als „Dorfsheriff“ bekannt. Sie wollten mich in der Selbstmordsache „Teuffel“ sprechen?“

„Ja, genau“, bestätigt Robert. „Wie Ihnen Ihr Vater sicher berichtet hat, war ich vierzig Jahre lang bei der Kripo in Bielefeld. Jetzt als Pensionär kann ich es manchmal nicht lassen; wenn mir etwas schleierhaft vorkommt, stelle ich dann auch auf eigene Faust Nachforschungen an.“

Eine kleine, blondhaarige Bedienung erscheint wie aus dem Nichts. Die drei bestellen drei Halbe. Und schwups ist die Kleine wieder hinter ihrem Tresen verschwunden.

Der Dorfsheriff taxiert den Freund seines Vaters. „Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie doch mal unseren „Auferstehungschristus“ wieder besorgt, der aus der Appachkapelle gestohlen worden war.“

„Nun gut, dass war ja eine Kleinigkeit. Der Dieb hatte das Kreuz ja einfach im Internet zu Geld machen wollen.“

„Ja, aber Sie haben sich dann als Kunsthändler ausgegeben und ihn in seiner Wohnung überrascht.“

„Nun, auf die Idee hätten auch andere kommen können.“ Robert macht eine kleine Kunstpause, denn die Bedienung bringt das Bier.

„Aber heute ist der Fall schwerwiegender. Ihr Vater, der Toni, erzählt mir, die Polizei glaubt, der tote Kaplan aus St. Johann habe Selbstmord begangen. Aber da hat er, wie übrigens auch ich, große Zweifel.“

Peter schaut seinen Vater vorwurfsvoll an, wendet sich dann wieder Schibulsky zu: „Also ich habe da eigentlich keine Zweifel. Der Priester hat sogar einen Abschiedsbrief geschrieben. Man wollte ihn erpressen. Das Foto im Briefumschlag war ja auch eindeutig: Teuffel nackt mit zwei, sagen wir mal Damen, ebenfalls im „Adamskostüm“, er muss verlegen lachen, „wohl besser im „Evakostüm“ in seinem Bett. Ich kann den Kaplan da sogar ein bisschen verstehen. Wenn das herausgekommen wäre, hätte er in dieser erzkatholischen Gemeinde mit 5000 Gläubigen kein Bein mehr an die Erde bekommen.“

„Von einem kompromittierenden Foto habe ich gelesen. Aber gesehen habe ich keins.“

„Das Foto müsste jetzt noch bei der Kripo Kempten sein. Ich hatte gleich, nachdem ich den Toten am Mittwochmorgen gefunden habe, die KPI in Kempten verständigt. Die sind für alle Ereignisse mit Todesfolge zuständig. Zwei Beamte waren 45 Minuten später nach Loretto gekommen. Die haben Fotos vom Ort des Geschehens gemacht; sie waren dergleichen Meinung wie ich, daher wurde die Spurensicherung nicht angefordert. Die Pistole, den Abschiedsbrief und das Briefkuvert mit dem Foto haben sie mitgenommen, nachdem der Tote mit dem Leichenwagen abtransportiert worden war.“

Jetzt schaltet sich der alte Endras ein: „Du hast noch vergessen, dass der Brief noch zugeklebt war, Peter.“

„Ja, das stimmt“, sinniert der junge Endras.

„Aber woher wusste der Kaplan denn, was auf dem Foto im Kuvert abgebildet war?“ folgert Robert schlau.

Die Gedanken der drei Polizisten kreisen. Doch Peter hat eine Lösung: „Er hat sich bestimmt gedacht, die wollen mich erpressen und haben mir einen Beweis für die Orgie im Pfarramt mitgebracht!“

Robert gibt sich damit zunächst zufrieden, aber hakt weiter nach: „Was hat man noch bei dem Toten gefunden?“

„Nichts besonderes, seine Autoschlüssel und sein Portemonnaie mit Geld und Personalausweis halt.“

„Und hatte er auch einen Federhalter dabei.“

„Nein, es lag auch keiner in der Sakristei. Da fällt mir ein, einen Schreibblock mit so ´nem Kästchenpapier gab es auch nicht.“

Peter Endras schaut nach unten in die Eishalle. Die ist inzwischen spärlich beleuchtet, die ersten Zuschauer kommen herein. Ein älterer Herr dreht sich um und winkt hoch zum Restaurant. Peter schaut schnell auf die Uhr und erschrickt: „Oh verdammt, schon so spät. Unser neuer Mäzen will was von mir. Ich muss dann mal!“

Robert Schibulsky bedankt sich rasch beim Dorfsheriff und wünscht dem Eishockeytrainer „Viel Glück“. Der greift sich seine überdimensionierte Sporttasche und verschwindet im Treppenhaus.

„Ich danke dir, Toni, dass du es geschafft hast, dass dein Sohn mir etwas über die Ermittlungen im Fall „Teuffel“ berichtet hat.“

Toni beugt sich zu ihm herüber: „Und was denkst du jetzt, Robert?“

„Komisch, komisch, Toni, die Sache stinkt zum Himmel. Die Kollegen sind sehr oberflächlich vorgegangen. Vielleicht liegt das an den bevorstehenden Weihnachtstagen?“

Toni stimmt ihm zu: „Wer weiß, wer weiß?“

„Ich bleib´ auf jeden Fall dran an der Sache. Aber wenn es um Mord gehen soll, dann braucht es ja auch ein Motiv. Wer kann uns dabei helfen, wer hatte denn außer dem Pfarrer noch mit ihm zu tun?“

„Da fällt mir spontan nur die Sozialarbeiterin im Dorf ein. Warte mal, ich glaub´, die heißt Schneider und wohnt in Jauchen, oberhalb der Walserstraße. – Aber jetzt lass uns auch runter gehen, dann kannst du mal Eishockey der 5. Liga sehen“, verkündet der Ex-Polizist mit stolzgeschwellter Brust.

Robert Schibulsky ist nicht besonders beeindruckt. Er ist oft mal Zuschauer in Köln oder Berlin in der DEL, und das ist wirklich erstklassig. Er zahlt rasch die drei Biere und folgt Toni.

Unten stehen gerade mal an die dreißig Fans. Er bekommt ein Ticket für Schwerbehinderte für 3 €, also fast geschenkt, echt sozialer Preis. Die Halle ist auch fünf Minuten vor dem Anpfiff eher dürftig besucht. So finden Toni und Robert einen Sitzplatz genau auf Höhe der Mittellinie. Das Spiel reißt den Ex-Kommissar nicht vom Hocker. Auffällig ist nur das Verhalten des heimischen Goalkeepers. Seine Blicke sind mehr auf die Tribüne gerichtet als auf das Spiel.

Sein Interesse gilt scheinbar dem Paar, das etwas links von den beiden Polizisten in der ersten Reihe sitzt, die praktisch als kleine Loge dekoriert ist. Robert ist zu lange aus der Übung, aber man kann das Gebaren des Pärchens vielleicht als herum turteln bezeichnen. Er schubst Toni an und weist auf das Paar hin.

„Ach, das ist der neue Manager und Mäzen vom EC. Ulrich Winterscheid. Schwerreich. Dem gehört jetzt der EUROMIX-TECHNOLOGY-Konzern, hat sich hier im Verein eingekauft und will mit seinen anderen Sponsoren die EISBÄREN in drei Jahren in die 2. DEL-Liga bringen. Da sind die Vereinsmeier schnell schwach geworden und haben Winterscheid jetzt auch noch zum Vereinsboss gemacht. Die Frau kenn´ ich nicht. Die hab´ ich hier auch noch nie gesehen.“

Ein bulliger EISBÄREN-Fan im rotweißen Trikot mischt sich ein. „Das ist die Chantal, die Freundin vom Rapp, die is´ gerade erst aus Berlin hier angetanzt.“

„Bob Rapp? Von den EISBÄREN Berlin?“, fragt Robert erstaunt.

„Genau“, erwidert der Fan, „den hat der Winterscheid zum Einstand mitgebracht.“ Damit wendet er sich wieder dem Spiel zu. Schibulsky kennt den Deutsch-Kanadier, der eigentlich vor seiner Verletzung Torwart Nr. 1 der deutschen Nationalmannschaft war. Aber unter der Torwartmaske hat er ihn nicht erkannt. Die Trikotnummer 72 deutet allerdings darauf hin, dass der Fan tatsächlich Recht hat.

Toni ergänzt: „Der muss richtig Ablöse gekostet haben!“

Schibulsky kann es kaum glauben, dass so ein Crack hier in die Provinz geht.

„Die 44 und die 17 kommen auch aus der DEL, von den Kölner HAIEN und den ADLER Mannheim“, schaltet sich der Fan nochmals ein.

„Der Peter findet die Neueinkäufe gar nicht gut, die sind sehr überheblich und passen nicht in unsere Amateurtruppe“, flüstert Toni Robert zu.

„Hey, Alter, sei mal leise, wir sind dem Winterscheid echt dankbar, dass er so viel Knete für uns locker macht“, droht der Fan.

Ein Weitschuss fliegt aufs Tor der EISBÄREN, doch die Augen von Goalie Rapp sind gerade wieder auf die Tribüne gerichtet, wo Winterscheids Hände sich mutig unter dem Mantel seiner Begleiterin verirren, und sie mit einem hohen Lachen quittiert.

Der Puck rauscht ins Netz, die rote Lampe hinter dem Tor leuchtet auf – Tor. 0 – 1. Rapp schaut zurück und sieht den Puck im eigenen Netz zappeln. Er rastet aus und rast plötzlich auf die Zuschauertribüne zu und holt mit seinem massiven Torwartschläger aus. Der anderweitig beschäftigte Vereinsboss wird ohne eine Abwehrreaktion am Kopf getroffen und sinkt zu Boden.

Kapitel 10 - Klinik Oberstdorf 21.12., morgens

Robert Schibulsky begnügt sich zum Frühstück mit einer Schale Cornflakes plus Müsli plus einer klein geschnittenen Banane. Er hat von seinem Freund Toni trotz der Turbulenzen gestern Abend noch die Adresse von der Bekannten des toten Kaplans erhalten, mit der er sich für heute verabredet hat. Zuvor möchte er noch einmal in Ruhe mit Tonis Sohn sprechen. Daher verlässt er um kurz vor zehn seine Wohnung und tritt auf die Trettachstraße.

In dem Moment braust ein blauer Sportwagen auf ihn zu und legt eine Vollbremsung vor dem Eingang zur Oberstdorfer Klinik hin. Robert kann da nur den Kopf schütteln und setzt seinen Weg zum Bahnhof fort.

Aus dem BMW X6 springt ein schlaksiger, fast 1,90 m großer Jüngling mit Moonboots, hellblauer Jeans und weißer Thermojacke mit Pelzkragen heraus. Er schnappt sich seine große Sonnenbrille von der Frontablage und knallt die Fahrertür zu. Er läuft zum Eingang, nimmt die fünf Treppenstufen mit einem Satz.

Ulrich Winterscheid sitzt im Behandlungszimmer der Notärztin Dr. Bettina Ziebach. Seinen Kopf ziert ein weißer Turban, sein rechtes Auge ist violett angeschwollen. Obwohl die Sonne ungehindert in den Raum strahlt, sieht er vermeintlich den „Großen Wagen“ an der Zimmerdecke. Ihm gegenüber studiert die Ärztin die Ergebnisse ihrer Untersuchung am PC.

An den gestrigen Abend kann sich Ulrich Winterscheid nur ganz verschwommen erinnern. Während des Eishockeyspiels rauschte plötzlich ein Holzschläger auf ihn zu und krachte auf seinen Schädel. Dann lag er im Notrettungswagen und wurde mit Blaulicht zur Klinik gefahren. Hier wurde seine Platzwunde an der rechten Stirn geklammert und verbunden und seine Prellung am Auge gekühlt. Zur Beobachtung sollte er eine Nacht in der Klinik verbleiben. Er bekam ein starkes Schmerzmittel und war erst kurz vor acht in einem Einzelzimmer aufgewacht.

„Ja, Herr Winterscheid,“ beginnt Dr. Ziebach, „Glück gehabt. Wir haben nur ein leichtes Schädelhirntrauma messen können, also eine leichte Gehirnerschütterung. Wenn der Schlag, den Sie mitbekommen haben, etwas stärker und etwas genauer gewesen wäre, hätte das sicherlich viel schwerere Auswirkungen haben können. So kann ich Sie wieder nach Hause lassen, wenn Sie mir versprechen, dass Sie sich wirklich schonen und mal drei, vier Tage ausruhen und relaxen.“

Ulrich Winterscheid sieht gerade den „Orion“ und fixiert angestrengt Rigel an, den hellsten Stern im Wintersternbild, der mit seinen 0,12 mag Helligkeit jetzt immer heller zu scheinen scheint.

„Ja, natürlich, Frau Doktor“, glaubt er sich selbst nicht.

In diesem Augenblick klopft es an der Tür. Gleichzeitig wird sie aufgerissen und Ulrichs Sohn Nico tritt in den Raum. Ohne Gruß gackert der los: „Geil, Paps, echt geiles Silvesteroutfit. Der Scheich steht dir echt gut.“

„Nun beruhigen Sie sich erst einmal“, ruft Dr. Ziebach dem Jüngling entgegen. „Ich nehme an, Sie wollen Herrn Winterscheid abholen. Aber ihm wird es gar nicht so lustig zumute sein. Also gehen Sie äußerst schonend mit ihm um.“

„Da hörst du es, Nico. Was ich dir immer sage.“ Vater Winterscheid macht Anstalten aufzustehen.

„Moment, Herr Winterscheid, warten Sie noch einen Augenblick. Ich lasse eben noch den Diagnosebericht für Ihren Hausarzt ausdrucken. Den können Sie dann gleich mitnehmen.“

Die Doktorin spricht es und verlässt schnellfüßig den Raum.

Nico wartet ab, bis die Tür verschlossen ist. „Was is´ das denn für ´ne Pute?“

Ulrich bemüht sich, einen klaren Gedanken zu fassen und seine offensichtlich fehlgeschlagenen Erziehungsmethoden durch eine kluge Bemerkung doch noch retten zu können. „Du darfst nicht immer alle Leute gleich vor den Kopf stoßen, Nico. Manche verstehen deine Späße nicht, und das kannst du dir als zukünftiger Chef nicht leisten.“

Nico lenkt ab. „Stimmt das wirklich, dass dich dieser Profi-Eishockeytorwart zusammengeschlagen hat, den du erst vor zwei Wochen für teures Geld eingekauft hast?“

„Was“, stöhnt Ulrich auf, „ ich weiß nichts mehr von gestern Abend. ….außer, dass die Freundin vom Rapp sehr nett war.“

„Rapp? Ist das dieser Torwart? In der Zeitung steht, der wäre nach dem ersten Gegentor ausgerastet, weil du seine Freundin auf der Tribüne angegrabscht hättest.“

„Seine Freundin, das ich nicht lache.“ Beim ersten Versuch, sich aufzurichten, zuckt Ulrich vor Schmerzen zusammen, „die kenne ich schon aus Berlin. Mit der konnte ich prima um die Häuser ziehen. Auch sonst…“

Nico redet ihm dazwischen: „Ach und damit du an die rankommst, hast du diesen Torwartfuzzi gekauft?“

„Respekt, mein Sohn, Respekt! Bob Rapp war immerhin Nationalspieler für Deutschland. Und ich will hier als Vereinsboss als der große Macher auftreten, vergiss das nicht. Nur so werden wir den Zuschlag für unsere Zukunftspläne verwirklichen können.“

Nico tritt ans Fenster, wechselt beim Blick auf den „Wintertraum Oberstdorf“ das Thema. „Mal was anderes, Paps, ich weiß nicht, ob der Bürgermeister hier der richtige Mann für uns ist. Der Brandenburg und ich hatten gestern ´nen Termin mit dem. Der Einödhofer glaubt, dass die Eigentümer oben beim Kühberg noch Ärger machen werden. In ihrer Satzung steht so was wie, es darf kein Land verkauft werden.“

„Sei unbesorgt, der Alte kennt seine Pappenheimer hier ganz gut. Der hat doch die Unterschriften vom Vereinsvorstand längst zusammen.“

„Ja, das weiß ich. Aber Einödhofer meint, es wäre vielleicht doch besser, den Park nördlich vom Ort zu planen.“

„Quatschkopf, ich will das Gebiet vor dem Oytal und sonst keines. Für unsere Wildwasserbahn brauchen wir richtig viel Höhenunterschied bis zum Fluss und die Wasserzufuhr durch die Trettach. – Nee, nee, Nico, lass mich das mal machen. Die Leute vergessen ihre Moral immer ganz schnell, wenn nur der Preis stimmt.“

Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG)

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